Inclisiran halbiert LDL-Cholesterol-Werte |
LDL-Cholesterol bindet an LDL-Rezeptoren auf der Oberflächen von Hepatozyten und wird so ins Zellinnere eingeschleust. Der LDL-Spiegel im Blut sinkt. / Foto: Adobe Stock/Juan Gärtner
Inclisiran (Leqvio® 284 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Novartis Pharma) ist bei Erwachsenen mit primärer, heterozygot familiärer und nicht familiärer Hypercholesterolämie oder gemischter Dyslipidämie zusätzlich zu einer diätetischen Therapie zugelassen. Es wird kombiniert mit einem Statin und anderen lipidsenkenden Therapien bei Patienten, die mit der maximal tolerierten Statin-Dosis die Zielwerte für LDL-Cholsterol (LDL-C) nicht erreichen. Bei Intoleranz oder Kontraindikationen gegen ein Statin kann Inclisiran auch allein oder kombiniert mit anderen lipidsenkenden Therapien eingesetzt werden.
Wie der Name schon andeutet, besteht Inclisiran aus einer doppelsträngigen siRNA (Oligonukleotid), die chemisch an mehreren Stellen modifiziert ist. Zudem sind drei N-Acetylgalactosamin-Zuckereinheiten (triantennäres GalNAc) angefügt. Mit diesen terminalen Zuckerresten bindet der Wirkstoff selektiv an den Asialoglykoprotein-Rezeptor (ASGPR) auf Hepatozyten und wird in der Folge gezielt in die Leberzellen aufgenommen. Im Zellinneren verbindet sich Inclisiran mit der mRNA des PCSK9-Gens und verhindert damit, dass das Gen in das Protein PCSK9 (Proprotein-Konvertase Subtilisin/Kexin Typ 9) übersetzt wird. Diesen Mechanismus nennt man RNA-Interferenz. In der Folge entsteht weniger PCSK9-Protein (Grafik).
Inclisiran besteht aus siRNA, die an drei Zuckerreste gebunden ist. Nach Bindung an den Asialoglykoprotein-Rezeptor auf Hepatozyten (oben rechts) wird der Arzneistoff in die Leberzelle aufgenommen. Im Zellinneren wird die siRNA freigesetzt. Deren Guide-Strang verbindet sich mit der mRNA des PCSK9-Gens (unten) und verhindert die Bildung von PCSK9. / Foto: Stephan Spitzer
Somit greift der neue Wirkstoff in die gleiche Signalkaskade ein wie die 2015 eingeführten monoklonalen Antikörper Alirocumab (Praluent®, Sanofi/Regeneron) und Evolocumab (Repatha®, Amgen). Diese blockieren die Wirkung des extrazellulären PCSK9-Proteins. Warum ist dieses Target so interessant? PCSK9 ist ein wichtiger Regulator der LDL-Rezeptordichte auf der Oberfläche von Hepatozyten. Es bindet wie LDL-C an LDL-Rezeptoren und wird als Komplex in die hepatische Zelle aufgenommen. Allerdings werden die PCSK9-Rezeptor-Komplexe intrazellulär vollständig abgebaut, sodass weniger LDL-Rezeptoren an der Zelloberfläche zur Verfügung stehen, die LDL-C aus dem Blut aufnehmen könnten. In der Folge steigt der LDL-Serumspiegel.
Blockiert man nun die Neusynthese von PCSK9 mit Inclisiran oder dessen Wirkung mit einem monoklonalen Antikörper, steigt die Zahl der LDL-Rezeptoren auf der Oberfläche der Hepatozyten an und der LDL-Spiegel im Blut sinkt. Fazit: Sowohl das siRNA-Therapeutikum als auch die Antikörper Evolocumab und Alirocumab wirken als PCSK9-Inhibitoren. Beides zu kombinieren, ist also nicht sinnvoll.
Die empfohlene Dosis beträgt 284 mg Inclisiran als subkutane Injektion zu Behandlungsbeginn, nach drei Monaten und danach alle sechs Monate. Gespritzt wird in den Bauch, Oberarm oder Oberschenkel. Die Applikation soll medizinisches Fachpersonal vornehmen; es ist keine Selbstanwendung vorgesehen. Wurde eine Dosis um weniger als drei Monate versäumt, sollte das Medikament verabreicht und die Behandlung nach dem ursprünglichen Zeitplan fortgesetzt werden. Ist das Säumnisintervall länger, sollte man einen neuen Behandlungsplan beginnen: eine Dosis zu Beginn, nach drei und dann nach sechs Monaten.
Bei älteren Patienten sowie bei Leber- und Niereninsuffizienz ist keine Dosisanpassung nötig. Bei schweren Funktionsstörungen ist jedoch Vorsicht geboten.