Phagentherapie bald auch für Patienten in Deutschland |
Wie kleine Roboter sehen sogenannte Bakteriophagen aus. Diese Viren kapern viel größere Bakterien und injizieren diesen ihr Erbmaterial. / Foto: Shutterstock/nobeastsofierc
Manchem mag es riskant erscheinen, Viren gezielt in Wunden zu reiben, einzuatmen, zu schlucken oder gar in die Blutbahn zu spritzen. Doch bei der sogenannten Phagentherapie kommen tatsächlich bakterienfressende, für den Menschen ungefährliche Viren zum Einsatz. Mit der steigenden Zahl von Antibiotikaresistenzen wird dieser lange kaum noch verwendeten Therapieform wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil. Aber ist sie die Lösung für die große Krise der Medizin? Zwei große deutsche Projekte stehen kurz davor, Patienten zu behandeln.
Bakteriophagen sind ständig um und in uns. Ein erwachsener Mensch bestehe aus etwa 30 Billionen Körperzellen, 40 Billionen Bakterien – und 300 Billionen Phagen, sagt Phagentherapie-Experte Professor Dr. Christian Willy, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Bundeswehrkrankenhaus Berlin. Bakteriophagen sind Viren, die in Bakterien Vermehrungsprogramme in Gang setzen, bis die Masse neu produzierter Viren die Bakterienzelle zum Platzen bringt. Bakterienansammlungen etwa in einem Entzündungsherd können so rasch verschwinden.
Eines der Projekte, bei dem bald Patienten behandelt werden sollen, ist «Phage4Cure», bei dem eine Therapie mit inhalierbaren Phagen gegen den gefürchteten Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa entwickelt wird. Oft besiedelt der Erreger die Lunge von Mukoviszidose-Patienten. Im Spätsommer soll es mit einer klinischen Phase-I-Studie zur grundsätzlichen Verträglichkeit losgehen, wie Dr. Christine Rohdeam Leibniz-Institut DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) in Braunschweig sagt. Anders als meist üblich gebe es direkt auch eine Kohorte mit Patienten. «Wenn die Phase I erfolgreich läuft und es den Patienten besser geht, dann ist ein echter Meilenstein für die Phagentherapie in Deutschland erreicht.»
Vereinzelt werden in Deutschland bereits Patienten behandelt, bei denen die verfügbaren zugelassenen Therapien keine Wirkung zeigen. Zum Beispiel von Professor Dr. Christian Kühn, Leiter des Nationalen Phagenzentrums der Medizinischen Hochschule Hannover. «Ich sehe tagtäglich, was Antibiotika-Resistenzen anrichten», betont der Mediziner. «Wir brauchen Alternativen.» Mehr als 30 Patienten wurden in Hannover bereits behandelt, oft gegen Staphylococcus aureus, ein Bakterium, das hartnäckige Wundinfektionen verursachen kann.