Medikamenten-Mangel kostet Geld und Vertrauen |
Jennifer Evans |
01.02.2022 18:00 Uhr |
Leere Schubladen: Für die Vor-Ort-Apotheken in Europa ist das Alltag, wenn es um bestimmte Präparate geht. Mit Blick auf die Patienten hoffen sie, dass sich die Lage verbessert. / Foto: Fotolia/2Design
Zwar berichten die insgesamt 27 befragten Länder in der Umfrage der Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU), dem Zusammenschluss der europäischen Apotheker, dass sich die Engpässe bei Arzneimitteln und Medizinprodukten im Jahr 2021 im Vergleich zu den Vorjahren nicht verschlechtert hätten. Doch sehen sich die meisten Länder nach wie vor mit den Problemen konfrontiert. Konkret hat sich die Situation für 52 Prozent der Länder nicht verändert, lediglich 22 Prozent sprechen von einer Verbesserung.
Betroffen sind in 85 Prozent der befragten Länder Herz-Kreislauf-Medikamente, gefolgt von Arzneimitteln für das Nervensystem mit 78 Prozent sowie Präparaten für Atemwegserkrankungen mit 74 Prozent. Mehr als die Hälfte der europäischen Länder führte zudem eine Liste von mehr als 200 Arzneimitteln, deren Vorrat im Jahr 2021 knapp war. Mangel gab es in den Vor-Ort-Apotheken ebenfalls bei Medizinprodukten der Klasse I sowie In-vitro-Diagnostika, wie drei Viertel der Umfrageteilnehmer bestätigten.
Die alltägliche Belastung durch Engpässe bleibt laut PGEU-Befragung für die Apothekenmitarbeiter bestehen, obwohl der Zeitaufwand, den sie für die Lieferengpässe aufbringen mussten, inzwischen leicht gesunken ist. Gingen in den europäischen Apotheken für die Lieferengpässe im Jahr 2020 durchschnittlich noch 6,6 Stunden pro Woche drauf, waren es 2021 nur noch 5,1 Stunden.
Das Engpass-Problem führt für stationäre Apotheken in 96 Prozent der befragten Länder außerdem zu finanziellen Einbußen sowie zu einem Vertrauensverlust der Patienten (78 Prozent) und reduziert zudem die Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiter (67 Prozent).
In vielen EU-Ländern fehlt es jedoch weiterhin an entsprechenden Informationen sowie legalen Möglichkeiten, um schnelle Lösungen für die Patienten zu finden. Für einige sei der »rechtzeitige Zugang« zu bestimmten Medikamenten »signifikant gestört«, bemängelt PGEU-Präsident Roberto Tobia. Das bekräftigten auch die befragten Länder. Mit 96 Prozent sind sie fast alle der Ansicht, die Knappheit löse bei Patienten Ängste oder Unannehmlichkeiten aus. Von einer Therapieunterbrechung für Betroffene sprechen 67 Prozent der Umfrageteilnehmer, von mehr Kosten für alternative Präparate berichten 56 Prozent und von einer schlechteren oder weniger effizienten Therapie 56 Prozent.
Nach Ansicht von Tobia hat die Politik derzeit »die historische Gelegenheit«, angemessene Rahmenbedingungen für die Vor-Ort-Apotheken zu schaffen. In erster Linie geht es ihm darum, die Früherkennung, die Überwachung sowie den Umgang mit den Engpässen in ganz Europa zu verbessern. Vor diesem Hintergrund begrüßt der PGEU ausdrücklich, dass die europäische Arzneimittelagentur – EMA nun mehr Kompetenzen erhalten hat.