Mehr Genetik als Ernährung? |
Daniela Hüttemann |
17.10.2018 14:08 Uhr |
Die Entstehung von Gicht hat nicht unbedingt etwas mit einem ungesundem Lebensstil zu tun. Diese Erkenntnis könnte das Gewissen vieler Patienten erleichtern.
Nach Angaben der Deutschen Gicht-Liga leiden 2,8 Prozent der Männer und 0,4 Prozent der Frauen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren an Gicht. Rund 20 Prozent der Bevölkerung habe überhöhte Harnsäure-Werte. Zu einem akuten Gichtanfall kommt es, wenn der Wert noch weiter steigt, sodass schließlich die Löslichkeitsgrenze der Harnsäure überschritten wird. Ob sich das Krankheitsbild einer chronischen Gicht voll ausbildet, hänge in erster Linie von der Ernährung ab, heißt es auf der Website der Gicht-Liga. Doch stimmt das tatsächlich?
Eine neue Metaanalyse, die jetzt im »British Medical Journal« veröffentlicht wurde, lässt Zweifel aufkommen. Wissenschaftler um Dr. Tanya R. Major von der Universität Otago im neuseeländischen Dunedin analysierten die Daten von 8.414 Männern und 8.346 Frauen europäischer Abstammung aus fünf US-amerikanischen Kohortenstudien. Die Teilnehmer litten weder an einer Nierenerkrankung noch an Gicht und nahmen keine Harnstoff-senkenden Arzneimittel oder Diuretika ein.
Der erhöhte Verzehr von sieben Lebensmitteln (Bier, Schnaps, Wein, Kartoffeln, Geflügel, Softdrinks und Fleisch) war mit erhöhten Harnsäure-Spiegeln assoziiert, während diese Werte bei regelmäßigem Verzehr von acht anderen Lebensmitteln (Eier, Erdnüsse, Getreideflocken, fettreduzierte Milch, Käse, dunkles Brot, Margarine und Obst abgesehen von Zitrusfrüchten) reduziert waren. Doch insgesamt erklärten diese Lebensmittel weniger als 1 Prozent der Varianz bei den Urat-Spiegeln, schreiben die Forscher.
Ähnlich sah es bei der Analyse von Diätdaten aus: Auch hier waren drei Diäten, die den allgemeinen Empfehlungen entsprechen, mit niedrigeren Harnsäure-Spiegeln assoziiert, eine Ernährung mit hohem Anteil ungesunder Lebensmittel mit erhöhten Werten. Doch auch hier lag der Einfluss deutlich unter 1 Prozent.
Die Analyse der genetischen Profile dagegen zeigte, dass weit verbreitete genetische Varianten fast ein Viertel (23,9 Prozent) der Varianzen erklärten. Auch wenn es einige Einschränkungen im Studiendesign gebe (so waren nur Amerikaner europäischer Abstammung und ohne manifeste Gicht eingeschlossen), zeige die Studie, dass die Genetik einen deutlich höheren Einfluss auf die Harnsäure-Spiegel habe als die Ernährung, so die Autoren.
In einem begleitenden Kommentar kritisieren Lorraine Watson und Dr. Edward Roddy von der Keele-Universität im britischen Staffordshire, dass Patienten mit Gicht oft stigmatisiert werden. Sie seien selbst an ihrer Erkrankung schuld, so der weit verbreitete Glaube. Das halte viele davon ab, sich medizinische Hilfe zu suchen. Die neue Studie liefere dagegen Hinweise, dass die Prädisposition für Hyperurikämie und Gicht nicht modizierbar sei.
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