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Inhalationen

Mini-Gradierwerke zu Hause

Gradierwerke sind wunderbare Freiluft-Inhalatoren für Menschen mit Atemwegserkrankungen. Denn die Luft in unmittelbarer Nähe dieser mächtigen Bauwerke enthält fein zerstäubte salzhaltige Wassertröpfchen, die die Atemwege entspannen. In den eigenen vier Wänden schicken moderne Inhalationsgeräte die Aerosole durch die Bronchien.
Elke Wolf
20.11.2019  17:00 Uhr

Wie aus einer anderen, längst vergangenen Zeit – so wirken die mächtigen Gradierwerke vieler Kuranlagen. Und sie sind es ja auch oft. Etwa ab dem 16. Jahrhundert dienten sie ursprünglich gar nicht der Gesunderhaltung, sondern waren gemeinsam mit nahegelegenen Salinen für die Salzgewinnung zuständig. Dem Gradierwerk kam dabei die Aufgabe zu, den Salzgehalt im Wasser zu erhöhen (gradieren = einen Stoff in einem Medium konzentrieren), indem die Sole langsam von oben durch das dicht gepackte Geflecht von Schwarzdornhecken herabrieselte. Dabei wird auf natürliche Weise Wasser verdunstet, die Luft in unmittelbarer Nähe der herabrieselnden Sole ist gespickt von Salzaerosolen. Gleichzeitig lagern sich feine Kalkpartikel, Gips und Eisen am Geäst ab, der Salzgehalt verdichtet sich. Erst anschließend wurde das Salz in der Siederei ausgekocht.

Heute wird Salz freilich auf andere Art gewonnen. Doch die Sole-haltige Luft macht die Gradierwerke auch heute noch für Menschen mit Asthma, COPD und Allergien interessant. Die massiven Bauten, etwa 50 an der Zahl in Deutschland, stehen heute in vielen Kuranlagen.

Die Luft in unmittelbarer Nähe eines Gradierwerks ist vergleichbar mit der der Brandungszone am Meer. Durch das Einatmen salzhaltiger Luft werden die Atemwege befeuchtet und gereinigt. »Sole bewirkt unter anderem, dass die Flimmerhärchen wieder besser arbeiten können, weil die Solschicht, in der sich die Flimmerhärchen bewegen, entsprechend angehoben wird. Der zähe Schleim wird durch die Flüssigkeit, die zugeführt wird, verdünnt. Er wird gelöst und kann besser abgehustet werden. Das unterstützt die Selbstreinigungskräfte der Bronchien. Auch das in der Sole enthaltene Calcium spielt für die Wirkung eine Rolle: Calcium wirkt entzündungshemmend, sodass sich die geschwollene und entzündete Schleimhaut entspannt«, erklärt Professor Dr. Jürgen Fischer, ehemaliger Chefarzt der Klinik Norderney.

Kuren am Küchentisch

Wer sich das Mikroklima am Meer oder in der Nähe eines Gradierwerks nach Hause in die eigenen vier Wände holen möchte, kann mit elektrischen Düsen- oder Ultraschallverneblern arbeiten. Auch sie sind in der Lage, Salz- oder Arzneistofflösungen per Aerosol in die Bronchien zu schicken. Mit der klassischen Dampfinhalation lässt sich kein Salz inhalieren. Dieses bleibt im Kochtopf oder dem Dampfinhalator zurück.

Die elektrischen Vernebler erzeugen winzigste Aerosolpartikel. Teilchen mit einem Durchmesser zwischen einem und 5 Mikrometer gelangen bis in die Bronchien und Alveolen. Größere Partikel setzen sich im Mund-Rachen-Raum ab, kleinere werden mit der Atemluft wieder ausgeatmet.

Die Arbeitsweise aller Düsenvernebler ist gleich: Ein Kompressor erzeugt Pressluft, die über den Luftschlauch und eine Düse im Vernebler auf das Inhalat geblasen wird. Der Luftstrom reisst Teilchen aus dem Inhalat und vermischt sich im Vernebler mit weiterer Luft. Der Patient atmet dieses Aerosol über ein Mundstück oder eine Maske ein. Für Kinder gibt es kleinere Mundmasken mit Nasenklemmen, die das Atmen über die Nase verhindern.

Die Kompressor betriebenen Geräte sind oft sehr laut, was besonders von kleineren Kindern nicht immer toleriert wird. Alternativ bieten sich dann Geräte mit Schwingmembran-Technologie an. Sie sind deutlich leiser, auch nahezu geräuschlose Varianten sind im Handel (wie Pariboy® free). Weil das Wasser nicht erwärmt wird, stellen die Vernebler zudem eine sichere Alternative zur Dampfinhalation, vor allem bei kleinen Kindern, dar.

Ultraschall-Inhalatoren wie multisonic® InfraControl oder Beurer® IH40 erzeugen Schwingungen im Ultraschall-Bereich mit Hilfe eines Piezo-Kristalls. Diese hochfrequenten Schwingungen werden auf das Inhalat im Medikamentenbecher übertragen, aus dem sich energiereiche Teilchen lösen und als Aerosol eingeatmet werden können. Die Teilchengröße liegt unter 10 Mikrometer Ultraschall-Inhalatoren sind im Vergleich zu den Kompressor-Inhalatoren sehr leise und kompakt und eignen sich gut zum Mitnehmen auf Reisen. Ihr Hauptanwendungsgebiet liegt in der Behandlung der chronisch-obstruktiven Pulmonalerkrankung (COPD) und der Mukoviszidose.

Elektronische Vernebler wie eFlow® rapid oder Geratherm® micromesh nutzen die Energie einer konstant mit 117 kHz schwingenden perforierten Metallmembran und sind damit nahezu geräuschlos. Sie erzeugen Teilchen mit einer mittleren Größe von 5 Mikrometer und haben eine hohe Verneblungsleistung, sodass die Inhalationszeiten nur etwa halb so lang wie bei den Kompressor-Inhalatoren sind. Das macht sie ideal zur Anwendung bei Kindern.

Durch die lokale Applikation und die große Resorptionsfläche tritt die Wirkung aller Vernebler rasch ein. Weniger als ein Zehntel der sonst benötigten Arzneimitteldosis reicht für den Effekt aus. Und die geringere Dosis führt zu weniger Nebenwirkungen an anderen Organen. Wer kein Gerät zu Hause hat, den bestellt der Arzt zu regelmäßigen Inhalationssitzungen in die Praxis. Das ist meist bei Kindern der Fall. Manche Apotheken verleihen auch Inhalationsgeräte.

Richtig zu inhalieren, ist nicht ganz einfach und erfordert eine gewisse Übung. Eine ausführliche Beratung in der Apotheke vermeidet Anwendungsfehler. Der Patient nimmt das Mundstück, das er zuvor auf den Vernebler gesetzt hat, zwischen die Zähne und umschließt es dicht mit den Lippen. Säuglingen und Kleinkindern legen die Eltern die Maske dicht über Mund und Nase und halten den Vernebler während der gesamten Inhalation fest. Dabei muss der Vernebler immer senkrecht stehen und der Patient mit möglichst aufrechtem Oberkörper sitzen. Wenn die Kinder schreien oder weinen, bringt die Inhalation keinen Effekt. Sie müssen ruhig und gleichmäßig atmen.

Die Inhalationslösung muss meist zuvor selbst hergestellt werden. Dazu füllt man etwa 2 ml sterile Kochsalzlösung als Trägersubstanz in den Vernebler und gibt die verordnete Tropfenzahl der Arzneimittellösung hinzu (zuvor sind die Hände zu waschen!). Diese Lösung sollten die Patienten komplett inhalieren, Reste verwerfen. Muss die Kochsalzlösung aus einem Vorratsgefäß entnommen werden, ist auf steriles Arbeiten zu achten; dazu am besten sterile belüftete Aufziehkanülen verwenden. Die angebrochene Flasche im Kühlschrank aufbewahren. Unkonservierte 20-ml-Ampullen (wie Bad Reichenhaller Inhalationslösung) dürfen nach Anbruch maximal 24 Stunden lang benutzt werden. Einfacher geht es mit 2,5-ml-Einzeldosen-Ampullen (wie von Pari, Inqua) mit Kochsalzlösung, zum Teil mit einer Salzlösung (wie Emser Inhalier-Lösung) oder mit einem Arzneistoff wie Salbutamol (wie Salbutamol Fertiginhalat) oder Ipratropiumbromid (wie Atrovent®) gemischt.

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