Lauterbach überdenkt Vergabekriterien bei Rabattverträgen |
Jennifer Evans |
25.11.2022 13:45 Uhr |
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will das Problem der Lieferengpässe bei Arzneimittelwirkstoffen angehen und die Kassen dazu bringen, sich breiter aufzustellen. / Foto: Imago/Chris Emil Janßen
Angesichts der zunehmenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind die Vergabekriterien für Rabattverträge dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) offenbar nicht mehr so heilig wie bislang. Im Gegenteil: Bei diesem Thema scheint sogar ein Umdenken stattgefunden zu haben – also weg vom Preisdumping. Gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): »Es kann nicht sein, dass wir versuchen, bei den Wirkstoffen zum Teil ein paar Cent zu sparen, riskieren dann aber dafür die Versorgung der Bevölkerung.« Zum Hintergrund: Viele Hersteller müssen ihre Wirkstoffe in Asien fertigen lassen, weil die Kassen wegen des Vergaberechts nur die billigsten Präparate einkaufen. Das BMG hatte dieses Rabattvertragssystem aber bislang immer verteidigt. Bis jetzt.
Der Minister kündigte an, die Engpässe bei Medikamenten mit einem neuen Gesetz bekämpfen zu wollen. Das Vorhaben sei eilbedürftig, so Lauterbach. Demnach will er die Kassen dazu verpflichten, auch bei mehr – und auch teureren – Herstellern einzukaufen. Stichwort Diversifizierung. Darauf hatte auch der Pro-Generika-Vorstandsvorsitzende Peter Stenico bei einer Diskussionsrunde des Branchenverbands in dieser Woche gepocht. Auch der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) hatte am gestrigen Donnerstag noch einmal eindringlich auf Neuerungen im Vergaberecht gedrängt. Dabei ging es um den Vorschlag zur generellen Mehrfachvergabe bei Wirkstoffausschreibungen sowie künftig eine besondere Berücksichtigung europäischer Hersteller.
Das Problem ist allerdings nicht neu. So war es unter anderem ein Anliegen der Ampel-Parteien. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: »Die Engpässe in der Versorgung bekämpfen wir entschieden. Wir ergreifen Maßnahmen, um die Herstellung von Arzneimitteln inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion nach Deutschland oder in die EU zurück zu verlagern. Dazu gehören der Abbau von Bürokratie, die Prüfung von Investitionsbezuschussungen für Produktionsstätten, sowie die Prüfung von Zuschüssen zur Gewährung der Versorgungssicherheit.«
Lauterbachs Mitarbeiter Thomas Müller, der im BMG die Abteilung Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie leitet, hatte erst vor wenigen Tagen bei einer Informationsveranstaltung des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) von einem »Generika-Gesetz« gesprochen. Er berichtete, das BMG wolle dafür mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zusammenarbeiten. Das Thema Vergaberecht sowie Innovationszuschüsse sollen laut Müller in die Verantwortung des BMWK fallen, während sich das BMG um Beschaffungsverfahren, Fest- und Rabattverträge kümmert. Ziel sei es, Deutschland attraktiver für den Bereich der Generika zu machen, indem man die Fest- und Rabattverträge mit entsprechenden Anreizen verknüpfe, so Müller. In diesem Zusammenhang erwähnte er auch, dass es für dieses Vorhaben noch gute Ideen brauche.