Interdisziplinäre orale Therapie |
Die besonderen Herausforderungen, denen Patientinnen in der OTT gegenüberstehen, erfordern auch eine besondere Herangehensweise bei der Betreuung. Diese beginnt bei der ärztlichen Indikationsstellung und reicht bis zur Begleitung und Nachsorge der Therapie. Die Indikationsstellung für eine OTT sowie die Aufklärung zu Wirkmechanismus, potenziellen Nebenwirkungen, deren Management, zur Dosierung, zu möglichen Therapieunterbrechungen und zum Therapieende erfolgen durch die behandelnden Ärzte.
Eine Therapieentscheidung erfolgt in der Regel im Rahmen einer Tumorkonferenz im zertifizierten Brustzentrum, in dem alle beteiligten Fachrichtungen bei der Behandlung von Patientinnen zusammenarbeiten. Die Patientinnen werden dabei von Haus- oder Frauenärzten zugewiesen. An der Tumorkonferenz nehmen unter anderem Gynäkologen, Radiologen, Pathologen, Strahlen- und Hämatoonkologen sowie medizinisches Pflegepersonal und gegebenenfalls weitere Berufsgruppen oder Disziplinen teil.
Die Therapie ist abhängig von Tumorstadium, -biologie sowie weiteren Patientenfaktoren, wie Alter, Vorerkrankungen, Vortherapien und Patientenpräferenzen. Die Therapie kann dann in der Klinik/Ambulanz oder in einer hämatoonkologischen Praxis erfolgen. Regelmäßige Vorstellungen in der onkologischen Abteilung sind die Voraussetzung für eine optimale Therapiebegleitung, Symptomkontrolle, Prognoseverbesserung und Lebensqualität der Patientinnen. Ergänzend zu den ärztlichen Aufklärungs- und Verlaufsgesprächen werden vertiefende Informationen und individuelle Fragestellungen in Pflegesprechstunden aufgegriffen, in denen speziell qualifizierte onkologische Pflegeexperten, Onko-Coaches oder Advanced Practice Nurses die kontinuierliche Versorgung über längere Zeit sicherstellen.
Die standardisierte Pflegeberatung ist bei den Patientinnen sehr angesehen und stellt eine sinnvolle Ergänzung zur ärztlichen Betreuung dar (8, 9). Im Rahmen einer strukturierten, pflegerischen Anamnese – die allgemeine, somatische, soziale, psychische und familiäre Aspekte umfasst – werden relevante Informationen erfasst, die eine individualisierte und fortlaufende Therapiebegleitung ermöglichen (Tabelle 2) (10).
Tabelle 2: Wichtige und praktische Informationen zur OTT aus Sicht der onkologischen Abteilung / © PZ
Dabei unterstützt auch das standardisierte Patiententrainingsprogramm MOATT, welches geeignet ist, um Therapieabbrüche zu senken und die Prognose zu verbessern und in vielen Studien zur OTT zum Einsatz kommt (11). Die Anbindung an Unterstützungsangebote wie Psychoonkologie, Ernährungsberatung, Bewegungsangebote, Sozialberatung, Komplementärmedizin und Informationsangebote können Patientinnen dabei helfen, ihre Therapietoleranz und -wirkung zu verbessern. Patientinnen erhalten umfassende Informationen zur sachgerechten Lagerung oraler Antitumortherapeutika, wie dem Schutz vor Hitze, Sonnenlicht und Feuchtigkeit. Zudem werden potenzielle Wechselwirkungen thematisiert, zum Beispiel zwischen CDK4/6-Inhibitoren und Grapefruitprodukten oder mit begleitender Medikation wie Antibiotika.
Das Verhalten bei therapieassoziierten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Fatigue, Diarrhö oder Fieber wird ausführlich erläutert (12).
Bestimmte pflanzliche Präparate und Nahrungsmittel können potenziell mit der Medikation interagieren, etwa grapefruithaltige Produkte. / © Getty Images/Gabriela D Costa
Eine unkomplizierte, interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Patientinnen, Ärzten, Pflegefachpersonen und Apothekenteams ist dabei essenziell, um Adhärenz und Arzneimitteltherapiesicherheit zu gewährleisten. Nur durch einen engen Austausch lassen sich Nebenwirkungen frühzeitig erkennen und adäquat managen. Dadurch lassen sich auch potenzielle Wechselwirkungen mit Eigenmedikation oder komplementär eingesetzten Präparaten vermeiden und so die Patientensicherheit und Lebensqualität erhöhen (Abbildung 3). Auch allgemeine und produktbezogene Unterstützungsmaterialien können so gedruckt, digital oder als App individuell und optimal eingesetzt werden.
Im Verlauf der Therapie werden in regelmäßigen Abständen Verlaufsgespräche mit dem onkologischen Team geführt, um die Adhärenz und Persistenz zu fördern und die Therapiebedürfnisse individuell zu begleiten. Apotheker und PTA stehen Patientinnen und dem Behandlungsteam über die gesamte Therapiedauer hinweg beratend zur Seite. Sie nehmen in der Betreuung der Patientinnen eine wichtige Funktion ein.
Abbildung 3: Interdisziplinäre, interprofessionelle und sektorübergreifende Zusammenarbeit in der OTT / © PZ
Krankenhaus- und öffentliche Apotheken sind ein zentraler Anlaufpunkt für Patientinnen. Ihr fachliches Wissen und ihre oft langjährige Nähe zu den Patientinnen machen sie zu wichtigen Ansprechpartnern bei der Unterstützung der onkologischen Sicherstellung von Arzneimitteltherapiesicherheit, Therapietreue und Lebensqualität. Dabei spielen neben Apothekern auch PTA eine bedeutende Rolle, die primäre Ansprechpartner sind.
Da OTT langfristig angewendet werden, unterstützen Apotheken Patientinnen oft über Jahre. Dabei kann die regelmäßige Dokumentation des subjektiven Befindens durch die Patientinnen wichtige Hinweise, zum Beispiel zur Verträglichkeit und zu unerwünschten Nebenwirkungen, liefern. Apotheker erkennen optimalerweise potenzielle Nebenwirkungen oder Risiken frühzeitig und besprechen diese mit dem ärztlichen Behandlungsteam.
Es gibt viele Beispiele, bei denen die Wechselwirkung von Medikamenten eine sehr wichtige Rolle spielt. Daher achten auch die Apotheker darauf, diese zu verhindern. Sie bieten gezielte Medikationsanalysen, strukturierte Beratungsgespräche und eine engmaschige Patientenbetreuung an. Apotheker erstellen individuelle Gesamtmedikationspläne, die neben der strukturierten Darstellung der Medikation auch Therapiepausen und Empfehlungen zur zeitlichen Trennung der Einnahme abbilden. Auch durch den gezielten Einsatz der Komplementärtherapie leisten Apotheker einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung des interprofessionellen Behandlungsteams.
Im Rahmen von berufsgruppenübergreifenden Fachvorträgen und Webinaren werden praxisnahe Inhalte vermittelt, um eine fachgerechte Begleitung und Beratung onkologischer Patientinnen zu gewährleisten. Fortbildungen und Qualifikationen ermöglichen allen Fachkräften nicht nur eine hohe Fachkompetenz, sondern auch die Übernahme von Verantwortung durch die Delegation bestimmter Tätigkeiten. Dabei müssen Vorbehalte und Hierarchien im Team abgebaut und alle Leistungen angemessen vergütet werden (13).