Experten für kostenlose Abgabe |
Ev Tebroke |
09.11.2018 13:08 Uhr |
Verhütungsmittel sollten künftig Kassenleistung sein: Experten sehen dies als Chance, ungewollten Schwangerschaften besser engegenwirken zu können. Foto: Fotolia/TanyaJoy
Verhütungsmittel sind teuer. Insbesondere Frauen mit geringem Einkommen können sich die Kosten für Pille, Spirale und Co. oft nicht leisten. Dieser Umstand führt aus Sicht von Sachverständigen häufig zu ungewollten Schwangerschaften und in Folge zu medizinischen und sozialen Komplikationen. In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag haben sich Mediziner und Sexualwissenschaftler daher für eine kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln ausgesprochen. Die Experten unterstützen entsprechende Anträge der Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Die Kassen forderten im Falle einer Gesetzesänderung einen Kostenausgleich aus Steuermitteln.
Die beiden Fraktionen wollen jeweils bundeseinheitliche Regelungen, um Verhütungsmittel generell als Kassenleistung anbieten zu können. Die Linkspartei will, dass verschreibungspflichtige Verhütungsmittel und operative Eingriffe wie die Sterilisation ohne Alters- und Indikationseinschränkung in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen werden. Auch nicht rezeptpflichtige Verhütungsmittel wie etwa Kondome sollten erstattungsfähig sein. Über ein dafür bereitgestelltes monatliches Budget sollen die Versicherten die Kosten für die gewünschte Verhütungsmethode abgelten können.
Die Grünen wollen lediglich Empfänger von Transferleistungen künftig von den Kosten für Verhütungsmittel entlasten. Die Kostenübernahme müsse unbürokratisch erfolgen, die Zielgruppe niedrigschwellig über eine solche Möglichkeit informiert werden. Derzeit bekommen nur Versicherte unter 21 Jahren die Kosten für ärztlich verordnete Verhütungsmittel von den Kassen erstattet. Für Versicherte ab 18 Jahren fallen bei der Abgabe Zuzahlungen an.
Der Bundesverband pro familia betonte, viele Frauen und Männer könnten sich die Verhütungsmittel nicht leisten. Insbesondere für bedürftige Frauen stellten die Kosten eine große Hürde dar. So koste eine Hormonspirale, die drei bis fünf Jahre wirksam sei, bis zu 400 Euro. Die monatlichen Kosten für orale Kontrazeptiva beziffert die Linkspartei zwischen 4,33 Euro und 22,10 Euro, ein Verhütungsring koste etwa 23 Euro. Infolge der Kosten würden diese Verhütungsmethoden oft falsch oder gar nicht genutzt, so die Kritik.
Die Sozialwissenschaftlerin Ulrike Busch begrüßte die parlamentarischen Initiativen und betonte, auch nicht ärztlich verordnete Verhütungsmittel müssten kostenlos zur Verfügung stehen. Auch die Berliner Frauenärztin Katrin Wolf plädierte zudem für eine kostenlose Abgabe von Kondomen. Sie sieht eine bundeseinheitliche Regelung zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln als Möglichkeit, mehr ungewollte Schwangerschaften zu verhindern.
Einwände kamen vonseiten der Kassen. Bei der Abgabe von Verhütungsmitteln handele es sich um versicherungsfremde Leistungen, die pauschal über den Bundeszuschuss abgegolten würden, so der GKV-Spitzenverband. Die Kosten müssten den Kassen über steuerfinanzierte Zuschüsse ersetzt werden. Bei der Abgabe von Verhütungsmitteln an Bedürftige mittels entsprechend markierten Rezepten äußern die Kassen zudem datenschutzrechtliche Bedenken und warnen vor möglichen Diskriminierungen.
Rechtsexperten hielten eine Umsetzung der Anträge über die GKV im SGB V für rechtlich problematisch, da es sich um eine versicherungsuntypische Leistung handele. Sie regten eine Umsetzung im Rahmen der Grundsicherung (SGB II) oder über die Sozialhilfe an (SGB XII).