Pharmazeutische Zeitung online
Neue Arzneistoffe 2020

»Insgesamt ein guter Jahrgang«

Neues gegen Viren

Bulevirtid (Hepcludex® von Myr Pharmaceutivals) ist das erste zugelassene Medikament zur Behandlung einer chronischen Hepatitis-D-Virus (HDV-)Infektion bei Erwachsenen mit kompensierter Lebererkrankung. Diese gilt als schwerste Form der Virushepatitis und tritt immer zusammen mit Hepatitis B (HB) auf. »In Deutschland leben etwa 6000 HDV-Patienten – bei vermutlich hoher Dunkelziffer«, so der Referent.

Bulevirtid ist ein Peptid, dessen Struktur von L-HBs-Antigen, einem Hüllprotein von Hepatitis-B-Viren, abgeleitet ist. Es wirkt als Entry-Inhibitor, denn es bindet spezifisch an den Natrium-Taurocholat-Cotransporter (NTCP) und blockiert damit die Bindestelle für die Viren. Die gleichzeitige Anwendung von NTCP-Substraten, zum Beispiel einigen Statinen und Schilddrüsenhormonen, ist möglichst zu vermeiden. Appliziert werden einmal täglich 2 mg subkutan, meist in Kombination mit HBV-Medikamenten wie Tenofovir. Er erwarte eine baldige Indikationserweiterung, denn »das Wirkprinzip funktioniert auch bei der HBV-Infektion«, sagte Siebenand.

Auch bei einer anderen viralen Infektion gab es 2020 Fortschritte. Ibalizumab (Trogarzo® von Theratechnologies) ist der erste monoklonale Antikörper für Patienten mit multiresistenter HIV-1-Infektion. In Deutschland leben etwa 100 HIV-Patienten mit einer Vierklassen-Resistenz und Virämie. Ibalizumab wird möglichst mit anderen antiretroviralen Arzneistoffen kombiniert. Der humanisierte IgG4-Antikörper bindet an den CD4-Rezeptor auf T-Helferzellen, den HIV benutzt, um in die Wirtszellen einzudringen. Ibalizumab ist also ebenfalls ein Entry-Inhibitor. Da es nur an die Domäne 2 des CD4-Rezeptors bindet, werde die CD4-vermittelte Immunfunktion nicht beeinträchtigt, betonte der Referent. Nach einer Initialdosis werden alle zwei Wochen 800 mg intravenös infundiert. Die Firma arbeite bereits an einer subkutanen Applikationsform.

Für Patienten mit multiresistenter HIV-Infektion gibt es seit April 2021 noch eine Option: Fostemsavir (Rukobia® von ViiV Healthcare). Dies ist der erste HIV-1-Attachment-Inhibitor. Vorteilhaft ist die perorale Gabe: zweimal täglich eine Tablette à 600 mg.

Mit dem Zungenbrecher Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma® von Avexis), einer Gentherapie für Kinder mit spinaler Muskelatrophie, beendete Siebenand den Lauf durch die Innovationen des Jahres 2020. Während das Gentherapeutikum einmalig intravenös infundiert wird, ist Risdiplam (Evrysdi® von Roche), das im Mai 2021 auf dem Markt kam, peroral bioverfügbar.

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