Leicht erhöhtes Krebsrisiko bei hohem Süßstoffkonsum |
Annette Rößler |
28.03.2022 07:00 Uhr |
Menschen mögen Süßes. Immer mehr Nahrungsmitteln werden deshalb künstliche Süßstoffe zugesetzt. / Foto: Getty Images/Dave G Kelly
Süßstoffe wie Aspartam (E951), Acesulfam-K (E950) und Sucralose (E955) übertreffen Haushaltszucker in ihrer Süßkraft um mehrere hundert Mal, haben dabei aber keinen oder nur einen sehr geringen Energiegehalt. Sie werden daher von der Nahrungsmittelindustrie gerne eingesetzt, um einerseits das Verlangen der Konsumenten nach Süßem zu stillen und andererseits der Anforderung gerecht zu werden, möglichst kalorienarme Lebensmittel herzustellen. Längst ist die Verwendung von Süßstoffen dabei nicht mehr auf klassische »Light«- oder »Diät«-Produkte beschränkt; die Süßmacher sind inzwischen auch in vormals ungesüßten Nahrungsmitteln wie Kartoffelchips versteckt, um diese noch schmackhafter zu machen.
Erhält der Körper das Signal »süß«, bereitet er sich als Reaktion auf einen Anstieg des Blutzuckerspiegels vor. Bleibt dieser dann aus oder fällt deutlich geringer aus als erwartet, kann der Stoffwechsel durcheinanderkommen. Auch die Bakterien der Darmflora können teilweise nichts mit den künstlichen Süßungsmitteln anfangen, sodass sich bei häufigem Gebrauch die Zusammensetzung der Mikrobiota verändert. Alles dies trägt dazu bei, dass mittlerweile ein Zusammenhang zwischen häufigem Süßstoffkonsum und Fettleibigkeit sowie Typ-2-Diabetes als gesichert gilt.
Weniger gut belegt ist bislang ein vermuteter Zusammenhang zwischen Süßstoffen und Krebs. Dieser ließe sich etwa indirekt durch die bereits erwähnten Veränderungen begründen oder auch direkt mit einer karzinogenen Wirkung der Substanzen. Auf Letztere gebe es für Aspartam, Acesulfam-K und Sucralose zumindest Hinweise aus Tierversuchen, schreibt ein Team um Charlotte Debras von der Universität Sorbonne in Paris im Fachjournal »PLOS Medicine«.
Die Forscher nutzten vor diesem Hintergrund Daten aus der populationsbasierten Kohortenstudie NutriNet-Santé, um nach einem möglichen Zusammenhang zwischen Süßstoffkonsum und Krebsrisiko zu suchen. NutriNet-Santé ist eine webbasierte Studie, für deren Teilnahme seit 2009 in Frankreich geworben wird. Infrage kommen Erwachsene, die regelmäßig anhand von Fragebögen Auskunft über ihren Gesundheitszustand, ihre anthropometrischen Daten, ihre körperliche Aktivität, ihren Lebensstil, ihre soziodemografischen Charakteristika sowie ihre Ernährung geben. Für die Studie berücksichtigt wurden 102.865 NutriNet-Santé-Teilnehmer, die über durchschnittlich 7,8 Jahre beobachtet wurden.
Um Verzerrungen durch bekannte Risikofaktoren für Krebs zu vermeiden, berücksichtigten die Forscher bei ihren Berechnungen unter anderem Alter, Geschlecht, Bildungslevel und körperliche Aktivität der Probanden, ihren BMI, die Gewichtszunahme während des Beobachtungszeitraums sowie Krebsfälle in der Familie. Auch andere Ernährungsfaktoren wurden berücksichtigt, etwa der Gehalt der Nahrung an Energie, Natrium, gesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen, Zucker, Obst und Gemüse, Vollkorn- und Milchprodukten sowie der Alkoholkonsum.
Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren hatten die Probanden mit einem überdurchschnittlich hohen Süßstoffkonsum verglichen mit denjenigen, die gar keine Süßstoffe zu sich nahmen, ein 13 Prozent erhöhtes Krebsrisiko (Hazard Ratio 1,13). Vor allem der exzessive Verzehr von Aspartam (HR 1,15) und Acesulfam-K (HR 1,13) schlug hier zu Buche. Bezogen auf bestimmte Krebsarten erwies sich wiederum Aspartam im Zusammenhang mit Brustkrebs als problematisch: Das Risiko für ein Mammakarzinom war bei Frauen, die überdurchschnittlich viel Aspartam zu sich nahmen, verglichen mit Frauen, die diesen Süßstoff gar nicht verwendeten, um 22 Prozent erhöht (HR 1,22).
Als überdurchschnittlich galt bei Frauen der Verzehr von mehr als 19,00 mg Süßstoff pro Tag und bei Männern von mehr als 17,44 mg pro Tag. Das ist noch vergleichsweise wenig. Alle Teilnehmer lagen nämlich noch unter dem sogenannten Acceptable Daily Intake (ADI), der für Aspartam und Acesulfam-K als unproblematisch eingestuft wird (40 beziehungsweise 9 mg pro kg Körpergewicht und Tag). Bei Sucralose übertrafen nur fünf Teilnehmer den ADI von 15 mg pro kg Körpergewicht und Tag. Hauptquellen für Süßstoffe waren Softdrinks ohne Zucker, Tafelsüßen und Joghurt beziehungsweise Hüttenkäse.