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Studie aus London

Jeder vierte Asthmapatient nutzt zu häufig Reliever

Ist ein Asthmapatient gut eingestellt, sollte er sein Notfallmedikament (Reliever) im besten Fall nicht benötigen. Ist der Verbrauch hoch, sollte die Basistherapie (Controller) intensiviert werden. Das passiert zumindest in East London noch viel zu selten, zeigt eine neue Studie.
Daniela Hüttemann
21.06.2022  18:00 Uhr

Im Osten Londons liegt die Queen Mary University. Die Forscher dort wussten bereits, dass in diesem Teil der britischen Hauptstadt die Hospitalisierungsrate aufgrund von Asthmaattacken 14 Prozent über dem Durchschnitt der Metropole liegt. Nun haben sie das Verordnungsverhalten von 117 Hausarztpraxen sowie die Einlösung der Rezepte für kurzwirksame β-Agonisten (SABA), die als Reliever bei Asthmaanfällen eingesetzt werden, genauer untersucht. Dazu werteten sie die elektronischen Patientenakten von 30.694 Asthmapatienten im Alter von fünf bis 80 Jahre aus.

Ihrer Einschätzung nach bekommen 26 Prozent dieser Patienten zu häufig SABA verordnet, schreiben die Forscher im »British Journal of General Practice«. In der Studie galt es als Überverordnung, wenn mindestens sechs SABA-Inhalatoren pro Jahr verschrieben wurden. Von diesen Asthmatikern mit zu hohem SABA-Bedarf wiederum sei jeder vierte mit inhalativen Corticosteroiden (ICS), die zur Kontrolle des Asthmas regelmäßig angewendet werden sollen, unterversorgt gewesen. Allerdings gab es große Unterschiede von Praxis zu Praxis: Manche Hausärzte verordneten nur 6 Prozent ihrer Asthmapatienten zu viele SABA, andere 60 Prozent.

Die Forscher konnten auch zeigen, dass eine zu häufige Nutzung vor allem bei Wiederholungsrezepten auftrat, bei denen die Apotheken in England den Reliever automatisch ohne Neuverordnung abgeben dürfen. Diese automatische Wiederverordnung erhöhte das Risiko für einen Übergebrauch um den Faktor 6,5. Weitere Gründe, die eine zu häufige Verordnung wahrscheinlicher machten, waren ein Fortschreiten der Erkrankung sowie Multimorbidität.

Besser den Controller regelmäßig anwenden

»Die Arbeit mit den Patienten zur Verbesserung der regelmäßigen Verwendung von präventiven Inhalatoren sollte ein zentraler Punkt sein, um asthmabedingte Krankenhauseinweisungen zu reduzieren«, meint Anna De Simoni, Hauptautorin der Arbeit, Dozentin an der Queen Mary University und Allgemeinmedizinerin. Es gebe noch viel Spielraum für Verbesserungen. Die Studienautoren haben berechnet, dass eine verbesserte Grundtherapie bei Patienten, die bislang mehr als zwölf SABA-Inhalatoren pro Jahr verwendeten, zu einer Reduktion auf vier bis maximal zwölf SABA pro Jahr und 70 Prozent weniger asthmabedingten Krankenhauseinweisungen führen könnte.

»Unsere Studie unterstreicht die Komplexität des Problems, denn es gibt mehrere Gründe, warum Patienten SABA-Inhalatoren übermäßig verschrieben werden«, ergänzt Koautor Dr. Paul Pfeffer. »Die Ergebnisse sind ein Aufruf zu detaillierterer Forschung über Interventionen zur Verringerung des unangemessenen SABA-Übergebrauchs in verschiedenen Patientengruppen.«

Es sei notwendig, Hausärzte und auch Apotheken die richtigen Instrumente an die Hand zu geben, um die Patienten bei der Kontrolle ihres Asthmas zu unterstützen. »In der nächsten Phase dieses Forschungsprogramms planen wir, den Praxen Instrumente zur Verfügung zu stellen, die die Identifizierung und das Management von Risikopatienten auf der Grundlage von Verschreibungsunterlagen unterstützen«, kündigte De Simoni an.

Auch die aktuelle deutsche Asthmaleitlinie sieht vor, die antientzündliche Grundtherapie zu intensivieren, wenn die bronchienerweiternde Bedarfsmedikation zu häufig genutzt wird. Zu überprüfen ist hier auch, ob gegebenenfalls Anwendungsfehler durch den Patienten vorliegen. Nach dem aktuellen Stufenschema sollte jeder Asthmapatient mit ICS behandelt werden.

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