Geldstrafe für Bellartz |
Jennifer Evans |
10.04.2019 15:54 Uhr |
Das Urteil und die Beweiswürdigung führten die Richter heute vor dem Berliner Landgericht sehr ausführlich aus. / Foto: Adobe Stock/Stefan Yang
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, aber die Richter sind überzeugt davon, dass die beiden Angeklagten zwischen 2009 und 2012 gemeinsam Daten aus E-Mail-Postfächern von BMG-Mitarbeitern ausgespäht haben. Zugegriffen hat der IT-Fachmann H. demnach auch auf persönliche Konten, unter anderem von hochrangigen Personen im Ministerium wie die ehemaligen Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler und Daniel Bahr (beide FDP). Bellartz habe H. zuvor entsprechende Namen genannt und für die später gelieferten Datenkopien jeweils Beträge zwischen 400 und 600 Euro gezahlt. Insgesamt seien mindestens 18.600 Euro zusammengekommen.
Profitiert von der Tat hat nach Auffassung der Richter in erster Linie Bellartz‘ Onlinedienst Apotheke Adhoc, für den der Angeklagte seinen Informationsvorsprung im Hintergrund nutzen konnte. Das Gericht geht aber davon aus, dass auch die ABDA Vorteile von Bellartz' Hintergrundwissen hatte. Der Vorsitzende Richter nannte Themen, die seinerzeit aktuell waren, wie etwa die Apothekenbetriebsordnung, Regelungen zum Versandhandel sowie die Vergütung von Notdiensten. Jedoch meinen die Richter, dass die ABDA »nicht gewusst hat, dass Straftaten stattfanden«. Grundsätzlich hätte Bellartz dort wohl einfach als »besonders informiert und gut vernetzt« gegolten. Es spreche viel dafür, dass man von der illegalen Quelle nie erfahren habe.
Das Gericht verurteilte den ehemaligen ABDA-Sprecher heute für zwei Fälle aus dem Jahr 2012 zu einer Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen à 220 Euro. Allerdings gelten 60 davon bereits als vollstreckt, sodass 52.800 Euro bleiben. Die übrigen 38 angeklagten Taten sind im Laufe der Hauptverhandlung zwar eingestellt worden, spielen aber bei der Gesamtbewertung zum Teil wieder eine Rolle. H. bekommt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und 11 Monaten. Sie ist als Bewährung ausgesetzt und fünf Monate davon gelten ebenfalls schon als vollstreckt. Hinzu kommt für ihn eine Wertersatzzahlung von mehr als 70.000 Euro. Neben dem Ausspähen von Daten gemäß Paragraf 202a Strafgesetzbuch halten die Richter H. nämlich außerdem für einen Wohnungseinbruchsdiebstahl und den Besitz kinderpornografischen Materials für schuldig. Die Abzüge entstehen bei beiden Angeklagten aufgrund rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen der Justiz.
Der Vorsitzende Richter erläuterte das Urteil ausführlich. Von wem anfangs die Initiative ausgegangen ist, bleibe unklar. Doch später ist seiner Ansicht nach H. hartnäckiger gewesen, hätte regelmäßig per SMS bei Bellartz nachgefragt, wann die nächste Übergabe stattfinden kann. Als Beweis las der Richter einige »recht konkrete« Nachrichten vor, die H. und Bellartz in zeitlicher Nähe zu den Kontobewegungen ausgetauscht haben. Beispielsweise »habe alles«, »wann sehen wir uns«, »bin gleich so weit, muss nur noch brennen« oder »kannste morgen wieder liefern« oder Verabredungen zum Treffpunkt wie »Sparkasse Luisenstraße«. Im Schnitt sei es alle drei Wochen zu einer Übergabe gekommen, so der Richter. Insgesamt ist H. seiner Auffassung nach das größere »kriminelle Risiko« im BMG eingegangen. Für Bellartz seien die Straftaten »eine absolute Ausnahme« gewesen. Mit Blick auf das Tatinteresse bewerten die Richter die beiden Angeklagten als »gleichwertig«. Das Ausspähen der Daten sei bei H. gewerbsmäßig motiviert, für Bellartz gelte dies lediglich im weitesten Sinne, da er sich davon vor allem »Vorteile am Markt« versprochen habe.
Strafmildernd wirkt sich in den Augen der Kammer unter anderem die lange Verfahrensdauer aus sowie die Sicherheitsmängel im BMG, die den Zugriff auf die E-Mail-Konten »leicht machten«. Dennoch musste man entsprechende Sicherheitshürden für die persönlichen Postfächer überwinden, indem man den Passwortschutz umging. Aus diesem Grund sehen die Richter den Tatbestand § 202a zum Ausspähen von Daten – im Gegensatz zu den Verteidigern – auch als erfüllt an. Auch Indiskretionen vonseiten der Ermittlungsbehörden sowie ein Karriere-Knick als Folge der Anklage hätten demnach bei der Bewertung eine Rolle gespielt. Zugute kam den Angeklagten auch, dass sie noch nicht vorbestraft sind und die Taten schon so lange zurückliegen.
Insgesamt gaben die Richter zu, dass die Hauptverhandlung hätte ein dreiviertel Jahr schneller gehen können, wäre die Strafkammer nicht so überlastet gewesen und hätte man nicht während der Hauptverhandlung noch so viele zusätzliche Unterlagen sichten müssen, die nicht von Anfang an in der Verfahrensakte waren. Auch hätten die vielen Anträge der Verteidigung die Sache nicht gerade beschleunigt. Gegen das Urteil können die Verteidiger beider Seiten in Revision gehen.