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Die Wirksamkeit der Glucocorticoide wird nicht nur durch ihre jeweils individuellen chemischen, molekularen und pharmakologischen Eigenschaften (Lipophilie, Absorptionsverhalten, Rezeptoraffinität et cetera) beziehungsweise die Charakteristika der Grundlage, also des Vehikelsystems in der jeweiligen Darreichungsform, sondern auch durch patientenindividuelle Faktoren wie Hautdicke am Ort der Applikation sowie den grundsätzlichen Hautzustand und das spezifische Krankheitsbild bestimmt.
Die Wirksamkeit der Glucocorticoide wird nicht nur durch ihre individuellen molekularen und pharmakologischen Eigenschaften, sondern auch durch die Charakteristika des Vehikelsystems bestimmt. / Foto: Adobe Stock/Vasily Popov
Für eine gute und schnelle Wirksamkeit muss das Glucocorticoid in die Hornzellschicht (Stratum corneum) als oberste Schicht der Epidermis einwirken können, die je nach Körperstellen 4 bis 30 µm dick und besonders ausgeprägt an Handinnenflächen und den Fußsohlen sein kann.
Bei einer beschädigten oder sehr dünnen Hornzellschicht kommt es schneller zur Resorption und damit gegebenenfalls auch zu systemischen Nebenwirkungen. Für das Ausmaß der Penetration durch die Hornzellschicht ist die Lipophilie des Wirkstoffs entscheidend. Je lipophiler, desto schneller penetriert das Glucocorticoid und ist damit – positiv und negativ betrachtet – auch effektiver.
Es kann gegebenenfalls sinnvoll sein, dass Apothekerin dem Patienten die grundlegenden Charakteristika einerseits des Körpers, andererseits des jeweiligen Wirkstoffes erklären, so dass dieser bei der Applikation des Glucocorticoids je nach Gegebenheit besondere Sorgfalt walten lässt.
Bei der Wahl des für das individuelle Krankheitsbild geeigneten Glucocorticoids kann dem Apotheker bei seitens des Arztes gewünschter Information und Beratung der Penetrationsindex dienen, der das Absorptionsverhalten topischer Glucocorticoide beschreibt. Der Penetrationsindex orientiert sich an dem Wert der Penetration, die im ventralen Unterarmgebiet gemessen wird und als 1 festgesetzt ist.
Ist dieser Penetrationsindex in empfindlichen Bereichen wie Gesicht, Augenregion, Hals oder intertriginösem Gewebe besonders hoch, so bedeutet dies, dass insbesondere starke bis sehr stark wirksame Glucocorticoide, zum Beispiel Mometasonfuroat oder Clobetasolpropionat, gemieden werden sollten.
Andererseits können wesentliche stärkere Wirkungseffekte zum Beispiel an den Fußsohlen erzielt werden, wenn hier Glucocorticoide mit hohem Penetrationseffekt zum Einsatz kommen. Hier können auch Okklusionseffekte nützlich, also begrüßenswert sein.
Kommt in diesem Zusammenhang nicht zuletzt der Art der Grundlage eine hohe Bedeutung zu, so hat diese einen Einfluss nicht nur auf die Pharmakokinetik des Wirkstoffs und dessen Bioverfügbarkeit. Je nach Zusammensetzung kommen weitere Effekte hinzu. So haben Schüttelmixturen und O/W-Emulsionen per se einen kühlenden und austrocknenden Effekt auf die Epidermis. Dieser Effekt kann gut für akute Hautzustände, zum Beispiel bei Allergien, genutzt werden.
Handelt es sich hingegen um Krankheitsbilder wie chronische Ekzeme, ist eher eine W/O-Grundlage angebracht, um längerfristig Fette zuzufügen und damit zusätzliche Tiefenwirkungen mit höherer Wirkstofffreigabe zu erzielen. Denn: Glucocorticoide sind lipophile Substanzen, die ihre Wirkung vor allem durch den Depoteffekt im Stratum corneum entfalten. Bei lipophiler Grundlage kommt es zu einer stärkeren Durchdringung dieser obersten Schicht der Epidermis und zu einem höheren mazerierenden Effekt. Der Wirkstoff wird deutlich besser verteilt, wirkt intensiver und wird auch stärker frei gegeben (10, 11).
Als weitere Orientierungshilfe bei der Wahl eines geeigneten Wirkstoffs kann der Therapeutische Index (TIX-Wert) der Glucocorticoide herangezogen werden, der als Quotient aus dem Potential erwünschter (Vasokonstriktion, Entzündungshemmung et cetera) und unerwünschter Wirkungen (Atrophie, Teleangiektasien, Infektionen, verzögerte Wundheilung, Kontaktallergien, rosaceaartige oder periorale Dermatitis, Steroidakne, Reboundeffekte nach Absetzen et cetera) definiert ist (10). Je höher der TIX-Wert eines topischen Corticoids ist, umso stärker tendiert das Verhältnis zu Gunsten der erwünschten Wirkungen.
Auf dem Boden der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur wurden die therapeutischen Indizes für die acht am häufigsten angewandten topischen Glucocorticoide Betamethasonvalerat (TIX: 1,2), Clobetasolpropionat (TIX: 1,5), Hydrocortison (TIX: 1,0), Hydrocortisonbutyrat (TIX: 2,0), Mometasonfuroat (TIX: 2,0), Methylprednisolonaceponat (TIX: 2,0), Prednicarbat (TIX: 2,0)und Triamcinolonacetonid (TIX: 1,06) erstellt. So halten sich bei Hydrocortison mit einem TIX von 1 erwünschte und unerwünschte Nebenwirkungen die Waage.
Bei einem TIX-Wert von 2 überwiegen deutlich die erwünschten Wirkungen, was bei den Glucocorticoiden Methylprednisolonaceponat, Prednicarbat, Hydrocortisonbutyrat und Mometason der Fall ist. Methylprednisolonaceponat und Prednicarbat werden in der Haut derart metabolisiert, dass das Ausmaß unerwünschter Arzneimittelwirkungen und der Wirkungsdauer begrenzt wird. Sie eigenen sich somit sehr gut zum Einsatz in der Kinderheilkunde (5, 9, 10).