Hennrich erwartet Druck aus Europa |
Michael Hennrich (CDU) gibt nicht auf: Er sieht noch immer eine Chance, die Importquote loszuwerden. Denn jetzt könnte Brüssel Druck machen. / Foto: PZ/Zillmer
Sie bringt kaum Einsparungen, dafür aber jede Menge bürokratischen Aufwand: Die Importförderklausel stand im ersten Entwurf des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) noch auf der Abschussliste. Doch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stolperte über das Veto seines Parteikollegen Peter Altmaier und konnte letztlich nur eine Neustaffelung der Quote erwirken. Hintergrund ist offenbar ein Kontakt zwischen Bundeswirtschaftsminister Altmaier und dem Reimporteur Kohlpharma, der seinen Sitz im Wahlkreis des Ministers in Saarlouis hat.
Der Arzneimittelexperte der CDU, Hennrich, ließ bei der Berliner Runde des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) gestern in Berlin durchblicken, dass er für die Quote wenig Sympathie übrig hat. Eine Chance, die Importförderklausel loszuwerden, sieht er darin, dass die EU-Kommission das Lieferengpass-Chaos jetzt anpacken will. »Ich kann mir vorstellen, dass da von europäischer Seite jetzt mehr Druck kommt«, sagte er. Mit dem Thema verbinde er eine »lange Leidensgeschichte«. Es sei ein erster wichtiger Schritt, dass Biologika inzwischen aus der Quote ausgenommen seien. »Ob wir zu weiteren Regelungen kommen, hängt davon ab, woher der nächste Wirtschaftsminister kommt«, witzelte Hennrich.
Kritik am Parallelhandel äußerte auch Thomas Müller, Leiter der Abteilung Arzneimittel im Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Arzneimittelknappheit werde im Zuge der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 eines der Top-Themen sein, kündigte er an. Dabei werde man auch den Parallelhandel im Medikamentensektor im Blick haben. Ihn ganz abzuschaffen, hält Müller für nicht umsetzbar, man werde aber deutliche Einschränkungen erwägen.
Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Fritz Becker, unterstrich noch einmal, er fordere die Abschaffung der Klausel nach wie vor »ohne Wenn und Aber«. Was die Lieferengpässe betrifft, freue er sich, dass das Problem nun auf allen Ebenen angegangen werde. Die Apotheker seien im Arbeitsalltag zunehmend nicht nur mit verzweifelten Patienten, sondern auch mit verzweifelten Ärzten konfrontiert, denen es – wie nun am Beispiel Venlafaxin deutlich werde – inzwischen mehr und mehr an Optionen für einen medizinisch vertretbaren Austausch mangele. Für den immensen Mehraufwand, der aus den Engpässen folgt, forderte der DAV-Chef ein Honorar für die Offizinen. »Das könnte man ganz leicht mit der Nichtverfügbarkeits-PZN verknüpfen«, schlug er vor.
Die Venlafaxin-Misere treibt auch den Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, um. Die betroffenen Patienten umzustellen, sei für die Psychiater extrem aufwendig und aus medizinischer Sicht sehr bedenklich. Er selbst habe während seiner Tätigkeit als Hämatologe im Krankenhaus regelmäßig Erfahrungen mit Lieferengpässen gemacht und wisse, wie sehr es die Menschen verunsichere, wenn etwa eine geplante Stammzelltransplantation verschoben werden müsse, weil ein notwendiges Medikament nicht zu bekommen sei. In diesem Zusammenhang lobte er »das Geschick und Organisationstalent« der Krankenhausapotheker, die in vielen Fällen die Folgen der Engpässe abfederten.
Als einziger Diskutant auf dem Podium sah der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Johannes Bauernfeind, das Problem nicht. Der Amtsnachfolger von Christopher Hermann, der sich zum Jahreswechsel in den Ruhestand verabschiedet hatte, rechnete vor, dass jede Offizin in Deutschland statistisch lediglich zwei- bis dreimal täglich auf einen Lieferengpass reagieren müsse und ein Medikament nicht wie verordnet abgeben könne. »Das ist in der Relation sehr wenig«, so Bauernfeind. Damit bleibt die AOK ihrer Linie treu und verweist die vermeidliche Arzneimittelknappheit ins Reich der Märchen.