Neuer Thrombopoetin-Rezeptoragonist verfügbar |
Kerstin A. Gräfe |
10.05.2021 07:00 Uhr |
Verursachen zum Beispiel harmlose Verletzungen einen Bluterguss, kann dies ein erstes Anzeichen für einen Thrombozytenmangel sein. / Foto: Adobe Stock/Martin Sandera 2017
Bei der primären chronischen Immunthrombozytopenie (ITP) handelt es sich um eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch teilweise schwere Blutungen infolge erniedrigter Thrombozytenwerte (< 50000/µl) charakterisiert ist. Die Erstlinientherapie besteht in der Regel aus der Gabe von Glucocorticoiden (Prednison, Dexamethason). Kann damit keine ausreichende oder anhaltende Steigerung der Blutplättchenzahl erreicht werden oder verträgt der Patient die Medikamente nicht, stehen in der Zweitlinie neben Fostamatinib und einer Splenektomie Thrombopoetin-Rezeptoragonisten (TPO-RA) wie Romiplostim (Nplate®) und Eltrombopag (Revolade®) zur Verfügung.
Auch Patienten mit einer chronischen Lebererkrankung leiden häufig an einer Thrombozytopenie. Bei einer nicht effektiven Behandlung können unkontrollierte Blutungen auftreten. Lange Zeit waren Thrombozytenkonzentrate die einzige Möglichkeit, die Thrombozytenzahl kurzfristig anzuheben und das Blutungsrisiko zu senken.
Seit April ist nun Avatrombopag (Doptelet® 20 mg Filmtabletten, Swedish Orphan Biovitrum) zur Behandlung von primärer chronischer ITP bei erwachsenen Patienten verfügbar, die auf andere Therapien wie Corticosteroide und Immunglobuline nicht ansprechen. Zudem wird der neue TPO-RA zur Behandlung einer schweren Thrombozytopenie bei erwachsenen Patienten mit chronischer Lebererkrankung eingesetzt, bei denen ein invasiver Eingriff geplant ist.
Als TPO-RA ahmt Avatrombopag die biologische Wirkung des körpereigenen Zytokins Thrombopoetin (TPO) nach. Hierdurch stimuliert der Wirkstoff die Proliferation und Differenzierung von Megakaryozyten aus Knochenmarkvorläuferzellen, was wiederum zu einer erhöhten Bildung von Thrombozyten führt. Dabei konkurriert er nicht mit dem körpereigenen TPO um die Rezeptorbindungsstelle und ermöglicht dadurch einen additiven Effekt auf die Thrombozytenbildung.
Die empfohlene Tagesdosis ist je nach Indikationsgebiet unterschiedlich. Bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung vor einem invasiven Eingriff basiert sie auf den Thrombozytenwerten des Patienten. Letztere müssen vor der Einnahme von Doptelet und auch am Tag des Eingriffs bestimmt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Blutplättchenzahl angemessen und nicht unerwartet hoch ist. Bei einem Thrombozytenwert < 40 x 109/l werden einmal täglich 60 mg für fünf Tage empfohlen. Bei einem Thrombozytenwert ≥ 40 bis < 50 x 109/l werden einmal täglich 40 mg für fünf Tage empfohlen. Mit der Einnahme soll zehn bis 13 Tage vor dem geplanten Eingriff begonnen werden. Diesem soll sich der Patient fünf bis acht Tage nach der letzten Einnahme von Avatrombopag unterziehen. Die Tabletten sollen zusammen mit einer Mahlzeit und nicht länger als fünf Tage eingenommen werden.
Bei Patienten mit chronischer Immunthrombozytopenie wird empfohlen, Avatrombopag in der niedrigsten Dosierung anzuwenden, mit der ein zur Verringerung des Blutungsrisikos notwendiger Thrombozytenwert von ≥ 50 x 109/l erreicht und aufrechterhalten werden kann. Avatrombopag soll nicht zur Normalisierung der Thrombozytenwerte eingesetzt werden. In klinischen Studien stiegen die Thrombozytenwerte normalerweise innerhalb einer Woche nach Beginn der Behandlung mit Avatrombopag und gingen innerhalb von ein bis zwei Wochen nach dem Absetzen wieder zurück. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 20 mg einmal täglich zusammen mit einer Mahlzeit. Nach Einleitung der Therapie ist der Thrombozytenwert wöchentlich mindestens einmal zu beurteilen, bis ein stabiler Wert zwischen ≥ 50 × 109/l und ≤ 150 × 109/l erreicht wurde. Bei Patienten, die Avatrombopag nur ein- oder zweimal wöchentlich erhalten, sind in den ersten Therapiewochen die Thrombozytenwerte zweimal pro Woche zu überprüfen. Eine zweimal wöchentliche Kontrolle ist auch nach Dosisanpassungen (siehe Tabelle in der Fachinformation) im Verlauf der Therapie erforderlich.