Liegt es am Vektor? An der Dosis? Oder am Geschlecht? |
Daniela Hüttemann |
16.04.2021 18:00 Uhr |
Auch von der Grippeimpfung ist bekannt, dass Frauen durchschnittlich heftiger darauf reagieren als Männer. / Foto: Getty Images/Georgi Nutsov
Erst Astra-Zeneca, dann Janssen: Gemeinsam ist beiden Covid-19-Impfstoffen, dass sie mit den seltenen und eher ungewöhnlichen Sinusthrombosen zum Teil vergesellschaftet mit einer Thrombozytopenie in Verbindung gebracht werden. Beide nutzen ein Adenovirus als Vektor nutzen. Bei Vaxzevria® (ChAdOx1) von Astra-Zeneca ist es ein Schimpansen-Adenovirus, bei der »Covid-19 Vaccine Janssen« (Ad26.COV2-S) ein humanes Adenovirus vom Typ 26. Adenoviren sind weit verbreitete Erkältungsviren, die gemeinhin als harmlos angesehen werden.
Astra-Zeneca kündigte diese Woche in einem Rote-Hand-Brief an, dass nun Studien durchgeführt würden, »um den genauen pathophysiologischen Mechanismus für das Auftreten dieser thrombotischen Ereignisse zu identifizieren und das genaue Ausmaß des Risikos zu definieren«. Vermutet wird, dass sich nach der Impfung Autoantikörper mit einer hohen Bindungsaffinität zum Plättchenfaktor 4 (PF4) bilden und dadurch die Struktur dieses Faktors so verändert wird wie bei einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie. Doch was induziert die Bildung der Autoantikörper?
Derzeit wird spekuliert, ob die Vektorviren Schuld sein könnten. »Die Tatsache, dass beide Impfstoffe auf dem gleichen Prinzip beruhen und die gleichen Probleme verursachen, spricht meines Erachtens eher dafür, dass der Vektor selbst die Ursache ist«, sagte Professor Dr. Johannes Oldenburg, Direktor des Instituts für experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Bonn, diese Woche der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings sei das zum gegenwärtigen Zeitpunkt spekulativ.
Auch der Hämatologe und Onkologe Professor Dr. Clemens Wendtner vermutet laut dpa, dass den Nebenwirkungen bei beiden Impfstoffen ein ähnlicher Mechanismus zugrunde liegt. »Wir haben im Fall von Janssen die gleichen Nebenwirkungen, die auch bei Astra-Zeneca aufgetaucht sind«, sagt Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing. »Da stellt sich die Frage, ob es hier einen Klasseneffekt gibt, also die Adenoviren, die als Vektoren genutzt werden, die Probleme auslösen.«
Es sei aber theoretisch auch denkbar, dass das Spike-Protein des Virus, das in allen verfügbaren Impfstoffen dem Immunsystem zur Bildung von Abwehrstoffen präsentiert wird, die Nebenwirkungen verursacht, erklärte Oldenburg. Ebenso sei es grundsätzlich möglich, dass die Nebenwirkungen unspezifisch im Rahmen der allgemeinen Immunantwort ausgelöst würden.
Dann müssten sie aber theoretisch bei allen Covid-19-Impfstoffen auftreten. In der Tat sind in Deutschland bis zum 2. April zumindest sieben Verdachtsfälle von Sinusthrombosen auch nach einer Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Tozinameran (Comirnaty®) von Biontech und Pfizer gemeldet worden. Das Paul-Ehrlich-Institut stufte diese Rate bei 10.722.876 verimpften Dosen als nicht erhöht ein.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.