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Akute Rhinosinusitis

Nebenhöhlen in Not

Die aktualisierte Leitlinie Rhinosinusitis empfiehlt, bei einem akuten unkomplizierten Verlauf einer Nasennebenhöhlenentzündung symptomorientiert zu behandeln. Deshalb stehen die Drainage und die Belüftung der Nebenhöhlen genauso wie die Entzündungs und Schmerzhemmung im Stirn und Wangenbereich im Mittelpunkt der Therapie. Antibiotika sind meist nicht nötig.
Elke Wolf
05.02.2019  11:48 Uhr

Schätzungen zufolge mündet in Deutschland etwa jede sechste bis siebte Rhinitis in einer akuten Nasennebenhöhlenentzündung (Rhinosinusitis), teilt die Deutsche Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde mit. Demnach erkranken in Deutschland etwa 31 Millionen Menschen pro Jahr an dieser Variante einer oberen Atemwegsinfektion. Hochgerechnet sind das knapp 0,4 Erkrankungsfälle pro Einwohner und Jahr.

Mit einem gewöhnlichen grippalen Infekt fängt es an. Nach einigen Tagen gesellt sich dann zu der verstopften Nase ein schmerzhaftes Druckgefühl im Stirn- und Wangenbereich, besonders beim Bücken. Wässriges oder eitriges Sekret läuft aus der Nase, nicht selten auch nach hinten in den Rachenraum. Mitunter ist auch der Geruchssinn beeinträchtigt, genauso wie das Hörvermögen aufgrund eines mangelhaften Druckausgleichs. Die Entzündung hat dann nicht nur die Nasenhaupthöhle, sondern auch ihre Nebengänge erfasst. Durch Obstruktion staut sich Sekret, was letztendlich das Gewebe entzündet. Die Schleimhaut atrophiert, die mukoziliäre Clearance und damit die Ventilation sind gestört.

In neun von zehn Fällen ist eine akute Rhinosinusitis zumindest in der Anfangsphase viral bedingt. Im weiteren Verlauf können sich Bakterien und in einigen Fällen auch Pilze dazugesellen, da das stockende Sekret einen idealen Nährboden bietet.

Die überwiegende Mehrzahl der akuten Rhinosinusitiden, die definitionsgemäß bis zu zwölf Wochen Beschwerden machen kann, ist viral bedingt, sodass eine Antibiotikabehandlung in den meisten Fällen nicht indiziert ist. Die virale Genese ist der Grund, warum sich sowohl die S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde als auch das europäische Positionspapier (EPOS) zu Rhinosinusitis und Nasenpolypen gegen den Einsatz von Antibiotika bei akuten komplizierten Verläufen ausspricht. Zwar verringerten Antibiotika tendenziell die Krankheitsintensität und -dauer, aber der Vorteil bei unkomplizierten Verläufen sei verschwindend gering. Die Rate an Komplikationen werde nicht signifikant verringert.

Die akute Rhinosinusitis hat eine gute Heilungstendenz. Das sieht auch die im vergangenen Jahr aktualisierte nationale Leitlinie so. Sie spricht von 60 bis 80 Prozent der akuten Verläufe, die ohne Therapie innerhalb von zwei Wochen vollständig ausheilen. Dennoch ist es sinnvoll, das ins Stocken geratene Sekret zum Laufen zu bringen und für eine ausreichende Drainage und Belüftung der Nasennebenhöhlen zu sorgen, um Komplikationen zu verhindern.

Abschwellen – lokal oder oral?

Für die Verbesserung der Nasenatmung und damit des Sekretabflusses bekommen abschwellend wirkende α-Sympathomimetika wie Xylometazolin (wie Otriven® gegen Schnupfen, Hysan® Schnupfenspray), Oxymetazolin (wie Nasivin®, Wick® sinex Spray) und Tramazolin (wie Rhinospray®) in Tropfen- und Sprayform von den Leitlinienautoren eine deutliche Empfehlung. Allerdings sollten sie wegen der Gefahr eines Reboundeffekts und der Gefahr einer Rhinitis medicamentosa nicht länger als zehn Tage eingesetzt werden und sollten frei von Benzalkoniumchlorid sein, betonen die Experten.

Neben den lokalen stehen grundsätzlich auch systemische Arzneizubereitungen zur Verfügung, die das Dekongestivum mit analgetisch/antipyretisch wirkenden Arzneistoffen kombinieren (wie Boxagrippal®, Geloprosed®, Aspirin® complex, Wick® Daymed Getränk). Im Gegensatz zum europäischen Positionspapier hat die nationale Leitlinie die orale Applikation bislang immer zurückhaltend gesehen. Das sieht nun in der aktualisierten Version ganz anders aus; darin bewerten die Studienautoren die nasale Applikation gleichwertig zu den oral applizierten, systemisch wirkenden Dekongestiva wie Pseudoephedrin, Ephedrin und Phenylephrin.

Laut eines Cochrane-Reviews gebe es keine Unterschiede im Sicherheitsprofil, und zudem fanden sich für die systemische Gabe mehr belastbare Daten. Vorteil der systemischen Gabe scheint zu sein, dass durch die Wirksamkeit auf die Ostien, also die Gänge zu den Nebenhöhlen, eine Belüftung der betroffenen Stirn und Nasennebenhöhlen gewährleistet wird. So lässt sich Komplikationen vorbeugen.

Zudem ist die Zusammenstellung der enthaltenen Arzneistoffe insofern sinnvoll, als bei einer akuten Nebenhöhlenentzündung (Sinusitis) ein verstopfter Nasenbereich oft von Kopfschmerz und Druckgefühl begleitet wird. Für die Gabe von Analgetika/Antiphlogistika gibt es in der Leitlinie einen starken Konsens. Allerdings wird ihre Maßnahme nur bei bestehenden Schmerzen und nicht als abschwellende Maßnahme empfohlen.

Putzkolonne für die Nase

Ein probates Mittel, um die Drainage in der Nasenhaupt- und in der Folge auch der Nebenhöhlen zu verbessern, sind nachweislich Sekretolyse fördernde pflanzliche Arzneimittel. Produkt- beziehungsweise Extrakt-/Destillat-spezifische Daten aus doppelblinden placebokontrollierten Studien zeigen eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo. Die gesteigerte Sekretolyse und die antientzündlichen Effekte der Inhaltsstoffe lassen Beschwerden schneller und effektiver abklingen. Für das Symptom Druckkopfschmerz liefern die Präparate einen Genesungsvorsprung von zwei Tagen.

Das können leitliniengemäß eine standardisierte 5er-Fixkombination aus Primelblüten, Enzian-, Ampferund Eisenkraut sowie Holunderblüten (Sinupret® extract) sowie »definierte Eukalyptusextrakte« sein. Vermutlich verstehen die Leitlinienautoren darunter das Mischdestillat aus Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöl im Verhältnis 66:32:1:1 (ELOM 080, in Gelomyrtol® forte) sowie 1,8-Cineol (Sinolpan® forte, Soledum® forte). Allerdings sind Präparate mit 1,8-Cineol als isolierte Substanz des Eukalyptusöls keine Phytopharmaka. Diese sind definitionsgemäß Vielstoffgemische.

Für andere Phytopharmaka wie etwa Pelargonium-haltige Extrakte sieht die Evidenzlage laut Leitlinie bislang weniger gut aus. Zu Echinacea-haltigen Extrakten liegen keine relevanten Studien vor. Darüber hinaus wird auch darauf hingewiesen, dass der Zusatz ätherischer Öle bei der Inhalation »entgegen dem subjektiven Eindruck keine nachgewiesenen klinischen Effekte« besitzt.

Als zusätzliche Maßnahme zur Standardtherapie sprechen sich die Leitlinienautoren für Spülungen mit iso- oder hyperosmolaren Salzlösungen aus (wie mit Sinusitis Spray von Siemens, Bepanthen® Meerwasser Nasenspray, Olynth® Ectomed, Rhinomer® plus). Vorliegende Studien deuten auf eine vorhandene, wenn auch begrenzte Wirksamkeit und einen präventiven Effekt bei Infektneigung hin. Darüber hinaus könnten salinische Nasentropfen die Anwendungshäufigkeit von Dekongestiva deutlich reduzieren.

Iso- und mehr noch hyperosmolare Salzlösungen vermögen durch osmotische Effekte den Flüssigkeitsausstrom zu erhöhen. Die Becherzellen bilden mehr Sekret. Eine vermehrte Rhinorrhö schwemmt die Viren und möglicherweise andere pathologische Keime aus.

Entzündung hemmen

Die chemisch definierten Sekretolytika Acetylcystein und Ambroxol werden zwar häufig unterstützend bei der akuten Nasennebenhöhlenentzündung eingesetzt, jedoch liegt für den Nutzen dieser Therapiemaßnahme keine Evidenz vor. Sie haben für diese Indikation auch keine Zulassung.

Die nasale Anwendung von Corticoiden ist laut Leitlinie nur bei einer allergischen Komponente im Entzündungsgeschehen sinnvoll, dann allerdings sowohl bei der akuten als auch bei der rezidivierenden akuten Rhinosinusitis. Die für die Selbstmedikation verfügbaren topischen Steroide Beclometason, Fluticason oder Mometason (Rhinivict® allergie, Mometahexal®, Otri Allergie® Nasenspray Fluticason) verfügen derzeit nur über eine Zulassung für die Indikation der allergischen Rhinitis. Allerdings wirken sie ebenso der Entzündung der Nasenschleimhaut bei einer viral bedingten Rhinosinusitis entgegen.

Weil Corticoid-Sprays einen verzögerten Wirkeintritt haben, werden sie in der Praxis häufig in Kombination mit abschwellend wirkenden Dekongestiva verordnet. So hat der Patient das Gefühl, schnell wieder Luft zu bekommen, und überbrückt die Zeit bis zum Wirkungseintritt der Steroide.

 

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