Neues Bypass-Medikament bei Hämophilie |
Die Patienten sollten auf Anzeichen von Thrombose überwacht werden. Hintergrund ist, dass für Patienten mit einer anamnestisch bekannten arteriellen oder venösen thromboembolischen Erkrankung nur begrenzt Daten zur Sicherheit von Cevenfacta vorliegen, da solche Patienten aus den klinischen Studien ausgeschlossen waren.
Unter Cevenfacta kann es zu Überempfindlichkeitsreaktionen, einschließlich Anaphylaxie, kommen. In diesem Fall sollte die Behandlung abgebrochen werden und der Patient umgehend medizinisch versorgt werden.
Aus Vorsichtsgründen sollte eine Anwendung während der Schwangerschaft vermieden werden. Bei stillenden Müttern muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung verzichtet beziehungsweise sie unterbrochen werden soll.
Nach der Verabreichung von Cevenfacta kann es zu Schwindelgefühl kommen. Dies hat möglicherweise einen geringen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit des Patienten zum Bedienen von Maschinen.
Die Zulassung basiert auf den Phase-III-Studien PERSEPT 1 und PERSEPT 3. PERSEPT 1 war eine offene, randomisierte Crossover-Studie mit zwei anfänglichen Dosierungsschemata (75 µg/kg und 225 µg/kg) an 27 jugendlichen und erwachsenen Hämophilie-A- und -B-Patienten mit Inhibitoren. Als primärer Endpunkt galt der Anteil erfolgreich behandelter Blutungsepisoden unabhängig vom Schweregrad zwölf Stunden nach der initialen Verabreichung von Cevenfata (fehlende Antworten wurden als Versagen gewertet). Dies waren 81 Prozent unter der niedrigeren Dosis und 90 Prozent unter der hohen Dosis. Die durchschnittliche Zeit bis zum Erreichen der hämostatischen Wirksamkeit betrug 5,98 Stunden für das 75-µg/kg- und 3 Stunden für das 225-µg/kg-Dosierungsschema.
Die offene, einarmige Studie PERSEPT 3 untersuchte die Sicherheit und Wirksamkeit von Cevenfacta bei zwölf Hämophilie-A- oder -B-Patienten mit Inhibitoren, bei denen ein chirurgischer oder anderer invasiver Eingriff geplant war. Bei größeren Eingriffen betrug die unmittelbar davor als Bolus verabreichte erste Cevenfacta-Dosis 200 µg/kg, bei kleineren Eingriffen 75 µg/kg. Der primäre Endpunkt war der Prozentsatz an chirurgischen oder anderen invasiven Eingriffen mit einem »guten« oder »hervorragenden« Ansprechen auf die Behandlung innerhalb von 48 (± 4) Stunden nach der letzten Verabreichung. Insgesamt wurden 81,8 Prozent der Verfahren als erfolgreich behandelt gemeldet.
In beiden klinischen Studien wurden keine thromboembolischen Ereignisse registriert. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Beschwerden oder Hämatome an der Infusionsstelle, Hämatome, infusionsbedingte Reaktionen, erhöhte Körpertemperatur, Schwindel und Kopfschmerzen.
Die Hämophilie-Behandlung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Zuletzt kam sogar eine Gentherapie bei Hämophilie A in den Handel. Bei Vorliegen von Hemmkörpern stellt Hämophilie für Behandler und Patienten aber noch immer eine besondere Herausforderung dar. Häufig kommen dann Bypass-Medikamente zum Einsatz. Schon seit mehr als 20 Jahren steht dafür unter anderem Eptacog alfa zur Verfügung. Das nun eingeführte Eptacog beta ist eine weitere therapeutische Option für die Behandlung von akuten Blutungsepisoden oder chirurgischen Eingriffen. Allerdings weist sie kein neues Wirkprinzip auf und bringt keinen weiteren therapeutischen Fortschritt. Unklar ist, ob das veränderte Glykosylierungsmuster im Vergleich zu Eptacog alfa und die in In-vitro-Untersuchungen gezeigte höhere Bindungsaffinität von Eptacog beta, beispielsweise zu aktivierten Thrombozyten, im klinischen Alltag einen relevanten Unterschied ausmachen. Ein direkter Vergleich mit Eptacog alfa liegt nicht vor. Zudem kann Eptacog alfa bisher mit einem deutlichen breiteren Anwendungsgebiet aufwarten. Beispielsweise ist es auch bei Patienten mit erworbener Hämophilie und bei Patienten mit angeborenem Faktor-VII-Mangel zugelassen. Summa summarum ist Eptacog beta damit vorerst als Analogpräparat einzustufen.
Sven Siebenand, Chefredakteur