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Arzneimittel oder NEM

Melatonin ist meist ein Fall fürs Gericht

Über die Bewertung von Melatonin streiten Behörden und Hersteller seit vielen Jahren. Im Zentrum steht die Frage, ob ob die Produkte ein Arznei- oder ein Nahrungsergänzungsmittel sind. Letztlich geht es um viele Einzelfallurteile.
Stephanie Schersch
15.10.2020  11:30 Uhr

Schlafstörungen sind in Deutschland ein weitverbreitetes Phänomen. Acht von zehn Erwerbstätigen liegen abends lange wach oder finden einfach nicht zur Ruhe, das geht aus einer Studie der DAK Gesundheit hervor. Hersteller Melatonin-haltiger Produkte versprechen eine schnelle Lösung des Problems. Unter anderem die Cefak KG vertreibt in Apotheken seit Kurzem beispielsweise ein Produkt, das bei Einschlaf-Schwierigkeiten und Jetlag-Beschwerden helfen soll. Cefanight gibt es derzeit als Kapseln mit 0,5 mg Melatonin. Wer das Präparat kaufen möchte, braucht dafür noch nicht einmal ein Rezept. Doch ist das eigentlich erlaubt?  

Schaut man in die Arzneimittel-Verschreibungsverordnung, lautete die Antwort eindeutig Nein: Dort wird Melatonin als rezeptpflichtig gelistet. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. So gibt es viele Melatonin-haltige Präparate im freien Verkauf, weil Hersteller ihre Produkte als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) deklarieren und eben nicht als Arzneimittel auf den Markt bringen.

Eine Einzelfallentscheidung

Die Aufsicht über NEM haben in Deutschland die Lebensmittel-Überwachungsbehörden der einzelnen Bundesländer. Zuständig ist stets die Behörde des Landes, in dem der jeweilige Hersteller seinen Hauptsitz hat. Ist man dort der Auffassung, dass ein Produkt eigentlich ein Arzneimittel ist, landet der Fall in der Regel vor Gericht. Im Kern geht es dabei immer um die Frage, ob es einen hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis pharmakologischer Eigenschaften gibt. Pauschal entschieden werden kann das bislang nicht. Vielmehr steht immer ein konkretes Produkt mit einer bestimmten Zusammensetzung im Zentrum des jeweiligen Verfahrens.

Entsprechend unübersichtlich ist die Situation für Melatonin. Diverse Verfahren haben zu Recht unterschiedlichen Einschätzungen geführt. Eine Entscheidung über Cefanight gibt es bislang nicht. Zuständig ist die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde, die ihren Standpunkt bereits deutlich gemacht hat. So habe man zuletzt Herstellern den Vertrieb von Produkten mit vergleichbarem Melatoningehalt untersagen wollen und diese Präparate als Funktionsarzneimittel eingestuft, sagte ein Sprecher auf Nachfrage PZ. Die Firmen allerdings waren auch in diesen Fällen gegen die Bewertung der Behörde vorgegangen und hatten vor dem Verwaltungsgericht München im Oktober 2018 Recht bekommen. Die Aufsicht hatte daraufhin einen Antrag auf Berufung gestellt, dem inzwischen auch stattgegeben wurde. Damit wird der Fall vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nun neu aufgerollt. »Die abschließende Sachentscheidung im Berufungsverfahren steht derzeit allerdings noch aus«, so der Sprecher.

Auch für die Cefak KG könnte das Urteil in diesem Verfahren ausschlaggebend sein. Denn gibt es eine rechtssichere Entscheidung über Produkte mit ebenfalls 0,5 mg Melatonin, wird sie zur Richtschnur für Cefanight. »Die Regierung von Oberbayern wird das Produkt Cefanight unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der bayerischen Verwaltungsgerichte einstufen und hinsichtlich der Zulässigkeit des Vertriebs überprüfen«, erklärte die Behörde dazu.

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