Neuer Antikörper auch wirksam gegen Omikron |
Annette Rößler |
14.02.2022 12:30 Uhr |
Das Spike-Protein (rot) benötigt SARS-CoV-2, um an den Zellrezeptor ACE2 (blau) anzudocken. Wie alle anderen therapeutischen Antikörper richtet sich auch Bebtelovimab gegen das Spike-Protein. / Foto: Getty Images/selvanegra
Therapeutische Antikörper gegen das Coronavirus gibt es mittlerweile einige, aber außer Sotrovimab (Xevudy®, GSK) sind sie gegen die vorherrschende Omikron-Variante wenig bis gar nicht wirksam. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat daher die Anwendung solcher Präparate bei Covid-19-Patienten bereits stark eingeschränkt: Sie dürfen nur noch dann eingesetzt werden, wenn die vorliegende Variante darauf anspricht. Eine weitere Option gegen Omikron wird dringend benötigt, denn Sotrovimab ist zwar wirksam, aber nicht in gewünschter Menge verfügbar, wie etwa die letzte Wochenstatistik der US-Regierung über die verteilten Dosen von Covid-19-Medikamenten zeigt.
Bebtelovimab (LY-CoV1404, LY3853113) scheint eine solche Option zu sein. Wie Hersteller Lilly informiert, belegen Tests mit Pseudoviren und mit echten Coronaviren, dass dieser Antikörper seine volle neutralisierende Aktivität gegenüber der Omikron-Variante beibehält. Pseudovirus-Tests hätten zudem gezeigt, dass er auch gegen alle anderen bekannten besorgniserregenden Varianten (VOI und VOC) wirke, inklusive des Omikron-Subtyps BA.2. Wie die anderen Anti-SARS-CoV-2-Antikörper richtet sich auch Bebtelovimab gegen das Spike-Protein des Erregers, zielt dabei aber offenbar auf einen Bereich, der bislang nur wenig von Mutationen des Erregers betroffen ist.
Als notfallzugelassenes Medikament darf Bebtelovimab in den USA nun bei Patienten mit leichtem bis mittelschwerem Covid-19 eingesetzt werden, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankung haben. Die Anwendung ist auf Patienten ab zwölf Jahren und mit einem Körpergewicht von mindestens 40 kg beschränkt und darf nur dann erfolgen, wenn zugelassene Therapiealternativen nicht verfügbar sind oder nicht infrage kommen.
Bebtelovimab wird einmalig in einer Dosis von 175 mg als intravenöse Injektion gegeben. Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen Juckreiz, Hautausschlag (Rash), injektionsabhängige Reaktionen, Übelkeit und Erbrechen. Da die Anwendung von therapeutischen Antikörpern bei Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien von Covid-19 zu einer Verschlechterung des Zustands führen kann, betont die FDA, dass die Gabe von Bebtelovimab bei hospitalisierten Patienten und bei solchen mit zusätzlichem Sauerstoffbedarf nicht gestattet ist.
Ausschlaggebend für die Notfallzulassung waren vor allem Ergebnisse der Phase-II-Studie BLAZE-4 (NCT04634409), in der Bebtelovimab als Monotherapie oder zusammen mit den beiden anderen Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern aus dem Hause Lilly, Bamlanivimab und Etesevimab, getestet wurde. Verglichen mit Placebo führte Bebtelovimab bei Patienten mit einem niedrigen Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf zu einer Verkürzung der Zeit bis zur Genesung und einer Senkung der Viruslast an Tag 5. Bei Hochrisiko-Patienten sank das Risiko für Hospitalisierung oder Tod bis Tag 29. Bebtelovimab allein war dabei ungefähr so wirksam wie die Dreierkombination aus Bebtelovimab, Bamlanivimab und Etesivimab.
Die Europäische Arzneimittelagentur hat mit der Begutachtung von Bebtelovimab noch nicht begonnen. Sollte eine eventuelle bedingte Zulassung in Europa auf sich warten lassen, könnte der Bedarf angesichts der bevorstehenden warmen Jahreszeit – im Sommer ist wieder mit einem Rückgang der Fallzahlen zu rechnen – schon deutlich gesunken sein, wenn das Präparat in Europa verfügbar wird. Harte Konkurrenz wird Bebtelovimab zudem von Anfang an in den verfügbaren oralen Therapiealternativen Molnupiravir (Lagevrio®, MSD) und Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®, Pfizer) haben. Eine weitere Option mit anscheinend breiter Wirksamkeit über viele Virusvarianten hinweg ist gleichwohl sehr begrüßenswert.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.