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Christine Aschenberg-Dugnus

»Keine Angst vor Konkurrenz«

Die FDP hat seit einiger Zeit einen apothekerfeindlichen Ruf. Grund ist die laut Parteitags­beschluss befürwortete Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots. Schnee von gestern? Die FDP-Gesundheits­expertin, Christine Aschenberg-Dugnus, hält das Verbot hoch. Und auch sonst will sie die inhabergeführte Apotheke stärken. Von der Gleichpreisigkeit und dem Rx-Boni-Verbot hält sie aber nichts.
Jennifer Evans
Ev Tebroke
27.03.2019  10:06 Uhr

PZ: Die Apothekenmarkt-Reform ist im vollen Gange. Das Bundesgesundheitsministerium hat gerade ein neues Eckpunktepapier vorgelegt. Der Kernpunkt der überarbeiteten Reform-Vorschläge: Das Rx-Boni-Verbot soll nun doch kommen. Finden Sie das gut?

Aschenberg-Dugnus: Das sehe ich kritisch. Durch den geplanten Umweg, die Gleichpreisigkeit über das Sozialgesetzbuch V zu regeln, wird praktisch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Oktober 2016 umgangen. Verlagern wir jetzt einfach den entsprechenden Paragrafen ins SGB V, bedeutet das nicht automatisch, dass der europäische Gesetzgeber seinen Willen dadurch umgesetzt sieht. Aber Boni oder nicht, mir geht es vor allem darum, gleichlange Spieße zwischen Versandhandel und Apotheken vor Ort zu schaffen. Auch hält die FDP an der freien Apothekenwahl fest. Und wir stehen voll hinter allem, was das neue Eckpunkte-Papier für die Berufsgruppe verbessern soll. Die Apotheker können sich auf uns verlassen. Wer eine gute Leistung erbringt, soll sie auch vergütet bekommen.

PZ: Sie wollen Rx-Boni erlauben und gleichzeitig die inhabergeführte Apotheke stärken. Wie wollen Sie das auffangen?

Aschenberg-Dugnus: Indem ich die Arzneimittelverordnung aufbreche und es einen Höchst- und einen Mindestpreis für ein Medikament gibt. Das Delta kann hier bei 1 bis 2 Euro liegen. Damit wäre der EU-Wille umgesetzt und die Lösung auch europarechtskonform. Gleichzeitig entstünde hierzulande kein Ungleichgewicht mit ausländischen Versendern. Grundsätzlich hat mich auch die Benachteiligung des inländischen Versandhandels immer gestört, die damit auch hinfällig wäre. Im Rahmen dieses 1- bis 2-Euro-Korridors kann dann jedes Unternehmen frei entscheiden, wie viel Preisnachlass es seinen Kunden gewährt. Eine Gefahr für die Apotheke vor Ort sehe ich mit dieser Lösung nicht.

PZ: Ist es für die Arzneimittelversorgung nicht wichtig, dass es keinen Preiskampf bei Rx-Arzneimitteln gibt, gerade mit Blick auf kleinere Apo­theken?

Aschenberg-Dugnus: Wie gesagt, einen Preiskampf bei einem 1- bis 2-Euro- Korridor sehe ich nicht. Aber ich kann mir durchaus Sicherstellungszuschläge für Landapotheken vorstellen. Ich bin auch dafür, den Nacht- und Notdienst besser zu honorieren, damit die strukturschwachen Regionen ihre angemessene Vergütung erhalten.

PZ: Trotzdem entsteht ja etwa mit Blick auf die Chronikerversorgung mit Ihrer Lösung immer noch ein Nachteil für die Apotheke vor Ort, wenn Patienten aufgrund höherer Rabatte in den Versand wechseln.

Aschenberg-Dugnus: Der Korridor ist ja nicht groß. Außerdem können die neuen Beratungsleistungen einiges auffangen, zumal diese voraussichtlich in Zukunft viel stärker nachgefragt werden. Im Idealfall sogar so sehr, dass der Umsatz für die Apotheken noch größer wird. Das große Apothekensterben sehe ich nicht. Man muss sich einfach auf neue Wege einstellen und selbstbewusster sein.

PZ: In Ihren Augen stellen die Apotheker also ihr Licht unter den Scheffel?

Aschenberg-Dugnus: Absolut. Sie machen einen tollen Job. Das sehe ich allein daran, dass nur 2 Prozent der Kunden den Versandhandel für verschreibungspflichtige Arzneimittel überhaupt nutzen. Die Menschen wollen doch persönlich vor Ort mit dem Apotheker sprechen. Mein Rat: keine Angst vor Konkurrenz. In Sachen Medikationsplan hätte ich mir zum Beispiel gewünscht, dass die Apotheker mehr eingebunden werden. Schließlich laufen in der Apotheke alle Informationen zusammen.

PZ: Das neue Eckpunktepapier sieht aber in denen Ihrer Auffassung nach wichtigen Bereichen, wie etwa der Vergütung des Nacht- und Notdiensts sowie den pharmazeutischen Dienstleistungen, Kürzungen im Vergleich zum ursprünglichen Reformvorschlag vor? Reicht die neue Summe aus Ihrer Sicht aus?

Aschenberg-Dugnus: Ich finde es gerechtfertigt, dass man für eine erbrachte Leistung auch die entsprechende Vergütung bekommt. Wenn diese nicht ausreicht, bin ich für die Diskussion offen. Ich weiß ja, wie stark die Beratung in der Apotheke gerade von älteren, multimorbiden Patienten nachgefragt wird. Sollte das angesprochene Boni-Delta kommen, könnte man sich überlegen, wieder zur ursprünglich angedachten Summe zurückzukehren. Die Beratung in der Apotheke ist aus meiner Sicht auch deshalb so wichtig, weil sie zusätzlich Vorteile für die Patienten und die Solidargemeinschaft bringt.

PZ: Sie haben die in der FDP diskutierten Sicherstellungszuschläge für Landapotheken schon angesprochen. Wie sollen diese konkret aussehen?

Aschenberg-Dugnus: Nacht- und Notdienst kommt auf dem Land deutlich häufiger vor, daher muss er auch honoriert werden – zumal der Versandhandel solche Dinge nicht leisten kann. Grundsätzlich bin ich dafür, freie Berufe zu schützen und zu stärken, ganz klar. Schon allein um die Unabhängigkeit der Therapie und der Beratung zu wahren. Was die Ausgestaltung betrifft, bin ich für Vorschläge offen.

PZ: Im Parteiprogramm spricht sich die FDP gegen das Fremd- und Mehrbesitzverbot aus. Wie sehen Sie dieses Thema?

Aschenberg-Dugnus: Ich bin eindeutig für das Fremd- und Mehrbesitzverbot. Wir haben zwar einen gegenteiligen Bundesparteitagsbeschluss auf Initiative unserer Jungen Liberalen. Ich war bei der Beschlussfassung aus familiären Gründen leider nicht anwesend, habe mich aber vor und nach der Bundestagswahl immer für die Beibehaltung ausgesprochen.

PZ: Wie stehen Sie denn zu der derzeitigen Vergütungsregelung, die eine fixe Pauschale von 8,35 Euro pro Packung und Beratung vorsieht? Würden Sie diese Mischkalkulation aufbrechen wollen, um die zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen zu vergüten?

Aschenberg-Dugnus: Nein. Das System der Pauschale sollte bleiben, wie es ist. Die Dienstleistungen gäbe es auf jeden Fall on top. Wenn uns die Apo­thekerschaft hier konkrete Zahlen vorlegt, wäre die FDP dialogbereit.

PZ: Im Zuge der Digitalisierung müsste ja eigentlich auch die Online-Beratung besser vergütet werden?

Aschenberg-Dugnus: Polypharmazie-Beratung muss aus meiner Sicht persönlich durch einen Apotheker erfolgen, weil es dabei auch um Vertrauen geht. Das klappt übers Telefon nicht. Allerdings glaube ich auch nicht daran, dass der Versandhandel ein Interesse daran hat, diese Qualität in Zukunft zu liefern.

PZ: Wie stehen Sie zu dem Thema Rabattverträge? Kritiker würden diese insbesondere auch vor dem Hintergrund von Lieferengpässen gern abschaffen.

Aschenberg-Dugnus: Die Rabattverträge können wir nicht abschaffen. Stattdessen ein neues System zu gestalten, ist schwer – auch, weil es immer Verlierer gibt. Allerdings würde ich das damit einhergehende Bürokratie-Monster für die Apotheken gerne minimieren. Auch hier warte ich auf Vorschläge aus der Apothekerschaft.

PZ: Was das Problem der Lieferengpässe betrifft, wären Sie dafür, wieder mehr Produktionsstätten nach Europa zu holen?

Aschenberg-Dugnus: Es ist eine ganz klare Forderung von uns, auch euro­päische Anbieter bei Ausschreibungen zu berücksichtigen. Deutschland ist meiner Ansicht nach zu abhängig von anderen Ländern, vor allem von China und Indien. Dort herrschen andere Sozial- und Qualitätsstandards. Es geht, insbesondere bei Medikamenten, nicht nur um den Preis, sondern auch um Qualität.

PZ: Ein Gesetzesantrag der FDP sieht vor, den Export von medizinischem Cannabis voranzutreiben. Hat Deutschland in Ihren Augen die wirtschaftlichen Chancen beim Anbau und Export von Medizinalhanf verschlafen?

Aschenberg-Dugnus: Ganz eindeutig, ja. Ein Produkt »made in Germany« hat einen guten Ruf. In diesem Bereich haben wir aufgrund der großen bürokratischen Hürden viel verschenkt. Ich halte es auch für umsetzbar, dass der Anbau hierzulande richtig aufgestockt werden könnte. Aber wer nicht anfängt, kommt nicht ans Ziel. 

»Das große Apothekensterben sehe ich nicht. Man muss sich einfach auf neue Wege einstelllen.«
Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der <

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