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Impfstoff Imvanex

Gegen Affenpocken nur wenig wirksam?

Seit Juli ist der Pockenimpfstoff Imvanex® auch gegen Affenpocken in der EU zugelassen. Jetzt wirft eine Untersuchung aus Rotterdam Fragen zu dessen Wirksamkeit auf. 
Christina Hohmann-Jeddi
06.09.2022  11:00 Uhr

Gegen das Affenpockenvirus wird auch ein Pockenimpfstoff eingesetzt: Der Lebendimpfstoff Imvanex von Bavarian Nordic, der auf einem modifizierten Vaccinia-Virus Ankara (MVA) basiert, hat seit Mitte Juli eine EU-Zulassung für diese Indikation. Jetzt stellt eine aktuelle Untersuchung aus den Niederlanden die Wirksamkeit des Pockenimpfstoffs gegen das nah verwandte Affenpockenvirus (MPXV) infrage. Wie Forschende um Luca M. Zaeck von der Erasmus Universität in Rotterdam in einem Preprint auf dem Server »MedRxiv« berichten, ruft die zweimalige Immunisierung mit diesem Präparat nur einen niedrigen Titer an MPXV-neutralisierenden Antikörpern hervor.

Das Team hatte eine Kohorte von Personen, die entweder in der Vergangenheit gegen Pocken geimpft, mit Affenpocken infiziert oder kürzlich mit Imvanex gegen Affenpocken immunisiert worden waren, auf MPXV-bindende und -neutralisierende Antikörper untersucht. In allen drei Gruppen wurden neutralisierende Antikörper gegen MPXV nachgewiesen. Die MPXV-neutralisierenden Titer seien bei kürzlich mit Imvanex geimpften Personen ohne vorherige Pockenimpfung oder Affenpockeninfektion aber recht niedrig gewesen, schreiben die Autoren.

Bei Personen mit Pockenimpfung in der Vergangenheit (vor 1974 Geborene) zeigte eine Affenpockeninfektion einen klaren Booster-Effekt in Bezug auf die bindenden Antikörper, die Imvanex-Gabe dagegen nicht. Obwohl noch unklar sei, welche Rolle die MPXV-neutralisierenden Antikörper für den Immunschutz gegen das Affenpockenvirus und dessen Übertragbarkeit spielen und welche Titer hierfür benötigt werden, werfen die Ergebnisse der Untersuchung nach Ansicht der Autoren die Frage auf, wie gut MVA-geimpfte Personen gegen Affenpocken geschützt sind.

Eine dosissparende Gabe, wie sie derzeit sowohl von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA als auch von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA aufgrund der Impfstoffknappheit empfohlen wird, könne die Titer noch zusätzlich reduzieren. Dagegen könne eine dritte MVA-Immunisierung den Autoren zufolge die Antikörperantwort weiter steigern. Das Team spricht sich dafür aus, in Kohortenstudien die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen MPXV weiter zu untersuchen und vor allem Korrelate des Immunschutzes zu identifizieren.

Gegenüber dem Nachrichtenportal »STAT« erklärt die Seniorautorin der Studie, Professor Dr. Marion Koopmans, dass mit Imvanex Geimpfte ihren Immunschutz gegen MPXV nicht überschätzen sollten. Eine sterilisierende Immunität könne mit dem Pockenimpfstoff nicht erreicht werden. Vor Kurzem hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon darauf hingewiesen, dass sowohl nach einer Schutzimpfung als auch nach einer Postexpositionsprophylaxe (PEP) mit Imvanex Durchbruchinfektionen auftreten können und der Impfstoff nicht als Allheilmittel zu betrachten sei. Zuvor hatte eine Studie aus Paris gezeigt, dass nach einer PEP noch in Einzelfällen Infektionen auftreten können.

Die niederländischen Forschenden um Koopmans weisen in ihrer Publikation auch darauf hin, dass eine einmalige Impfung mit Imvanex nicht ausreiche, um einen Immunschutz gegen MPXV zu etablieren. Hierfür sei eine zweite Dosis nötig.

Dies steht im Konflikt mit der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Diese hatte Ende Juli empfohlen, Risiko- beziehungsweise Kontaktpersonen von Infizierten aufgrund des Impfstoffmangels zunächst nur die erste Dosis der Grundimmunisierung zu verabreichen und die zweite Dosis auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. In dem STAT-Beitrag erklärt der Infektiologe Professor Dr. Michael Osterholm von der University of Minnesota, dass aufgrund der Daten aus Rotterdam die aktuell empfohlene Impfpraxis noch einmal auf den Prüfstein kommen sollte.

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