Keiner ist wie der andere |
So viele Medikamente! Bei herzkranken Menschen sind häufig auch Betablocker dabei. / Foto: Imago Images/Martin Wagner
Betablocker gehören zu den verordnungsstärksten Arzneimittelklassen und werden in zahlreichen Indikationen eingesetzt. Dazu zählt der große Komplex kardiovaskulärer Erkrankungen mit Bluthochdruck, Vorhofflimmern, chronischem Koronarsyndrom (koronare Herzkrankheit, KHK) und Herzinsuffizienz. Nicht weniger wichtig ist ihr Einsatz in »kleineren« Indikationen wie Glaukom, Migräne oder Tremor.
Betablocker (auch β-Adrenozeptor-Antagonisten oder β-Rezeptorenblocker) hemmen kompetitiv β-Adrenozeptoren, von denen pharmakotherapeutisch vor allem die β1- und β2-Rezeptoren relevant sind. Die Betablocker wirken den Katecholaminen Adrenalin und Noradrenalin entgegen und zeigen damit an zahlreichen Organsystemen ihre Wirkung. Sie dämpfen die sogenannte sympathische Aktivität, ökonomisieren die Herzarbeit über β1-Rezeptoren und führen an β2-Rezeptoren zu einer Erschlaffung der glatten Muskulatur. Zugleich werden die Stoffwechselprozesse Glykogenolyse und Lipolyse gebremst und die Renin-Ausschüttung über die Niere vermindert. Die renale Wirkung wird mit der Blutdrucksenkung in Verbindung gebracht.
Die Entwicklung der Betablocker startete in den 1960er-Jahren mit dem heute noch genutzten, nicht selektiv blockierenden Propranolol. Nachdem die β1-Rezeptoren als weitestgehend kardiospezifisch (Kasten) und die β2-Rezeptoren als gefäß- und bronchospezifisch identifiziert wurden, versuchte man, das Wirkspektrum der Substanzklasse neu auszurichten. Es wurden Wirkstoffe mit unterschiedlichem Wirkprofil synthetisiert:
Nebivolol und Carvedilol erreichen eine Gefäßerweiterung über unterschiedliche Wirkmechanismen. Sie führen in bestimmten Indikationen (KHK und Herzinsuffizienz) zu einem belegten Nutzen in Hinblick auf Mortalität und Hospitalisierung. Dies zeigten große Endpunktstudien wie CAPRICORN, COPERNICUS und SENIORS.
Nahezu alle modernen peroral angewendeten Substanzen (mit Ausnahme von Carvedilol und Propranolol) blockieren selektiv β1-Rezeptoren und wirken somit kardioselektiv, das heißt vornehmlich am Herzen. Der Selektivität sind allerdings Grenzen gesetzt. Mit steigender Dosis geht diese zunehmend verloren und unerwünschte Wirkungen an β2-Rezeptoren werden wahrscheinlicher. Was bewirkt eine β1-Rezeptor-Blockade am Herzen? Die Effekte sind
• negativ inotrop: Verminderung der Kontraktionskraft des Herzmuskels,
• negativ chronotrop: Verminderung der Herzfrequenz,
• negativ bathmotrop: Verminderung der Erregbarkeit des Herzens,
• negativ dromotrop: Verminderung der Überleitgeschwindigkeit am Herzmuskel.
Aber nicht für jede der pharmakologischen Variationen ist ein Patientennutzen belegt. Besonders die ISA gilt inzwischen als nachteilig. Durch partielle Aktivierung an β1-Rezeptoren wird die Herzfrequenz weniger gedämpft und damit sinkt die Gefahr einer schwerwiegenden Bradykardie. Zugleich nimmt durch den Agonismus an β2-Rezeptoren der Bronchial- und Gefäßwiderstand kaum zu. Trotz dieser scheinbar positiven Eigenschaften gilt inzwischen, dass besonders bei Patienten mit KHK und Herzinsuffizienz Betablocker ohne ISA zu verwenden sind (Nationale Versorgungsleitlinie; NVL, Chronische KHK; Stand September 2022; DOI: 10.6101/AZQ/000491).