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Antibiotika

Kaum Innovationen in Sicht

In den Pipelines der Pharmaunternehmen befinden sich kaum neue antibiotische Substanzen. Neue Wirkstoffklassen sind gar nicht in Sicht. Als alternative Konzepte gelten Bakteriophagen, Endolysine und Pathoblocker.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 28.11.2022  18:00 Uhr

»Früher wurde bei allen großen Pharmafirmen an Antibiotika geforscht«, berichtete Dr. Ulrike Holzgrabe, Seniorprofessorin für pharmazeutische Chemie an der Uni Würzburg, vor Kurzem bei der Scheele-Tagung in Warnemünde. Heute haben sich fast alle großen Unternehmen aus diesem Bereich zurückgezogen. Zwar werde noch viel an den Universitäten geforscht, doch fehle es an der Finanzierung für die fortgeschrittene präklinische Phase sowie die noch viel teurere klinische Testung.

»Wenn Sie ein neues Antibiotikum tatsächlich zur Marktreife bringen, haben Sie etwa eine knappe Milliarde Euro investiert und es darf nur sehr restriktiv eingesetzt werden – da verwundert es nicht, dass die Pharmaindustrie nicht mehr gern Antibiotika entwickelt«, erklärte Holzgrabe, die selbst einen Forschungsschwerpunkt auf Antiinfektiva hat.

In der vergangenen Dekade sind nach Angaben des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) zwölf neue Substanzen auf den Markt gekommen. Dabei handelt es sich laut Holzgrabe allerdings fast nur um Weiterentwicklungen bereits bekannter Strukturen. Ähnlich sieht es mit Antibiotika in der klinischen Phase aus. Als wichtiges Beispiel nannte Holzgrabe die neuen Beta-Lactamase-Inhibitoren, die in niedrigeren Dosierungen eine bessere Wirksamkeit und zum Teil auch eine eigene antibakterielle Aktivität haben sollen, zum Beispiel Avibactam und Zidebactam.

Neu seien auch einige Beta-Lactamase-Inhibitoren mit einem Bor-Atom in der Ringstruktur, sogenannte Boronate wie Varborbactam und Taniborbactam. Das Besondere an den Boronaten: Sie hemmen alle vier Typen von Lactamasen, inklusive der bislang fast unadressierten Metallo-Beta-Lactamasen. Vaborbactam ist in Kombination mit Meropenem unter dem Namen Vaborem® (ursprünglich Vabomere®) seit 2018 in der EU zugelassen, allerdings in Deutschland bislang nicht auf den Markt gekommen. 

Mit Cefiderocol (Fetcroja®) kam zudem in 2021 ein neues Cephalosporin auch in Deutschland auf den Markt, das eine breite Stabilität gegen alle Lactamase-Klassen hat und auch gegen Pseudomonas aeruginosa und Acinobacter baumannii wirksam sein soll. Mit einer Benzcatechin-Struktur an einem Molekülende kann Cefiderocol Eisen komplexieren, was genutzt wird, um es in die Bakterienzellen zu bekommen – eine Sprunginnovation. Doch auch hier zeigen sich bereits erste Resistenzen.

Alternativen zu klassischen Antibiotika

Angesichts der immer bedrohlicher werdenden Resistenzlage brauche es jedoch auch neue Targets, neue Strukturen und generell neue Konzepte. »Wir brauchen nicht unbedingt das tausendste Cephalosporin in nächster Generation«, so Holzgrabe. Sie wies stattdessen auch auf sogenannte Pathoblocker, Endolysine und Bakteriophagen als alternative Konzepte hin.

Pathoblocker sollen die Pathogenität eines Bakteriums herabsetzen, indem sie beispielsweise Toxine neutralisieren oder in die bakterielle Kommunikation eingreifen. »Da sie sehr spezifische Vorgänge hemmen, wirken die bislang entwickelten Pathoblocker meist nur gegen ein bestimmtes Bakterium«, heißt es dazu erläuternd auf der Website des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung.

Bakteriophagen sind ein altbekanntes Therapiekonzept, das im kulturellen Westen jedoch über Jahrzehnte wenig Beachtung fand. Phagen sind Viren, die Bakterien befallen. Allerdings sind sie dabei sehr spezifisch, sodass ein bestimmter Phagenstamm auch nur ganz bestimmte Bakterien befällt. Daher braucht es individuell angepasste Phagen-Mischungen.

Endolysine sind Enzyme, die von Bakteriophagen stammen. Die Phagen brauchen sie, um nach ihrer intrazellulären Vermehrung aus den befallenen Bakterien freigesetzt werden. »Sie zerstören die Bakterienmembran, zumeist von innen«, erläuterte Holzgrabe. Als Beispiel nannte sie Exebactase, ein Endolysin, das Staphylococcus aureus auflösen kann und derzeit in einer Phase-III-Studie mit Patienten mit S. aureus-Blutstrominfektionen als Add-on-Therapie getestet wird. In Phase IIa befindet sich mit N-Rephasin ein weiteres Endolysin in der klinischen Erprobung.

Vor- und Nachteile von Bakteriophagen

Das Konzept der Bakteriophagen stellte Professor Dr. Peter Heisig von der Universität Hamburg näher vor. Phagenmischungen seien bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt worden. Da die Herstellung und Anwendung jedoch umständlicher war als die der kurze Zeit später entdeckten Antibiotika, gerieten sie während des »goldenen Zeitalters« der Antibiotikaentwicklung von den 1940er- bis 1970er-Jahren im Westen in Vergessenheit, während sie aufgrund des Antibiotikamangels im Ostblock, insbesondere in Georgien, häufig eingesetzt wurden  – »allerdings eher empirisch, was ein Problem für die Zulassung ist«, so Heisig, der Professor für pharmazeutische Biologie ist. Die Studienlage gemäß heutiger Standards sei mau, zudem die Rechtslage hierzulande noch unklar.

Die Verfügbarkeit des richtigen Phagen-Cocktails vorausgesetzt ergeben sich weitere Schwierigkeiten bei der Anwendung: »Für einen starken Effekt von Phagen auf infizierende Bakterien muss eine Phagentherapie zum richtigen Zeitpunkt (später im Verlauf) und in ausreichend hoher Dosis erfolgen«, so Heisig. Auch bei der Qualität und Haltbarkeit gebe es noch Probleme. Insgesamt sieht Heisig jedoch viele Vorteile in der Phagentherapie: 

  • Bakteriophagen lassen sich einfach und kostengünstig und in ausreichend hoher Qualität aus der Natur isolieren, lagern und analysieren.
  • Bakteriophagen verteilen sich im gesamten Körper einer erkrankten Person.
  • Bakteriophagen zeigen eine hohe und spezifische antibakterielle Aktivität ohne relevante Wirkung auf den Menschen oder seine Mikroflora (in vitro und in vivo).
  • Bakteriophagen zeigen keine Kreuzresistenz mit bekannten Antibiotika, sondern können sogar deren Wirkung wiederherstellen beziehungsweise in Kombination verstärken.
  • Bakteriophagen können sich während einer Therapie sogar an Bakterien anpassen,
    die eine Phagenresistenz entwickeln.
  • Bakteriophagen wirken nur, solange Bakterien noch vorhanden sind und
    werden danach vom Immunsystem entfernt.
  • Molekulargenetische Methoden können zur raschen Identifizierung von Bakteriophagen
    mit geeigneter Spezifität für den jeweiligen Erreger genutzt werden.

Bis die neuen Konzepte jedoch ausgereift genug für einen breiten Einsatz sind, heißt es, die zur Verfügung stehenden Antibiotika möglichst rational einzusetzen, um weitere Resistenzentwicklungen zu minimieren, so die beiden Referenten.

Der Antibiotika-Einsatz sollte also auf das Nötigste reduziert werden, vor allem auch in der Tierzucht, Möglichkeiten zur Infektionsprophylaxe wie Impfungen sollten ausgeschöpft werden. Und besonders wichtig für den einzelnen Patienten und das Apothekenpersonal: Ambulante Patienten müssen umfassend zur korrekten Anwendung ihres Antibiotikums inklusive Dosierung, Anwendungsdauer und Interaktionen mit anderen Medikamenten sowie Nahrungsmitteln beraten werden.

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