Künstliche Intelligenz bessert COPD |
Laura Rudolph |
17.05.2022 18:00 Uhr |
Medizinische Apps können helfen, die Inhalationstherapie bei COPD zu verbessern oder die Atemmuskulatur zu trainieren. / Foto: Getty Images/Geber86
Schätzungen zufolge sind in Deutschland etwa 5 bis 10 Prozent der Über-40-Jährigen von COPD betroffen, Männer deutlich häufiger als Frauen. Meist kommt eine Inhalationstherapie zum Einsatz. Je optimaler der Patient inhaliert, desto mehr Wirkstoff gelangt in die Lunge. Dagegen können eine falsche Inhalationstechnik oder mangelnde Therapietreue zu unkontrollierten Atemwegserkrankungen führen.
Die Gesundheitsapp»Kata® – Deine Inhalationshilfe« der Firma Vision Health in München ist ein digitaler Inhalationsassistent und eignet sich für alle Menschen mit einer chronischen Lungenerkrankung. Das Medizinprodukt der Klasse IIa soll den täglichen Inhalationsvorgang in Echtzeit trainieren und optimieren. Dies steigere die Therapieeffizienz, wie der Hersteller in einer Pressemitteilung berichtet: »Kata soll als persönlicher digitaler Gesundheitscoach Patienten dabei unterstützen, die Inhalationstechnik und damit die Wirkstoffaufnahme zu verbessern.«
Kata leitet durch die einzelnen Schritte des Inhalationsvorgangs, welcher Schütteln, Ausatmen, Inhalieren und Atem anhalten umfasst. Mittels Videoaufnahme und künstlicher Intelligenz bewertet die App das Atemmanöver des Patienten. Kata gibt anschließend Rückmeldung zum Atemmanöver und Tipps, wie die Handhabung noch besser gelingt.
Die Kata-App bietet eine Tagebuchfunktion mit Erinnerungsfunktion. / Foto: Vision Health
In der aktuellen Version funktioniert dies in vollem Umfang für alle Dosieraerosole und den Respimat. Zudem ist die Schritt-für-Schritt Anleitung für den Inhalationsvorgang derzeit für folgende Inhalatoren verfügbar: Turbohaler, Breezhaler, Easyhaler, Nexthaler und Ellipta. Für alle weiteren Pulverinhalatoren ist Kata in einer Basisversion nutzbar, die an die rechtzeitige Inhalation erinnert und bei den wichtigsten Inhalationsschritten unterstützt.
In einem digitalen Therapietagebuch können Anwender tägliche Symptome notieren und Daten zu den Inhalationen einsehen. Gebündelt in einem Übersichtsreport können sie Daten auch mit ihrem behandelnden Arzt teilen. Kata ist für Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen ab 13 Jahren geeignet. Kinder zwischen acht und 13 Jahren dürfen die App nur unter Aufsicht der Eltern anwenden.
Derzeit gibt es Kata noch nicht auf Rezept, der Anbieter strebt jedoch eine Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) an. Die Kosten für alle dort gelisteten Apps müssen die Krankenkassen bei entsprechender Indikation übernehmen. Die App ist derzeit nur nutzbar, wenn es einen entsprechenden Vertrag zwischen der eigenen Krankenkasse und Vision Health gibt. Dies lässt sich erst nach Download bei Erstellung eines Nutzer-Accounts abfragen.
Neben der inhalativen Therapie mit Bronchodilatoren und Glucocorticoiden wirken körperliche Aktivität und Atemtraining unterstützend bei COPD. Hier setzt die App »Kaia COPD« der US-Firma Kaia Health. Das Medizinprodukt der Klasse IIa unterstützt Menschen mit COPD ergänzend zur Pharmakotherapie oder nach einer Reha mit körperlichen Trainingseinheiten, Atem- und Entspannungsübungen sowie Informationen und Tipps.
Bei Kaia stehen Atem- und Sportübungen im Fokus. / Foto: Kaia Health
»Durch die medizinische App sind Betroffene nicht mehr auf sich allein gestellt. Das ist besonders wichtig, da es vielen der 6,8 Millionen Betroffenen in Deutschland schwerfällt, zum Beispiel nach einer Reha wieder im Alltag daheim anzukommen und dort Therapieinhalte eigenständig umzusetzen. Mit Kaia COPD haben sie einen zuverlässigen, digitalen Begleiter an ihrer Seite«, erklärt Dr. Steffen Hartrampf, Vice President Medical Affairs Europe bei Kaia Health, im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung.
Die Basis bildet ein audiovisuell geleitetes Bewegungsprogramm. Mittels Kamerafunktion analysiert Kaia ausgeführte Bewegungen in Echtzeit und gibt visuelle und sprachliche Korrekturhilfen. »Je weniger Patienten mit COPD im Alltag körperlich aktiv sind, desto schneller baut ihre Muskulatur ab. Deshalb sollten gerade Lungenerkrankte auf ihre Muskulatur achten und diese trainieren«, betont Hartrampf. Etwa 20 Minuten Training pro Einheit genügen, bestenfalls an mindestens drei Tagen pro Woche.
Kaia COPD orientiert sich an der nationalen Versorgungsleitlinie für COPD. In einer randomisierten, kontrollierten Studie (RCT) mit 67 COPD-Patientinnen und -patienten zeigte die medizinische App einen besseren Verlauf der Symptomatik nach einer stationären Reha über den gesamten Untersuchungszeitraum von sechs Monaten – im Vergleich zur Kontrollgruppe mit herkömmlicher Nachbehandlung (DOI: 10.1136/thoraxjnl-2021-218338). Eine weitere RCT in Deutschland und der Schweiz untersuche aktuell die klinischen Effekte von Kaia COPD auf die körperliche Leistungsfähigkeit und die gesundheitsbezogene Lebensqualität, berichtet Hartrampf.
Es gilt allerdings auch, die Kontraindikationen wie ungeklärte Herz-Kreislauf-Beschwerden, vorausgegangene Lungeninfarkte, Thrombosen, akute Infektionen und andere zu beachten. Grundsätzlich sollte ein Arzt vor der Anwendung befragt werden.
Kaia COPD ist ebenfalls noch nicht ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen; der Anbieter strebt dies jedoch an. Die App ist derzeit im Rahmen von klinischen Studien verfügbar.
In der Serie »PZ App-Check« stellt die PZ digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) indikationsbezogen vor, ergänzt durch weitere aus Sicht der Redaktion empfehlenswerte Gesundheits-Apps. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und es erfolgt keine detaillierte Bewertung. Geachtet wird etwa auf die Seriosität der Anbieter, die Verfügbarkeit sowohl für Apple- als auch Android-Nutzer und die Verfügbarkeit der App in deutscher Sprache. Bisher erschienen sind Beiträge zu den Indikationen Übergewicht, Tinnitus, Depressionen, Reizdarm, Heuschnupfen, Neurodermitis, weiblicher Zyklus und Reisemedizin. Sie sind hier zu finden.