Medikament verhindert Attacken bei hepatischer Porphyrie |
Kerstin A. Gräfe |
06.05.2020 08:00 Uhr |
Bei der Stoffwechselerkrankung Porphyrie kann das Häm, das der Körper unter anderem für die roten Blutkörperchen benötigt, aufgrund eines Enzymdefekts nicht regulär gebildet werden. / Foto: ©Adobe Stock/one
Die akute hepatische Porphyrie (AHP) ist eine seltene, erbliche Stoffwechselerkrankung. Aufgrund eines genetischen Defekts mangelt es Betroffenen an einem der Enzyme, die für die Häm-Biosynthese verantwortlich sind. In der Folge akkumulieren Porphyrine, Zwischenprodukte der Häm-Synthese, was zu Attacken mit sehr schweren Bauchschmerzen, Erbrechen und epileptischen Krampfanfällen führen kann. Diese können lebensbedrohlich sein, da es während der Attacken zu Lähmungen und Atemstillstand kommen kann. Im Akutfall ist eine sofortige ärztliche Notfallbehandlung erforderlich. Zudem leiden viele Patienten zwischen den Schüben unter chronischen Symptomen wie Schmerzen. Belastend ist auch die ständige Angst, eine erneute Attacke zu erleiden.
Givosiran (Givlaari® 189 mg/ml Injektionslösung von Alnylam) ist eine doppelsträngige kleine interferierende
Ribonukleinsäure (small interfering Ribonucleic Acid, siRNA), die den Abbau von Aminolävulinsäure-Synthase-1 (ALAS1)-Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) in den Leberzellen durch RNA-Interferenz bewirkt. Dies führt zu geringeren Blutspiegeln der neurotoxischen Zwischenprodukte Aminolävulinsäure (ALA) und Porphobilinogen, den wichtigsten kausalen Faktoren für Attacken und andere Erkrankungsmanifestationen der AHP.
Givosiran darf bei Patienten mit AHP ab einem Alter von zwölf Jahren eingesetzt werden. Das neue Medikament ist zur Dauertherapie gedacht und soll monatlich subkutan appliziert werden. Die empfohlene Dosis beträgt 2,5 mg/kg Körpergewicht.
Während der Behandlung mit Givosiran sollte auf Anzeichen einer Anaphylaxie geachtet werden. Tritt eine solche auf, muss die Behandlung sofort abgebrochen und eine geeignete medizinische Behandlung eingeleitet werden.
Unter der Behandlung wurden erhöhte Transaminase-Werte beobachtet. Vor Beginn sollten daher Leberfunktionstests durchgeführt werden. Diese Tests sollten während der ersten sechs Behandlungsmonate monatlich erfolgen und danach je nach klinischer Indikation. Bei klinisch relevanten Transaminase-Erhöhungen sollte eine Unterbrechung oder ein Therapieabbruch in Betracht gezogen werden. Bei einer anschließenden Normalisierung der Transaminase-Spiegel kann nach einer Unterbrechung eine Wiederaufnahme der Behandlung mit einer Dosis von 1,25 mg pro kg Körpergewicht erwogen werden. Zur niedrigeren Dosierung liegen jedoch nur begrenzte Daten in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit vor.
Des Weiteren wurde während der Behandlung über erhöhte Serumkreatinin- und verringerte eGFR-Werte berichtet. Ein Fortschreiten der Nierenfunktionsstörung wurde bei einigen Patienten mit bereits bestehender Nierenerkrankung festgestellt. In diesen Fällen ist eine sorgfältige Kontrolle der Nierenfunktion während der Behandlung erforderlich.
Givosiran führte zu einer leicht bis mäßig reduzierten Wirksamkeit bestimmter CYP450-Enzyme in der Leber. In der Folge erhöhte sich die Plasmaexposition von Coffein (CYP1A2), Dextromethorphan (CYP2D6), Omeprazol (CYP2C19) und Midazolam (CYP3A4). Während der Anwendung von Givlaari ist deshalb Vorsicht geboten bei der Verwendung von Arzneimitteln, die Substrate von CYP1A2 oder CYP2D6 sind, da sich deren therapeutische Wirkung erhöhen oder verlängern oder sich deren Nebenwirkungsprofil verändern kann. Bei Anwendung von CYP1A2- oder CYP2D6-Substraten sollte eine Dosisreduktion gemäß der Fachinformation in Erwägung gezogen werden.
Wird eine Anwendung während der Schwangerschaft in Betracht gezogen, sollten der erwartete Nutzen für die Frau und die potenziellen Risiken für den Fötus berücksichtigt werden. Es ist nicht bekannt, ob Givosiran bei stillenden Müttern in die Muttermilch übergeht. Ein Risiko für das Kind kann nicht ausgeschlossen werden. Es muss eine Entscheidung getroffen werden, ob das Stillen oder die Behandlung mit Givlaari unterbrochen beziehungsweise darauf verzichtet werden soll. Dabei sind der Nutzen des Stillens für das Kind sowie der der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.