Graue: E-Rezept-Einführung birgt Retax-Risiken |
Cornelia Dölger |
06.09.2022 15:30 Uhr |
Laut SPD-Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach sei die Übermittlung per SMS und E-Mail bis zur Einführung der NFC-fähigen EGK aber durchaus weiterhin geplant, zumindest gebe es entsprechende Medienberichte, so Graue weiter. Lauterbach sei dazu mit Datenschützern im Gespräch – allerdings vergesse er dabei offenbar, dass die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) »sich auch subsidiär nicht so leicht aushebeln lässt, denn diese räumt nationalen Gesetzgebern lediglich weitere Beschränkungen, aber keine Erweiterungen ein«. Für das nicht-öffentliche Recht seien die Unabhängigen Landesdatenschützer zuständig »und diese werden keinen weiteren Rechtsbruch zulassen«, betonte Graue und wandte sich direkt an Lauterbach: »Lassen Sie daher der Bärendienste genug sein, Herr Minister!«
In den Zusammenhang mit dem E-Rezept stellte Graue in seiner Rede auch die Verhinderung von Retaxierungen, denn bei der Einführung der digitalen Verordnung drohten »vielfältige Retax-Gefahren«, was oft unterschätzt werde. Begonnen bei der Frage der europarechtlichen Gültigkeit der Quittungssignatur, setze sich die Reihe fort »bei dem versehentlichen Auseinanderfallen von verordnendem und signierendem Arzt, der falschen Schreibweise des Kostenträgers, der Abweichung vom Artikelstamm und der möglichen Änderung des Zuzahlungsstatus‘ des Patienten zwischen Ausstellung und Einlösung des Rezeptes«. Diese Aufzählung sei »noch nicht einmal vollständig«. Gingen hierbei durch eine drohende Retax-Welle weitere wirtschaftliche Ressourcen verloren, sei dies »nicht mehr hinzunehmen«.
Als »unentbehrliche Schnittstelle unseres Gesundheitswesens« bezeichnete der NARZ-Vorstandsvorsitzende in diesem Zusammenhang die Rechenzentren. Sie seien »ein verlässlicher Basisbaustein funktionierender Arzneimittelversorgung« und könnten niemals durch eine Direktabrechnung ersetzt werden. Dass durch die AvP-Pleite das Vertrauen in die Zentren »kurzzeitig erschüttert« wurde, habe die Politik auf den Plan gerufen und zu der verbindlichen Anordnung geführt, gesonderte Treuhandkonten einzurichten – übrigens »ein System, das wir im NARZ schon seit Jahrzehnten umsetzen, um unsere Mitglieder vor allen insoweit drohenden Gefahren zu schützen«, betonte Graue.
Grundlegend hierfür sei eine »solide Finanzpolitik«, wie sie im mitgliedergetragenen Vereinskonstrukt des NARZ vorhanden sei. Es gelte, Rücklagen dort einzusetzen, »wo sie für das einzelne Mitglied Wirkung entfalten«, anstatt zum Beispiel zu versuchen, per Auslobung von Genussscheinen Kapital zu beschaffen, wie es unlängst »ein großes Rechenzentrum« – gemeint ist Noventi – erfolglos vorgeführt habe. »Wir betreiben eben keine auf Gewinnmaximierung oder Befriedigung von Renditeinteressen ausgerichtete Expansionspolitik«, so Graue.
Der langjährige NARZ-Vorstandsvorsitzende bezeichnete seine Aufgabe als »Herzensangelegenheit« und bewarb sich bei der Mitgliederversammlung am vergangenen Samstag erneut für das Amt. Graue als Vorstandsvorsitzender sowie die Beisitzer Andreas Haese, Birger Peters und Ulf Siuts wurden jeweils einstimmig für weitere drei Jahre gewählt.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.