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Genlänge bestimmt Depressionsrisiko

18.08.2003  00:00 Uhr

Genlänge bestimmt Depressionsrisiko

von Dagmar Knopf, Berlin

Unterschiede in einem einzigen Gen erklären, warum manche Menschen schwere Schicksalsschläge besser verkraften als andere, die daraufhin in tiefe Depressionen stürzen.

Arbeitslosigkeit, Geldsorgen, Krankheit oder gar der Verlust eines geliebten Menschen: Vor schweren Schicksalsschläge ist niemand sicher. Besonders wenn mehrere solcher Ereignisse innerhalb kurzer Zeit zusammentreffen, fühlen sich viele Menschen in ihren Grundfesten erschüttert.

Sie fallen in tiefe Depressionen, verlieren jegliche Motivation und Energie, kämpfen nachts um den Schlaf und quälen sich manchmal sogar mit Selbstmordgedanken. Nach Aussage der Weltgesundheitsorganisation WH0 leiden weltweit 121 Millionen Menschen an Depressionen, mit zunehmender Tendenz. Setzt sich der Trend fort, wird die Depression bis zum Jahr 2020 die häufigste Krankheit sein.

Doch nicht alle Menschen trifft es so hart. Erstaunlicherweise stecken manche die Schicksalsschläge mit stoischer Gelassenheit weg. Einen Faktor für die unterschiedlichen Reaktionen auf ähnliche Situationen haben Wissenschaftler des King´s College London identifiziert (Science, Band 301, Seite 386 bis 389). Das Forschungsteam von Terrie Moffitt vermutete auf Grund von Tierversuchen mit Mäusen und Affen bereits einen Zusammenhang zwischen Depression und einem Transportmolekül für den Botenstoff Serotonin. Serotonin scheint bei depressiven Menschen in geringerer Konzentration im Gehirn zur Verfügung zu stehen als bei nicht Betroffenen.

Dass es tatsächlich eine Korrelation zwischen Transportermolekül und Depression gibt, zeigte sich nun bei der Auswertung einer langjährigen neuseeländischen Studie. Die Dunedin Multidisciplinary Health and Development Study beobachte das gesundheitliche Leben von 1000 Neuseeländern, die in den Jahren 1972 und 1973 geboren wurden. Bei 847 der Probanden untersuchten Moffitt und ihre Kollegen das Gen für das Transportprotein.

Gen in Varianten

Hierbei zeigte das Gen 5-HTT zwei Varianten: Es kommt in einer kurzen und in einer langen Form vor. 265 Personen hatten von beiden Eltern die lange Version des Gens geerbt, während 147 zwei kurze Varianten besaßen. Der Großteil hatte eine Mischung von jeweils einer kurzen und einer langen Genvariante im Erbgut und war somit mischerbig für das Transporterprotein.

Getroffen hatte das Schicksal die Neuseeländer unabhängig von ihren Genen. Zwischen ihrem 21. und 26. Lebensjahr hatte rund ein Viertel einen schweren Schicksalsschlag wie Verlust des Arbeitsplatzes, Trennung oder schwere Krankheit erlitten. 15 Prozent von ihnen mussten sogar vier oder mehr Schicksalsschläge ertragen. Dabei spiegelte die neuseeländische Gruppe die Normalverteilung wider. 17 Prozent der Studienteilnehmer litten zumindest einmal an Depressionen, drei Prozent quälten sich mit Selbstmordgedanken.

Als Moffitt und ihr Team die Genausstattung im Zusammenhang mit den Depressionen untersuchte, erlebten die Wissenschaftler eine Überraschung. Die mischerbigen Genträger mit mehreren Schicksalsschlägen wurden zu rund einem Drittel depressiv. Wer zwei lange Gene geerbt hatte, zeigte sich wesentlich robuster. Nur 17 Prozent bekamen eine Depression. Weniger Glück mit ihren Genen haben diejenigen mit zwei kurzen Genen für 5-HTT. Bei ihnen schnellte die Depressionsrate auf 43 Prozent, also auf das 2,5fache.

Keineswegs haben sie ein Gen gefunden, das als Ursache klinischer Depressionen gelten kann, betonen jedoch Moffitt und ihre Mitarbeiter. Stattdessen bietet die günstige Version zweier langer Gene für 5-HTT lediglich einen möglichen Schutz, sodass sich Depressionen seltener als Reaktion auf Schicksalsschläge entwickeln.

Auch sind sich die Forscher bis jetzt noch nicht sicher, wie Stress die Regulation des Gens oder direkt das Transportprotein beeinflusst. Die Aufgabe des Transporters besteht darin, das zwischen den Nervenzellen als Botenstoff dienende Serotonin nach Gebrauch zurück in die Nervenzelle zu bringen. Wer eine kurze Genvariante geerbt hat, muss mit einem weniger aktiven Transporter auskommen. Stressvolle Situationen könnten, so eine Vermutung, zu einem Mangel am Botenstoff in den Nervenzellen und so zu einer schwermütigen Verstimmung führen. Top

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