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Ernüchterung pur

Malariamittel enttäuschen bei Covid-19

Eine umfassende Datenanalyse bekräftigt, dass sich die Malaria-Arzneistoffe Chloroquin und Hydroxychloroquin wahrscheinlich nicht zur Behandlung von Covid-19 eignen. Im Gegenteil, die Wirkstoffe erhöhen womöglich die Todesrate und führen zu mehr Herzrhythmusstörungen.
PZ
dpa
23.05.2020  13:42 Uhr

Im Fachjournal »The Lancet« berichtet ein Team um Professor Dr. Mandeep R. Mehra von der Harvard Medical School in Boston, dass es die Daten von gut 96.000 Patienten ausgewertet hat, von denen fast 15.000 eines der beiden Malariamittel allein oder in Kombination mit einem Makrolid-Antibiotikum, wohl in der Regel Azithromycin, bekommen hatten. Die Patientendaten der Studie stammten von 671 Krankenhäusern auf sechs Kontinenten.

Alle vier Behandlungsarten - die beiden Mittel jeweils allein oder mit Antibiotikum - erhöhten das Sterberisiko im Krankenhaus. Vor allem Hydroxychloroquin zusammen mit einem Antibiotikum erwies sich als schlecht: Einer von 4 der so behandelten Patienten starb. In der Kontrollgruppe war es nur einer von elf Patienten. Auch bestimmte Herzrhythmusstörungen traten gehäuft auf: Bei 8 Prozent im Vergleich zu 0,3 Prozent der Kontrollgruppe.

Die Forscher hatten zahlreiche mögliche Einflussfaktoren berücksichtigt, etwa das Alter der Patienten oder Vorerkrankungen wie Diabetes und Herzkrankheiten. Es sei dennoch nicht sicher auszuschließen, dass es andere, nicht berücksichtigte Faktoren gebe, die die Unterschiede zwischen den Gruppen verursachen. Eben aus diesem Grund seien kontrollierte klinische Studien zu den Mitteln dringend nötig. »Kleinere Studien haben bisher keinen Nutzen zeigen können und die Ergebnisse größerer, randomisierter und kontrollierter Studien liegen noch nicht vor«, sagt Mitautor Professor Dr. Frank Ruschitzka vom Universitätsspital Zürich. »Wir wissen von unserer Studie, dass die Chance, dass diese Mittel den Verlauf von Covid-19 verbessern, ziemlich gering ist.«

Während sich die Autoren also dafür aussprechen, die Mittel nur im Rahmen von klinischen Studien einzusetzen und den Nutzen sorgfältig zu prüfen, scheren sich andere nicht um die möglichen Risiken. Beispielsweise hatte US-Präsident Donald Trump die Malariamittel wiederholt als Wundermittel gepriesen. Zuletzt sorgte er für Aufregung mit der Aussage, er nehme Hydroxychloroquin prophylaktisch ein, um sich vor dem Virus zu schützen.

Auch das brasilianische Gesundheitsministerium scheut sich offenbar nicht vor riskanten großflächigen Feldexperimenten und empfiehlt Hydroxychloroquin seit Kurzem zur Behandlung bei Covid-19. Das Mittel könnte auch Menschen mit nur leichten Symptomen verabreicht werden, heißt es in einem Leitfaden für Ärzte.

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