Kaum Innovationen in Sicht |
Angesichts der immer bedrohlicher werdenden Resistenzlage brauche es jedoch auch neue Targets, neue Strukturen und generell neue Konzepte. »Wir brauchen nicht unbedingt das tausendste Cephalosporin in nächster Generation«, so Holzgrabe. Sie wies stattdessen auch auf sogenannte Pathoblocker, Endolysine und Bakteriophagen als alternative Konzepte hin.
Pathoblocker sollen die Pathogenität eines Bakteriums herabsetzen, indem sie beispielsweise Toxine neutralisieren oder in die bakterielle Kommunikation eingreifen. »Da sie sehr spezifische Vorgänge hemmen, wirken die bislang entwickelten Pathoblocker meist nur gegen ein bestimmtes Bakterium«, heißt es dazu erläuternd auf der Website des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung.
Bakteriophagen sind ein altbekanntes Therapiekonzept, das im kulturellen Westen jedoch über Jahrzehnte wenig Beachtung fand. Phagen sind Viren, die Bakterien befallen. Allerdings sind sie dabei sehr spezifisch, sodass ein bestimmter Phagenstamm auch nur ganz bestimmte Bakterien befällt. Daher braucht es individuell angepasste Phagen-Mischungen.
Endolysine sind Enzyme, die von Bakteriophagen stammen. Die Phagen brauchen sie, um nach ihrer intrazellulären Vermehrung aus den befallenen Bakterien freigesetzt werden. »Sie zerstören die Bakterienmembran, zumeist von innen«, erläuterte Holzgrabe. Als Beispiel nannte sie Exebactase, ein Endolysin, das Staphylococcus aureus auflösen kann und derzeit in einer Phase-III-Studie mit Patienten mit S. aureus-Blutstrominfektionen als Add-on-Therapie getestet wird. In Phase IIa befindet sich mit N-Rephasin ein weiteres Endolysin in der klinischen Erprobung.
Das Konzept der Bakteriophagen stellte Professor Dr. Peter Heisig von der Universität Hamburg näher vor. Phagenmischungen seien bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt worden. Da die Herstellung und Anwendung jedoch umständlicher war als die der kurze Zeit später entdeckten Antibiotika, gerieten sie während des »goldenen Zeitalters« der Antibiotikaentwicklung von den 1940er- bis 1970er-Jahren im Westen in Vergessenheit, während sie aufgrund des Antibiotikamangels im Ostblock, insbesondere in Georgien, häufig eingesetzt wurden – »allerdings eher empirisch, was ein Problem für die Zulassung ist«, so Heisig, der Professor für pharmazeutische Biologie ist. Die Studienlage gemäß heutiger Standards sei mau, zudem die Rechtslage hierzulande noch unklar.
Die Verfügbarkeit des richtigen Phagen-Cocktails vorausgesetzt ergeben sich weitere Schwierigkeiten bei der Anwendung: »Für einen starken Effekt von Phagen auf infizierende Bakterien muss eine Phagentherapie zum richtigen Zeitpunkt (später im Verlauf) und in ausreichend hoher Dosis erfolgen«, so Heisig. Auch bei der Qualität und Haltbarkeit gebe es noch Probleme. Insgesamt sieht Heisig jedoch viele Vorteile in der Phagentherapie:
Bis die neuen Konzepte jedoch ausgereift genug für einen breiten Einsatz sind, heißt es, die zur Verfügung stehenden Antibiotika möglichst rational einzusetzen, um weitere Resistenzentwicklungen zu minimieren, so die beiden Referenten.
Der Antibiotika-Einsatz sollte also auf das Nötigste reduziert werden, vor allem auch in der Tierzucht, Möglichkeiten zur Infektionsprophylaxe wie Impfungen sollten ausgeschöpft werden. Und besonders wichtig für den einzelnen Patienten und das Apothekenpersonal: Ambulante Patienten müssen umfassend zur korrekten Anwendung ihres Antibiotikums inklusive Dosierung, Anwendungsdauer und Interaktionen mit anderen Medikamenten sowie Nahrungsmitteln beraten werden.