Mit Schnupfnase in die Schule? |
Daniela Hüttemann |
07.08.2020 14:44 Uhr |
Wer sich krank fühlt, sollte grundsätzlich zu Hause bleiben und sich auskurieren – das galt schon vor Corona. Wenn Kinder einfach »nur« Schnupfen haben, dürfen sie aber in Schule oder Kita. / Foto: Getty Images/Maskot
Die Entscheidung ist wirklich nicht einfach. Eine SARS-CoV-2-Infektion lässt sich überhaupt nicht sicher von banalen Atemwegsinfektionen unterscheiden, so viel sei direkt zu Anfang verraten. Das Robert-Koch-Institut listet in einer neuen Stellungnahme mit Hinweisen zu Erkennung, Diagnostik und Therapie von Patienten mit Covid-19 folgende häufigste Symptome zu Beginn der Erkrankung: Fieber, Husten (produktiv und unproduktiv), gegebenenfalls mit Dyspnö, Anosmien, also Riechstörungen (auch ohne Rhinitis, also Schnupfen), Halsschmerzen sowie allgemeine Abgeschlagenheit und Müdigkeit.
Weitere mögliche Symptome sind Kopf- und Gliederschmerzen, Rhinitis, Übelkeit und Erbrechen, abdominelle Schmerzen, vorübergehende Diarrhö, Konjunktivitis, Exanthem und Lymphknotenschwellung. Die Inkubationszeit, also der Zeitraum zwischen Infektion und ersten Symptomen, beträgt nach bisherigen Erkenntnissen im Schnitt fünf bis sieben Tage. Das RKI schreibt ganz klar: »Die Symptomatik von Patienten mit Covid-19 ist unspezifisch, und ähnelt der vieler anderer respiratorischer Erkrankungen.«
Kinderärzte und Eltern wissen, dass sich ein banaler Schnupfen oder Erkältungshusten gut zehn Tage halten kann, auch wenn die Kinder längst wieder topfit sind. Manches Krippenkind dürfte praktisch überhaupt nicht mehr in die Kita, würde es stets bei laufender Nase ausgeschlossen, und manches Schulkind würde grundlos zu viel Unterricht verpassen, wo dieser doch gerade wieder stattfindet.
Die Erzieher und Lehrer in den Kitas und Schulen zwischen Flensburg und Freiburg oder auch von Institution zu Institution im selben Ort reagieren aber zurzeit durchaus unterschiedlich, wenn leicht kranke Kinder in die Betreuung geschickt werden. Die Kinderärzte dagegen fürchten sich vor überlaufenden Sprechstunden wegen banaler Infekte. Deren Fachgesellschaften haben diese Woche eine Stellungnahme zum Schulstart veröffentlicht. Darin gehen sie auch darauf ein, bei welchen Symptomen ein Kind noch in die Schule darf und wann es eben nicht losgeschickt werden sollte.
Dort heißt es ganz klar: »Kranke Kinder oder Jugendliche in reduziertem Allgemeinzustand mit Fieber, Husten, Hals- oder Ohrenschmerzen, starken Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall oder unklarem Hautausschlag gehören weder in die Kita noch in die Schule.« Schule oder Kita sind dann berechtigt, das erkrankte Kind von den Sorgeberechtigten abholen zu lassen. Über einen Arztbesuch entscheiden allein die Erziehungsberechtigten. Nur ein Arzt oder die Gesundheitsbehörden dürfen die Indikation für einen Coronatest stellen. Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Kitas seien dagegen nicht berechtigt, eine Testung (oder die Vorlage eines negativen Testergebnisses) einzufordern.
Eine Testung auf eine SARS-CoV-2-Infektion im ambulanten Behandlungskontext soll unter einer von zwei Bedingungen erfolgen:
Die Kinderärzte sagen auch klar, wann nicht getestet werden muss:
Ein ärztliches Attest zur Wiederzulassung sei ausschließlich dann erforderlich, wenn das Kind aufgrund einer Erkrankung (Covid-19), eines SARS-CoV-2-Nachweises ohne Symptomatik oder eines Kontakts der Kategorie 1 (nach RKI) zu einer SARS-CoV-2-positiven Person in Quarantäne war. Darüber hinaus seien Gemeinschaftseinrichtungen nicht berechtigt, einen »negativen Test« zur Voraussetzung für die Wiederaufnahme zu verlangen.
»Bei Kindern mit milden selbstlimitierenden Infektionszeichen (leichte Erkältung, Schnupfen ohne Fieber, nur milder Husten) oder nach einer kurzen Krankheitsepisode (weniger als drei Tage) ist bei gutem Allgemeinzustand und Abklingen der Symptomatik eine Wiederzulassung zur Gemeinschaftseinrichtung ohne ein ärztliches Attest möglich.«
Einige Bundesländer verlangen laut Kinderärzten, dass Eltern gegenüber der Kita für die Wiederzulassung schriftlich zu bestätigen haben, dass ihr Kind zuvor zum Beispiel für 24 Stunden symptomfrei war. Das halten die Pädiater für eine pragmatische Lösung. Für das kommende Kindergartenjahr empfehlen sie, derartige Verfahrensabsprachen in den Betreuungsvertrag zwischen Eltern und Einrichtungen aufzunehmen und damit Verbindlichkeit und Handlungssicherheit zu erzielen.
Erarbeitet und koordiniert wurde die Stellungnahme durch die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), mandatiert durch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), sowie die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) unter Beteiligung weiterer Ärzteorganisationen.
Am Freitag veröffentlichte darüber hinaus auch die Gesellschaft für Virologie (GfV) eine Stellungnahme zu SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien. Sie widerspricht allerdings in Teilen den Kinderärzten, denn die Virologen empfehlen: »Schüler mit einer akuten Atemwegsinfektion sollten auch bei milden Symptomen labordiagnostisch abgeklärt werden, wenn dies möglich ist, weil sie als Anzeiger von Übertragungsherden (Clustern) eine unverzichtbare Rolle in der Früherkennung von Schulausbrüchen spielen. Bis zum Testergebnis sollten sie dem Schulbetrieb fernbleiben.«
Die unterschiedlichen Empfehlungen sind natürlich kontraproduktiv, vor allem für Lehrer, Eltern und Schüler. Hier wäre ein abgestimmtes Vorgehen sinnvoll gewesen. Eltern bleibt wohl nur übrig: Im Zweifelsfall das Kind zu Hause zu lassen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.