Exoten unter sich |
Annette Rößler |
18.01.2024 16:30 Uhr |
Seltene Autoimmunerkrankungen betreffen häufig Frauen im Erwachsenenalter. Die richtige Diagnose wird meist erst nach einer längeren Zeit gefunden. / Foto: Adobe Stock/Dan Race
Von einer seltenen Erkrankung sind definitionsgemäß weniger als fünf Personen von 10.000 betroffen. Da die Symptome teilweise auch noch denen häufigerer Erkrankungen ähneln können, braucht es meistens eine Weile, bis betroffene Patienten die passende Diagnose erhalten. »Im Schnitt vergehen bis zur richtigen Diagnose fünf Jahre«, berichtete Wurglics, der am Institut für Pharmazeutische Chemie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main tätig ist.
Besonders fatal ist das etwa bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD). Hierbei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung mit schubförmigem Verlauf, deren Symptome denen einer Multiplen Sklerose (MS) ähneln: Wie bei MS kann es bei NMOSD etwa zu Lähmungen, Gefühlsstörungen und Sehstörungen kommen; eher charakteristisch für NMOSD sind dagegen Schluckauf, Übelkeit und Erbrechen sowie Schmerzen.
Dr. Mario Wurglics von der Goethe-Universität Frankfurt am Main / Foto: PZ/Alois Müller
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist, dass sich NMOSD-Patienten im Gegensatz zu den meisten MS-Patienten nach einem Schub kaum wieder erholen. Da unbehandelt mit einer hohen Schubfrequenz von einem Schub pro Jahr zu rechnen ist, verschlechtert sich der Zustand der Patienten rasch. Der Grund für die ausbleibende Erholung ist, dass bei NMOSD nicht Oligodendrozyten vom Immunsystem attackiert werden, sondern Astrozyten. »Diese Schäden sind nicht reversibel«, sagte Wurglics.
Zur Abgrenzung von der MS dient auch der Nachweis von IgG-Autoantikörpern gegen das Wasserkanalprotein Aquaporin-4 (AQP4), die bei vier von fünf NMOSD-Patienten zu finden sind. Therapeutisch lässt sich die Freisetzung von AQP4-IgG beziehungsweise deren Eindringen ins ZNS etwa mit dem Anti-CD-19-Antikörper Inebilizumab, dem Anti-IL-6-Antikörper Satralizumab oder den Anti-C5-Antikörpern Eculizumab und Ravulizumab unterdrücken. Alle vier genannten Antikörper besitzen eine Zulassung bei NMOSD. Laut Wurglics verhindern die beiden Komplementfaktor-Hemmer wohl am wirksamsten Schübe; direkte Vergleichsstudien fehlen jedoch.