Folgen für die Wirkstoffresorption |
Hinter dem Begriff Kurzdarmsyndrom verbirgt sich eine chirurgische Entfernung von Darmabschnitten, am häufigsten infolge von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. In der Regel bleibt der Magen als Nahrungsreservoir und zum Vorverdauen des Speisebreis erhalten. Selten liegt ein Kurzdarmsyndrom von Geburt an vor.
Je nach Ausmaß der Resektion (Entfernung) und dem entfernten Darmteil resultiert ein Symptomkomplex aus Malabsorption und Elektrolytverschiebungen.
Wird hauptsächlich der Dickdarm entfernt, hat dies weniger klinisch relevante Folgen als wenn große Teile des Dünndarms entfernt werden. Im Duodenum werden vor allem Eisen, Calcium und Magnesium resorbiert, im Jejunum Fette, Proteine, Kohlenhydrate, Vitamine und Mineralstoffe und im Ileum (Krummdarm als letzter Abschnitt des Dünndarms) Vitamin B12 und Gallensäuren, die die Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen erleichtern. Im Dickdarm werden vor allem Wasser und Natrium resorbiert.
Bei Patienten mit schweren chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen müssen mitunter Teile des Darms operativ entfernt werden. Es resultiert ein Kurzdarmsyndrom. / Foto: Adobe Stock/okrasiuk
Nach chirurgischer Entfernung einzelner Abschnitte können die verbleibenden Darmabschnitte die Funktion fehlender Bereiche im Lauf von bis zu zwei Jahren zum Teil ersetzen. So können im Dickdarm bis zu 20 Prozent der Nahrungskalorien resorbiert werden, wenn große Teile des Jejunums entfernt wurden. Die Resorptionsverhältnisse direkt nach der Operation können sich also durchaus von denen mehrere Wochen oder Monate danach unterscheiden. Als Folge eines Kurzdarmsyndroms kann es zu Problemen wie Nierensteinen, Elektrolytverschiebungen, Vitaminmangel, metabolischer Azidose oder bakterieller Überwucherung des Darms kommen.
Anders als bei bariatrischen Operationen, wo große Teile des Duodenums und Jejunums entfernt werden, das Ileum aber weitestgehend funktionell erhalten wird, kann beim Kurzdarmsyndrom auch das Ileum von der Resektion betroffen sein. Damit lassen sich die Resorptionsverhältnisse für einzelne Wirkstoffe noch schwieriger anhand von Studiendaten auf einzelne Patienten übertragen. Auch hier gilt, dass komplexe Galeniken und Wirkstoffe mit einer langen Resorptionszeit (tmax) besonders von einer fehlenden oder verminderten Resorption betroffen sein können.
Foto: Adobe Stock/Dragana Gordic
Bei einem 56-jährigen Morbus-Crohn-Patienten sind weite Teile des Dünndarms, primär das Jejunum und das Duodenum, von starken entzündlichen Veränderungen betroffen. Aufgrund nicht beherrschbarer Entzündungsschübe werden diese Darmabschnitte chirurgisch reseziert.
Bereits präoperativ nahm der Patient bei starken Schmerzen Oxycodon/Naloxon und bei Schmerzspitzen kurz wirksames Oxycodon ein. Bei der routinemäßigen Abnahme einer Stuhlprobe aufgrund von Durchfällen nach der Operation fällt ihm eine im Ganzen ausgeschiedene Tablette auf. Einige Tage später nehmen die vorher gut eingestellten Schmerzen deutlich zu.
Auf Anfrage des behandelnden Arztes erklärt die Apothekerin, dass es sich bei dem Präparat um eine Matrixtablette handelt, die immer am Stück ausgeschieden wird, was im Alltag aber in der Regel nicht auffällt. Das Auffinden im Stuhl lässt nicht auf eine fehlende Wirkung schließen. Allerdings ist durch die verzögerte Freisetzung über mehrere Stunden bei der verkürzten Darmpassage tatsächlich von einer verminderten Resorption auszugehen. Sie empfiehlt eine Umstellung der Opioid-Therapie auf eine transdermale Form. Damit lässt sich die Schmerzsituation verbessern. Zum Abfangen von Schmerzspitzen wird eine bereits gelöste orale Form von Morphin verordnet.
Untersuchungen zeigen zum Beispiel, dass Ciclosporin bei verminderter Aufnahme von Gallensäuren nicht mehr adäquat resorbiert wird. Normalerweise wird die Resorption des Wirkstoffs über die Aufnahme von Gallensäuren getriggert. Werden diese nicht mehr ausreichend resorbiert, sinken auch die Ciclosporin-Spiegel im Serum. Engmaschige Serumspiegelkontrollen und unmittelbare Dosissteigerungen sind hier wichtig, um eine Transplantatabstoßung zu verhindern.