Gefälscht oder nur schlechte Qualität? |
Da Arzneimittel weltweit verteilt und verkauft werden, hat die WHO 2012 eine Initiative »WHO Member State Mechanism on Substandard and Falsified Medical Products« gegründet. Diese wird von der FDA unterstützt. Der Europarat hat 2010/11 die »Medicrime Convention« (Vertrag 211 über Fälschungen von medizinischen Produkten und ähnliche Verbrechen, die die öffentliche Gesundheit bedrohen) ins Leben gerufen (21). Daran sind inzwischen fast alle europäischen Länder, Russland, Ukraine, Weißrussland, Türkei und eine ganze Reihe afrikanischer Länder beteiligt. Das Ziel ist, folgende Straftaten zu verfolgen, da sie Menschenleben gefährden:
Unterstützt wird die Konvention durch die europäischen »Official Medicines Control Laboratories« (OMCL) beziehungsweise das »General European OMCL Network« (GEON, geleitet vom EDQM). Die OMCL untersuchen verdächtige Proben nach allen Regeln der analytischen Kunst (22) und zwar nicht nur Arzneimittel, sondern auch Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit den nationalen regulatorischen Behörden sowie dem Zoll (Zusammenstellung der bisherigen Berichte siehe (22)). Es sei angemerkt, dass die Analytiker in den OMCL kontinuierlich fortgebildet werden (23).
Trotz all dieser Bemühungen finden jedes Jahr eine Menge Fälschungen und Arzneimittel schlechter Qualität ihren Weg in die pharmazeutische Vertriebskette – auch in Europa. Deshalb beobachten große Firmen sorgsam ihre Lieferketten und informieren die Bevölkerung, wie man Fälschungen ihrer Produkte erkennt. So hat etwa die Firma Bayer eine Initiative »Vorsicht Arzneimittelfälschung« (24) gestartet und Pfizer widmet dem Problem eine ganze Webseite, auf der man erfährt, wie man mit Fälschungen umgeht und diese melden kann (25). Dies sind nur ausgewählte Beispiele.
Mit Hightech-Analytik Fälschungen auf die Spur kommen: Das ist das Ziel der Analytiker bei den europäischen offiziellen Kontrolllaboren (OMCL). / Foto: Getty Images/Longhua Liao
In Deutschland hilft das 2019 europaweit eingeführte Securpharm-System, Fälschungen auf dem Weg eines Arzneimittels vom Hersteller (in Ausnahmefällen über den Großhandel) bis zur abgebenden Apotheke zu erkennen. Alles, was davor bei der Herstellung des Arzneistoffs und der Arzneiformen passiert, wird durch dieses System nicht erfasst. Arznei- und Hilfsstoffe schlechter Qualität werden also nicht entdeckt. Das liegt daran, dass erst der pharmazeutische Unternehmer die Sekundärverpackung mit dem Datamatrixcode versieht, der die Pharmazentralnummer, die Chargennummer, das Verfallsdatum und die individuelle Seriennummer enthält. Auf diese Weise können gefälschte Packungen, die zum Beispiel im Herceptin-Fall in Umlauf gekommen sind, beim »Auslesen« in der Apotheke erkannt werden (siehe Fragen- und Antworten-Dokument der ABDA (26)).
Es sei aber darauf hingewiesen, dass es sich bei Securpharm nur um ein »Ende-zu-Ende«-System handelt, das heißt dass man den Weg eines Arzneimittels zwischen Hersteller und Apotheke nicht nachverfolgen kann. Bis auf einige Fehlermeldungen wurde bisher von keinen Fälschungen, aufgedeckt über Securpharm, berichtet. Was nicht heißt, dass es keine gab, denn die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) erhält jährlich Tausende von Verdachtsmeldungen zu Qualitätsmängeln und 10 bis 20 Berichte zu mutmaßlichen Fälschungen beziehungsweise Manipulationen (27).
Da das sehr bürokratische und aufwendige System in ganz Europa benutzt werden muss, bietet es bei Importen aus Europa, die aufgrund von Lieferengpässen derzeit notwendig sind, einen gewissen Schutz vor Fälschungen, die früher ja in Verknappungssituationen häufig auftraten.