Diuretika – Neue Errungenschaften |
06.12.2004 00:00 Uhr |
In der wichtigen Wirkstoffklasse der Diuretika gab es in Deutschland jahrelang keine neuen Arzneistoffe mehr. Nun scheint wieder Bewegung in diese Therapeutika-Gruppe zu kommen: Mit Eplerenon wurde kürzlich ein kaliumsparendes Diuretikum aus der Gruppe der Aldosteron-Antagonisten zugelassen, das sich durch eine verbesserte Selektivität und somit weniger Nebenwirkungen auszeichnet.
Vasopressin-V2- und Adenosin-A1-Rezeptor-Antagonisten befinden sich in der klinischen Prüfung. Als weitere potenzielle Targets werden im Folgenden unter anderem die Aquaporine diskutiert.
Die Entwicklung und der therapeutische Einsatz von Diuretika kann als Erfolgsgeschichte der Pharmazie und der Medizin des 20. Jahrhunderts betrachtet werden. Diuretika gehören in Deutschland heute zu den am häufigst verordneten Medikamenten. Sie führen zu einer verstärkten Ausscheidung von Harn und werden bei Erkrankungen wie Herz- und Niereninsuffizienz, Lungen- und Lebererkrankungen (hier unter anderem Leberzirrhose mit Aszites) beziehungsweise nephrotischem Syndrom, die mit Ödemen einhergehen, eingesetzt. Weitere Indikationsgebiete sind nicht-ödematöse Erkrankungen wie Hypertonie, Nierensteine, Diabetes insipidus und verschiedene Elektrolytstörungen (Kasten).
Krankheiten, die mit Ödemen einhergehen
Den hohen Nutzen von Diuretika bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinsuffizienz (1) und Hypertonie (2-4) belegen neuere klinische Daten und Meta-Analysen. Diuretika können ebenfalls bei Vergiftungen zur Anwendung kommen, um eine forcierte Diurese zu erreichen. Missbräuchliche Verwendung finden sie beispielsweise in Sportarten mit Gewichtsklassen zur schnellen Gewichtsreduktion, da sie innerhalb weniger Stunden zu einer Gewichtsabnahme von 1 bis 3 Kilogramm führen können.
Etablierte Klassen
Die etablierten Klassen von Diuretika unterscheiden sich durch unterschiedliche Angriffspunkte und Wirkungsmechanismen. Der Wirkmechanismus der wichtigsten Gruppen von Diuretika ist die Hemmung der Rückresorption von Natriumionen in den Nierentubuli.
Schleifen-Diuretika wie Furosemid (Lasix® et cetera ), Piretanid (Arelix®), Torasemid (Torem®, Unat® et cetera), Bemetanid (Burinex®) und Etacrynsäure (Hydromedin®) hemmen den Na+/K+/2 Cl--Kotransporter am dicken Teil der aufsteigenden Henle´schen Schleife. Sie führen zu einer verstärkten Sekretion von Natrium-, Kalium- und Chloridionen. Diese Klasse von Diuretika zeigt die stärksten diuretischen Effekte. Die meistverwendete, am besten untersuchte Standardsubstanz ist das Furosemid mit einem genau bekannten Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil. Das neuere Furosemid-Analoge Torasemid ist stärker wirksam und besitzt eine längere Wirkungsdauer - ob es Vorteile gegenüber Furosemid hat, wird kontrovers diskutiert (5). Erst die Zeit wird zeigen, ob es möglicherweise mit noch nicht bekannten, selteneren Nebenwirkungen einhergeht. Erfahrungen in der Praxis bleiben abzuwarten.
Thiazide wie Hydrochlorothiazid (Esidrix® et cetera), Xipamid (Aquaphor®), Clopamid (Briserin®, Viskaldix®) und Chlorthalidon (Hygroton®) hemmen den Na+/Cl--Kotransporter des frühen distalen Tubulus und des proximalen Sammelrohrs.
Kalium-sparende Diuretika sind die Aldosteron-Antagonisten Spironolacton (Osyrol®, Aldactone® et cetera) und Kaliumcanrenoat (Aldactone® Lösung et cetera), die am späten distalen Tubulus und am proximalen Sammelrohr angreifen und die Wirkung von Aldosteron und damit die Na+-Rückresorption kompetitiv hemmen.
Ebenfalls kaliumsparend sind die in verschiedenen Kombinationspräparaten enthaltenen Cycloamidin-Derivate Amilorid und Triamteren. Am spätdistalen Tubulus und am Sammelrohr bewirken auch sie eine direkte Hemmung von Na+-Kanälen. Diese Verbindungen werden ausschließlich in Kombinationspräparaten mit Schleifen- beziehungsweise Thiazid-Diuretika eingesetzt, da sie selbst nur schwach diuretisch wirksam sind.
Oft kombiniert
Überhaupt werden Diuretika mit verschiedenen Angriffspunkten häufig kombiniert, um die Dosis zu reduzieren und die diuretische Wirkung zu steigern. Als Nebenwirkungen der Diuretika bei Überdosierung können massive Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts wie Hypokaliämie und Hypomagnesämie (vor allem bei Schleifendiuretika und Thiaziden) oder aber Hyperkaliämie (bei Kalium-sparenden Diuretika) auftreten. Eine zu rasche Diurese kann zu einer Zunahme der Blutviskosität und damit zu einer erhöhten Thromboseneigung führen. Durch die Erhöhung des Blutharnsäurespiegels besteht die Gefahr der Auslösung eines Gichtanfalls. Schleifendiuretika und Thiazide verschlechtern außerdem die Glucosetoleranz. Auch kann es zu Auswirkungen auf den Lipidstoffwechsel kommen. Nebenwirkungen von Steroid-Diuretika (Spironolacton, Kaliumcanrenoat) können auf Grund einer antiandrogenen Wirkung Gynäkomastie und Impotenz beim Mann sowie Amenorrhoe und Hirsutismus bei der Frau sein.
Moderne Generation
Obwohl bereits seit vielen Jahren eine Reihe hoch wirksamer Diuretika zur Verfügung steht, befindet sich nunmehr eine neue Generation von Verbindungen mit zum Teil neuartigem Wirkungsmechanismus in der Entwicklung. Dies unterstreicht die große Bedeutung dieser Gruppe von Therapeutika und zeigt gleichzeitig, dass die klassischen Diuretika im Hinblick auf Nebenwirkungen wie zum Beispiel Störung der Kalium-Homöostase nicht unproblematisch sind. Mit fortschreitender Herzinsuffizienz kann darüber hinaus eine Diuretika-Unverträglichkeit bis hin zur Diuretika-Resistenz gegenüber Standard-Diuretika auftreten. Die Niere entwickelt hierbei kompensatorische Mechanismen, so zum Beispiel eine Verringerung der glomerulären Filtrationsrate, wodurch die Wirksamkeit der Diuretika abnimmt.
Im Folgenden soll eine Auswahl neuer Diuretika, die sich in der (prä-) klinischen Entwicklung befinden, vorgestellt werden. Während die klassischen Diuretika durch traditionelle Methoden, das heißt durch Untersuchung neuer Verbindungen direkt im Tierversuch gefunden wurden, stellt heutzutage die Kenntnis der molekularen Wirkmechanismen als Basis weiterer Forschungen die Grundlage für die Entwicklung besser wirksamer Diuretika dar.
Neue Aldosteron-Antagonisten
Aldosteron ist ein Steroid, das wie Cortisol in der Nebennierenrinde produziert wird. Es ist ein Schlüsselhormon im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), welches an der Blutdruckregulation beteiligt ist. Bei Patienten mit Bluthochdruck und Herzinsuffizienz sind die Aldosteron-Spiegel erhöht. Aldosteron bindet an epitheliale Mineralcorticoid-Rezeptoren, die eine ähnliche Struktur wie nukleäre Rezeptoren aufweisen. Der Aldosteron-Rezeptor-Komplex wirkt als Transkriptionsfaktor und induziert die Synthese spezifischer Proteine. Die Zahl und die Permeabilität der Na+-Kanäle im distalen Tubulus und im Sammelrohr wird durch Aldosteron gesteuert. Eine Überproduktion führt zu erhöhtem Blutdruck und zur Na+- und Wasser-Retention, während K+ verstärkt ausgeschieden wird.
Spironolacton ist ein nicht-selektiver kompetitiver Antagonist des Mineralcorticoid-Rezeptors. β-Elimination, also Abspaltung der Thioacetat-Gruppe, Lactonringöffnung: Die Untersuchung des Metabolismus des Spironolactons führte zu dem besser wasserlöslichen Canrenoat. Canrenoat ist der Metabolit des Spironolactons, der für die pharmakologische Wirkung verantwortlich ist. Auf Grund der geringen Selektivität gegenüber anderen Steroid- und hier zum Beispiel Androgen- und Östrogen-Rezeptoren beobachtet man die bereits beschriebenen Nebenwirkungen Cyclusstörungen und Hirsutismus bei der Frau und Gynäkomastie bis hin zur Impotenz beim Mann.
Aldosteron-Antagonisten sind gut wirksam bei Leberzirrhose und nephrotischem Syndrom, da bei diesen Erkrankungen ein hoher Aldosteron-Spiegel vorliegt. Bei Langzeitgabe wird ein milder antihypertensiver Effekt beobachtet.
In den vergangenen Jahren hatte Spironolacton ein überraschendes Comeback als wirksames Therapeutikum bei Herzinsuffizienz. In der Randomized Aldactone Evaluation (RALES)- Studie wurde mehr als 1600 herzinsuffizienten Patienten zusätzlich zur Standardtherapie, bestehend aus ACE-Inhibitor, Schleifendiuretikum und meist noch Digoxin, entweder Spironolacton (25 mg) oder Placebo gegeben (6). Die Studie wurde aus ethischen Gründen frühzeitig abgebrochen, da die Spironolacton-Gruppe mit 30 Prozent weniger Todesfällen wesentlich besser abschnitt als die Kontrollgruppe (6).
Auf Grund der bereits genannten Nebenwirkungen, die durch die gleichzeitige Aktivierung von Sexualhormon-Rezeptoren hervorgerufen werden, wurde versucht, selektivere Antagonisten für den Mineralcorticoid-Rezeptor zu entwickeln. Ein Spironolacton-Analoges, das Eplerenon (Inspra®), zeigt zwar geringere Affinität zum Mineralcorticoid-Rezeptor als die Muttersubstanz, auf Grund des Austausches der 7a-Thioacetyl-Gruppe durch einen Carboxymethylat-Rest und die Einführung einer Epoxidgruppe ist die Verbindung jedoch wesentlich selektiver gegenüber anderen Steroid-Rezeptoren (7). Somit sind Nebenwirkungen wie Zyklusstörungen, Hirsutismus, Gynäkomastie und Impotenz geringer.
Die Substanz zeigt Studien gemäß eine gute Bioverfügbarkeit und weist mit circa 50 Prozent eine geringe Plasmaprotein-Bindung auf. Eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme hat keine Auswirkung auf die Resorption. Die Metabolisierung erfolgt über das Enzym P450 (CYP) 3A4, es wurden keine aktiven Metaboliten nachgewiesen. Wechselwirkungen mit CYP3A4-Inhibitoren wie Ketoconazol und Saquinavir sind zu erwarten. Hauptnebenwirkung ist eine Hyperkaliämie, damit ist die Gefahr von Herzrhythmusstörungen gegeben (7). Zurzeit befinden sich mehrere neue, selektive Aldosteron-Antagonisten in der Entwicklung.
A1-Adenosinrezeptor-Antagonisten
Adenosin, der physiologische Agonist an Adenosinrezeptoren, wirkt antidiuretisch. Es existieren vier verschiedene Adenosinrezeptor-Subtypen: A1, A2A, A2B und A3. A1- und A2A-Rezeptoren werden in der Regel bereits durch geringe, nanomolare Adenosinkonzentrationen, also tonisch aktiviert, während die beiden niedrig affinen Subtypen A2B und A3 hohe, mikromolare Adenosinkonzentrationen, wie sie zum Beispiel unter hypoxischen oder inflammatorischen Bedingungen auftreten, zur Aktivierung benötigen.
Die antidiuretische Wirkung des Adenosins wird über den A1-Rezeptor-Subtyp vermittelt. Blockade des tonisch aktivierten A1-Rezeptors im proximalen Tubulus der Niere ruft eine diuretische Wirkung hervor (8). Der A1-Adenosinrezeptor in der Niere ist Gi-Protein-gekoppelt; Antagonisten bewirken einen Anstieg der intrazellulären cAMP-Konzentration, was zu einer Hemmung des Na+/HCO3--Cotransporters in der basolateralen, also der Blutseite zugewandten Membran des Nephrons führt. Wahrscheinlich kommen weitere Effekte hinzu (8).
Dieser A1-Adenosinrezeptor-Antagonismus liegt der diuretischen Wirkung der bekannten Xanthin-Alkaloide Coffein und Theophyllin zu Grunde. Die beiden Naturstoffe sind allerdings nicht selektiv für den A1-Adenosinrezeptor. Darüber hinaus sind sie ZNS-gängig und bewirken über eine Blockade von A1- und A2A-Adenosinrezeptoren im Gehirn eine ZNS-Stimulation, der Hauptgrund für die weite Verbreitung Coffein-haltiger Genussmittel wie Kaffee, Tee und Cola (9).
In den letzten Jahren wurden A1-selektive Adenosinrezeptor-Antagonisten als Diuretika entwickelt (9). Es wurde darauf geachtet, dass die Verbindungen eine möglichst hohe Affinität zum A1-Rezeptor aufweisen und möglichst selektiv für diesen Subtyp sind. Ein weiteres Kriterium war eine günstige Pharmakokinetik, das heißt gute perorale Resorption, hohe Konzentrationen in der Niere und möglichst keine oder nur geringe Penetration in das ZNS. Es wurden sowohl Xanthin-Derivate wie zum Beispiel BG-9719 und BG-9928, als auch Nicht-Xanthin-Derivate wie zum Beispiel FK-838 mit den geforderten Eigenschaften entwickelt.
Tierversuche und erste klinische Studien zeigen, dass selektive A1-Adenosinrezeptor-Antagonisten am proximalen Tubulus angreifen und dort die Na+- und Wasser-Ausscheidung verstärken. Die Kalium-Ausscheidung wird weder positiv noch negativ beeinflusst. Das wird als großer Vorteil dieser Verbindungsklasse gewertet, denn alle bisher in Deutschland verfügbaren Diuretika stören die Kaliumhomöostase, indem sie die Kaliumausscheidung vermindern oder erhöhen. Die Gefahr einer Hyperurikämie ist geringer als unter Furosemid. Im Gegensatz zu den Schleifendiuretika wird keine Abnahme der glomerulären Filtrationsrate im Laufe der Therapie beobachtet. Effekte auf Blutdruck und Herzfrequenz sind gering. Adenosin-A1-Rezeptor-Antagonisten wirken protektiv gegen Glycerol- beziehungsweise Cisplatin-induziertes akutes Nierenversagen (8).
Die Wirkungsmechanismen pflanzlicher Diuretika, wie Schachtelhalmkraut (Equiseti herba), Birkenblätter (Betulae folium), Orthosiphonblätter (Orthosiphonis folium), Riesengoldrutenkraut (Solidaginis gigantae herba), Petersilienblätter (Petroselini folium), Löwenzahnkraut (Taraxaci herba) und Brennnesselkraut (Urticae herba), sind bisher nicht genau bekannt. Unsere Arbeitsgruppe konnte kürzlich zeigen, dass einige diuretisch wirksame Pflanzenextrakte zum Beispiel aus Birkenblättern oder Brennnesselkraut ihre Wirkung vermutlich über eine Blockade von Adenosin-A1-Rezeptoren vermitteln. Als aktive Inhaltsstoffe wurden Flavonoide identifiziert (10).
Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten
Vasopressin (synonym: Adiuretin, Antidiuretisches Hormon) ist ein zyklisches Nonapeptidhormon, das im Hypophysenhinterlappen gebildet wird. Eine Funktion des Vasopressins ist die Harnkonzentrierung im distalen Tubulus und im Sammelrohr. Dort findet die Feinregulierung der Harnausscheidung statt. Die antidiuretische Wirkung wird über den dort exprimierten Vasopressin-V2-Rezeptorsubtyp vermittelt. Aktivierung des V2-Rezeptors bewirkt kurzfristig und schnell eine Translokation des Aquaporins AQP-2 von intrazellulären Vesikeln in die apicale, also harnseitige Zellmembran. Zudem wird die Expression des AQP-2 stimuliert. Hier handelt es sich um einen langsamen Effekt (11).
Ebenfalls über V2- Rezeptoren vermittelt, stimuliert Vasopressin darüber hinaus den Na+K+2 Cl--Kotransport im aufsteigenden Ast der Henle'schen Schleife. Bei Vasopressin-Mangel tritt das Krankheitsbild des Diabetes insipidus auf, bei dem täglich zwischen zehn und fünfzehn Liter Urin ausgeschieden werden. Selektive Vasopressin-V2-Rezeptor-Antagonisten wie Tolvaptan wurden entwickelt und in Tiermodellen sowie ersten klinischen Studien getestet. Tolvaptan erwies sich als aquaretisch, das heißt es erhöht lediglich die Ausscheidung von Wasser, während Elektrolyte zurückgehalten werden und zu einer Erhöhung der Plasma-Natrium-Spiegel führen. Hauptnebenwirkung war gesteigerter Durst. Diese Verbindung und weitere Vasopressin-Antagonisten werden zurzeit als neue potenzielle Therapeutika für Herzinsuffizienz entwickelt. Weitere klinische Studien sind abzuwarten, um das Potenzial der Verbindungsklasse einschätzen zu können (8).
Aquaporin-Inhibitoren
Bereits 400 v. Chr. wandte Hippokrates metallisches Quecksilber als Diuretikum an. Paracelsus (1493-1541) setzte Kalomel (Hg2Cl2) als Laxans und Diuretikum ein, allerdings zeigte die schwer lösliche Verbindung auf Grund geringer Resorption nur eine schlechte und stark schwankende diuretische Wirkung.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (circa 1920 bis 1950) waren Quecksilber-organische Verbindungen die wichtigste Klasse von Diuretika, jedoch wiesen sie eine schlechte orale Bioverfügbarkeit auf und wurden deshalb meist parenteral eingesetzt. Außerdem sind sie hochtoxisch. Die diuretische Wirkung beruht auf der Bindung von Hg2+ an SH-Gruppen von Proteinen im Nephron. Nach neuesten Erkenntnissen werden insbesondere Aquaporine (AQP) gehemmt. Durch Punktmutationsstudien konnte ein Cystein-Rest in AQP-1 identifiziert werden, welcher sich nahe der extrazellulären Seite der Zellmembran befindet und dessen Reaktion mit Hg2+ zu einer Blockade der Wasserpore führt (11,12).
Aquaporine sind Proteine, die für den Transport von Wasser durch Wasserporen von Zellmembranen zuständig sind. Für deren Entdeckung erhielt Peter Agre 2003 den Nobelpreis für Chemie. In Säugetieren gibt es mindestens zehn verschiedene Aquaporine (11,12).
In der Niere wurden die Subtypen Aquaporin AQP-1, -2, -3 und -4 nachgewiesen. AQP-1 wird im proximalen Tubulus und der absteigenden Henle'schen Schleife exprimiert, während der aufsteigende Ast der Henle'schen Schleife keine Aquaporine enthält und daher Wasser undurchlässig ist. Überraschenderweise zeigen Mäuse und auch Menschen, die auf Grund genetischer Defekte AQP-1-Protein nicht exprimieren, keine Nierenfunktionsstörungen (12).
AQP-2, -3 und -4 werden im Sammelrohr exprimiert. Während AQP-3 und -4 wahrscheinlich konstitutiv in der basolateralen Zellmembran exprimiert werden und den Wasseraustritt in das Interstitium vermitteln, befindet sich AQP-2 auf der apikalen, also luminalen Seite sowie in cytosolischen Speichervesikeln.
Vasopressin (Adiuretin), ein antidiuretisches Peptidhormon, bewirkt über Aktivierung des Vasopressin-V2-Rezeptors eine Erhöhung der intrazellulären cAMP-Konzentration, die wiederum zu einer Aktivierung der Proteinkinase A (PKA) führt. Diese phosphoryliert AQP-2 an einem Serinrest (Ser-256) und stimuliert dadurch den Transport von AQP-2 zu den Zellmembranen. Dadurch wird die Rückresorption von Wasser gesteigert. Gleichzeitig wird die AQP-2-Expression über einen cAMP-abhängigen Transkriptionsfaktor CREB (cAMP response element binding protein) stimuliert.
Genetische Defekte im AQP-2 können zum nephrogenen Diabetes insipidus führen, der resistent ist gegen eine Adiuretin-(Vasopressin-)Stimulation. Wie bereits beschrieben, werden bei dieser Erkrankung zehn bis fünfzehn Liter Urin pro Tag auf Grund einer unvollständigen Rückresorption im Sammelrohr gebildet. Ein weiterer Grund für Diabetes insipidus kann in einem genetischen Defekt des Vasopressin-V2-Rezeptorgens liegen.
Hemmstoffe der Aquaporine könnten als neuartige Diuretika entwickelt werden, die ausschließlich den Wasserhaushalt beeinflussen, ohne Effekte auf den Ionentransport zu haben.
Inhibitoren des ANP-Abbaus
Das aus 28 Aminosäuren bestehende atriale natriuretische Peptid (ANP) wirkt natriuretisch, diuretisch und gefäßerweiternd und vermindert die Renin- und Aldosteron-Spiegel. Endopeptidase-Inhibitoren, die den Abbau dieses Peptids verhindern und dadurch seine Wirkung verlängern, werden als neuartige Diuretika diskutiert (8). Festzuhalten bleibt: Durch Aufklärung der molekularen Wirkungsmechanismen der klassischen Diuretika sowie die Entdeckung und Charakterisierung neuer Zielstrukturen ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, noch weitere und gegebenenfalls effektivere Wirkstoffe zu gewinnen.
Literatur
Die Autorin
Christa E. Müller studierte von 1980 bis 1983 Pharmazie an der Universität Tübingen, bevor sie von 1983 bis 1984 ihr Pharmaziepraktikum in Stuttgart machte. Von 1985 bis 1988 widmete sie sich ihrer Promotion im Fach Pharmazeutische Chemie an der Universität Tübingen bei Prof. H. J. Roth mit der chemisch-präparativen Arbeit zum Thema "Synthese und Eigenschaften chiraler Amphiphile und liposomaler Prodrugs mit unsymmetrisch substituierter Disulfidbrücke". Es folgten 1989/90 und 1992 Auslandsaufenthalte im Laboratory of Bioorganic Chemistry (Dr. J. W. Daly) der National Institutes of Health (NIH) in Bethesda, Maryland, USA, mit einem Postdoktorandenstipendium der DFG beziehungsweise einem Forschungsstipendium des National Cancer Institute (NCI), USA. 1994 habilitierte sich Müller für das Fach Pharmazeutische Chemie an der Universität Tübingen mit einer Arbeit zum Thema "Adenosinrezeptor-Antagonisten: Synthese, In-vitro-Testung, Struktur-Wirkungs-Beziehungen". Von 1994 bis 1998 war sie Professorin (C3) für Pharmazeutische Chemie an der Universität Würzburg. Seit 1. Oktober 1998 ist Müller Professorin (C4) für Pharmazeutische Chemie der Universität Bonn, an der sie von 2001 bis 2004 auch Prorektorin für Planung und Finanzen war. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Wirkstoffentwicklung (Synthese, Analytik, molekulare Pharmakologie) sowie die Findung von Zielstrukturen (Purin- und Pyrimidin-Rezeptoren).
Anschrift der Verfasserin:
Professor Dr. Christa E. Müller
Pharmazeutisches Institut
Pharmazeutische Chemie Poppelsdorf
Kreuzbergweg 26
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