Fünfzig auf einen Schlag? |
Mit der sogenannten Liquid Biopsy weist man im Blut zirkulierende freie Tumor-DNA nach. Das Verfahren eignet sich jedoch nur bei hoher Sensitivität und Spezifität zur Krebsfrüherkennung. / Foto: Shutterstock/angellodeco
Der Test, den das Team um Dr. Minetta Liu von der Mayo Clinic in Rochester im Fachjournal »Annals of Oncology« vorstellt, nutzt das als Liquid Biopsy bekannte Verfahren des Nachweises von frei zirkulierender Tumor-DNA im Blut (DOI: 10.1016/j.annonc.2020.02.011). Anhand von krebstypischen Genveränderungen kann er ermitteln, welches Gewebe befallen ist. Die DNA aus malignen Zellen zeigt häufiger als die DNA normaler Körperzellen Mutationen. Eine besonders typische Veränderung sind Methylierungen. Das Computerprogramm, das in Zusammenarbeit mit der US-Firma Grail entwickelt wurde, sucht DNA nach Methylgruppen ab und ordnet die gefunden Muster Krebsstadien und Organen zu.
Die Auswertung stellt eine Subgruppenanalyse der prospektiven Fall-Kontroll-Studie CCGA (Circulating Cell-free Genome Atlas) dar. 2482 teilnehmende Krebspatienten und 4207 Kontrollen wurden in Trainings- und Validierungsgruppen unterteilt. Die Blutproben von Teilnehmern aus der ersten Gruppe nutzten die Forscher, um ihren lernfähigen Algorithmus zur Erkennung von Methylierungsregionen zu trainieren. Um den Test zu validieren, setzten sie Blutproben aus der zweiten Gruppe ein.
Dabei ermittelten sie eine Spezifität von 99,3 Prozent. Der Test fiel also nur bei 0,7 Prozent der gesunden Teilnehmer fälschlicherweise positiv aus. Eine geringe Rate von falsch-positiven Ergebnissen ist Voraussetzung für einen breitflächig einsetzbaren Krebstest. Wenn die Spezifität gering ist, steigt das Risiko für unnötige kostenintensive und für die Patienten belastende Nachuntersuchungen.
Auch eine hohe Sensitivität ist wichtig. Sie gibt an, wie viele tatsächlich vorhandene Krebserkrankungen ein Test richtig identifiziert. Die Forscher bestimmten die Sensitivität des neuen Tests anhand von zwölf vorher definierten Krebsarten, nämlich Krebs des Analkanals, der Blase, des Darms, der Speiseröhre, des Magens, der Lunge, der Eierstöcke, der Bauchspeicheldrüse, in Leber- und Gallengängen, im Kopf- und Halsbereich sowie von Lymphomen beziehungsweise Leukämien und dem Multiplen Myelom. Über alle diese Krebsarten hinweg betrug die Sensitivität bezogen auf Tumoren der Stadien I bis III 67,3 Prozent.
Je weiter fortgeschritten das Stadium war, desto besser wies der Test den Krebs nach. So ergab sich bei den zwölf genannten Tumorarten im Stadium I eine Sensitivität von 39 Prozent, im Stadium II von 69 Prozent, im Stadium III von 83 Prozent und im Stadium IV von 92 Prozent. Bezogen auf alle 50 erfassten Krebsarten kamen die Wissenschaftler auf eine Spezifität von 18 Prozent (Stadium I), 43 Prozent (Stadium II), 81 Prozent (Stadium III) und 93 Prozent (Stadium IV). Gemittelt über die Stadien I bis III und alle Krebsarten hinweg lag die Treffersicherheit bei 43,9 Prozent.
Die Forschungen gehen bereits weiter: In der laufenden SUMMIT-Studie erprobt das Team seinen Bluttest an 50.000 Personen mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko infolge langjährigen Tabakkonsums. Wie sich der Test in die klinische Praxis einbinden lassen könnte, wollen die Wissenschaftler in der PATHFINDER-Studie untersuchen.
Außer in der Vorsorge könnte sich der Test auch bei Patienten einsetzen lassen, bei denen Ärzte Metastasen bei unbekanntem Primärtumor entdecken. Schwächen an dem Verfahren sind zum jetzigen Zeitpunkt noch, dass es nicht gleich spezifisch für alle Tumortypen und -stadien ist. Gerade im frühen Stadium ist der Test noch nicht allzu zuverlässig. Der Nutzen einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung ist jedoch umso größer, je früher sich die Krankheit damit entdecken lässt.