Neue Therapien für schwache Herzen |
Aus induzierten pluripotenten Stammzellen lassen sich auch Kardiomyozyten gewinnen. / Foto: Shutterstock/Sebastian Kaulitzki
Eine der Hauptursachen für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität ist die Herzinsuffizienz. Bei dieser Erkrankung ist das Herz nicht mehr in der Lage, den Körper ausreichend mit Blut zu versorgen. Bei der Herzschwäche mit reduzierter Auswurfleistung ist die Pumpfunktion des Herzens gestört. Bei der diastolischen Funktionsstörung ist die Ejektionsfraktion zwar unbeeinträchtigt, die Dehnbarkeit der linken Herzkammer ist allerdings so eingeschränkt, dass sie nicht mehr ausreichend Blut aufnehmen kann.
Für die Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion gibt es bislang keine spezifisch wirkende medikamentöse Behandlungsoption. »Aktuell setzen wir hier Hoffnung in Entresto®, die Kombination aus Sacubitril und Valsartan«, sagte Professor Dr. Thomas Eschenhagen, Institutsdirektor des Zentrums für Experimentelle Medizin und des Instituts für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, im Gespräch mit der PZ. Der Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) ist bereits für die Behandlung der Herzinsuffizienz-Patienten mit reduzierter Ejektionsfraktion zugelassen
Eine Herzschwäche ist auch dadurch charakterisiert, dass nicht genug Stickstoffmonoxid (NO) zur Verfügung steht, um die durch NO aktivierte lösliche Guanylatzyklase (sGC) ausreichend zu stimulieren. Das Enzym spielt eine wichtige Rolle im NO-Signalweg und sorgt dafür, dass gebildetes cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) die Erschlaffung der glatten Gefäßmuskelzellen auslöst. Das führt zu einer Erweiterung der Blutgefäße und zu einer Verbesserung der systemischen arteriellen Sauerstoffversorgung. Ein solcher sGC-Stimulator ist zum Beispiel Riociguat, das bereits zur Behandlung der seltenen chronisch-thromboembolischen pulmonalen Hypertonie und der pulmonalen arteriellen Hypertonie zugelassen ist.
Ähnlich wie beim Lungenhochdruck steht auch bei der Herzinsuffizienz nicht ausreichend NO zur Verfügung. Daher erhofft man sich von sGC-Stimulatoren wie Riociguat auch am Herzen positive Effekte. / Foto: PZ
»Noch nicht ganz aufgegeben ist die Idee, dass sGC-Stimulatoren wie Riociguat oder Vericiguat auch gegen die bisher therapeutisch nicht adressierbare Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion helfen könnten«, informiert Eschenhagen. In einer laufenden Phase-III-Studie werde derzeit Vericiguat bei chronischer Herzinsuffizienz mit verminderter und erhaltener Auswurfleistung untersucht, eine Phase-II-Studie mit Riociguat bei pulmonaler Hypertonie und Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion sei in Planung.
Mittlerweile ebenfalls in Phase III der klinischen Prüfung befindet sich der Mineralocorticoid-Rezeptorantagonist Finerenon. Der Wirkstoff wurde zur Behandlung von chronischer Herzinsuffizienz und diabetischer Nephropathie entwickelt. »Er soll gegenüber den bisherigen Vertretern der Klasse weniger Nebenwirkungen haben, beispielsweise ein geringeres Risiko für die gefährliche Hyperkaliämie«, erklärt Eschenhagen. Als Grund wird angenommen, dass der neue Wirkstoff eine höhere Affinität und Spezifität für den Mineralocorticoid-Rezeptor und eine gleichmäßigere Gewebeverteilung in Herz und Niere aufweisen soll als bisherige Substanzen.
Eine Innovation in der Pipeline ist Elamipretid, auch bekannt als SS-31, MTP-131 oder Bendavia. Target des kleinen Tetrapeptids sind die Mitochondrien. »Bei der Herzinsuffizienz besteht ein relatives Energiedefizit aufgrund einer mitochondrialen Dysfunktion«, so Eschenhagen. »Dies geht wahrscheinlich mit einer Überproduktion von Sauerstoffradikalen einher. Beide Faktoren treiben das Fortschreiten der Krankheit voran.« Dem soll Elamipretid entgegenwirken: Der Wirkstoff scheint die Mitochondrien zu stabilisieren und die Bildung von Sauerstoffradikalen zu reduzieren. Aktuell laufen Phase-III-Studien.
Ein weiteres mögliches neues therapeutisches Angriffsziel eröffnet der Einsatz von sogenannten microRNA (kurz miRNA). Die nicht kodierenden RNA-Abschnitte regulieren die Proteinsynthese auf RNA-Ebene. »Natürlicherweise bilden sich jährlich nur etwa 0,5 Prozent der Herzzellen neu«, sagt Eschenhagen. »Um diese geringe Regenerationsrate nach Ereignissen wie einem Herzinfarkt zu steigern, können Zellen im Herzen zur Proliferation angeregt werden.« Hier kommen neben Wachstumsfaktoren auch miRNA ins Spiel. Risiken wie eine Stimulation von Tumorwachstum sind jedoch zu bedenken, wenn der ganze Körper mit miRNA quasi überschwemmt wird. Diese Gefahr wollen die Wissenschaftler durch eine gezielte lokale Verabreichung reduzieren, zum Beispiel durch Aufbringen eines miRNA-freisetzenden Pflasters auf dem Herzen.
Auch in die Gentherapie werden Hoffnungen gesetzt. Sie könnte zum einen allgemeine bei der Herzinsuffizienz gestörte Prozesse wie den verminderten myokardialen Calciumzyklus adressieren. Hier setzt die bereits beim Menschen getestete sogenannte SERCA-Gentherapie an. Sie zielt auf die sarkoplasmatische Ca2+-ATPase (SERCA2a) ab, deren verminderte Aktivität bei Herzinsuffizienz eine Ursache für den gestörten Calciumhaushalt ist. Durch Einbringen von SERCA2a-Genen wollen Wissenschaftler die Aktivität der Calciumpumpe steigern und damit auch die Leistungsfähigkeit des Herzens verbessern. Zum anderen könnten mit der Gentherapie aber auch gezielt Gendefekte bei den seltenen, aber schweren angeborenen Kardiomyopathien korrigiert werden. Noch stehen einer erfolgreichen Anwendung aber Hindernisse im Weg. »Das weiterhin ungelöste Problem ist ein effektiver herzspezifischer und beim Menschen anwendbarer Vektor«, so der Experte. »Die bisherigen Adeno-assoziierten Viren (AAV) funktionieren sehr gut bei der Maus, liefern aber im Menschen noch keine zufriedenstellenden Ergebnisse, wie man an der erfolglos verlaufenen SERCA2a-Studie gesehen hat.« Hoffnung liegt in verbesserten Vektoren und lokalen Applikationsformen. Möglicherweise bietet auch die Genkorrektur mit CRISPR-Cas9 neue Behandlungsoptionen. »In Tierversuchen ließen sich bereits beeindruckende Erfolge mit CRISPR-Cas9 erzielen. Erste Studien bei Muskeldystrophie Duchenne-Patienten sind geplant, aber das Sicherheitsprofil dieser Ansätze muss vorher noch besser untersucht werden.«
Die Stammzelltherapie, die bislang eher mit Enttäuschungen in Verbindung stand, könnte für Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben, eine neue Behandlungsoption bieten. »Alte Verfahren, Knochenmarkzellen ins Herzgewebe einzupflanzen, waren nicht zielführend«, sagt Eschenhagen. Im Fokus der »Stammzelltherapie 2.0« stünden hingegen induzierte pluripotente Stammzellen, die sich in vitro zu Kardiomyozyten differenzieren lassen. Für die praktische Umsetzung ist noch ein Verfahren erforderlich, mit dem die neuen Kardiomyozyten in ihren Bestimmungsort, das Herz, eingebracht werden können, ohne zu große Zellverluste in Kauf nehmen zu müssen. »Der von uns bevorzugte Ansatz besteht darin, eine Art lebendes Pflaster auf Herzinfarktnarben zu transplantieren, um Herzgewebe zu ersetzen«, berichtet Eschenhagen. Dieses Pflaster stellen die Wissenschaftler her, indem sie die zu Kardiomyozyten ausdifferenzierten pluripotenten Stammzellen in eine biokompatible Matrix einbetten. Im Tierversuch funktioniert das Verfahren, am Patienten laufen erste Untersuchungen wahrscheinlich 2020 an.