Verschiedene Ansätze bei NMOSD |
Annette Rößler |
21.06.2022 07:00 Uhr |
Astrozyten gehören zu den sogenannten Gliazellen, die man früher als reine Stützzellen ansah. Heute weiß man, dass sie wichtige Funktionen haben, etwa die Kontrolle der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke. / Foto: Getty Images/Dr_Microbe
NMOSD ist ein Sammelbegriff für Neuromyelitis optica (NMO) und verwandte Syndrome. Es handelt sich um eine schwere, rezidivierende Autoimmunerkrankung, die den Sehnerv, das Rückenmark, das Gehirn und den Hirnstamm angreift. Die Erkrankung ist selten: Weltweit liegt die Prävalenz etwa bei 0,5 bis 4 pro 100.000 Einwohnern. Frauen sind neunmal häufiger betroffen als Männer.
Bei etwa 80 Prozent der NMOSD-Patienten sind IgG-Autoantikörper gegen das Wasserkanalprotein Aquaporin-4 nachweisbar (AQP4-IgG). Diese binden vor allem an Astrozyten im zentralen Nervensystem, was eine eskalierende Immunreaktion auslöst. In der Folge bilden sich Läsionen im ZNS und Astrozyten sterben ab. Typisch für die NMOSD ist, dass sie – wie die MS – in Schüben verläuft. Auch Gemeinsamkeiten bei der Symptomatik, etwa Lähmungen oder Gefühlsstörungen, tragen dazu bei, dass zwischen den beiden Erkrankungen Verwechslungsgefahr besteht. Es gibt aber auch Unterschiede, auf die Professor Dr. Orhan Aktas von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf kürzlich bei einer von der Firma Horizon organisierten Pressekonferenz in Berlin einging.
Zum einen manifestiere sich eine NMOSD meist in höherem Alter als eine MS, berichtete Aktas. Das mediane Erkrankungsalter liege für MS bei 29 Jahren und für NMOSD bei 40 Jahren, aber auch eine Erstmanifestation bei Senioren sei möglich: »Da müssen wir Neurologen auf der Hut sein: Nicht jeder betagte Patient mit neurologischer Symptomatik hat einen Schlaganfall«, sagte Aktas. Eine Entzündung des Sehnervs, die Sehstörungen oder gar die Erblindung auf dem betroffenen Auge nach sich ziehen könne, sei zudem bei NMOSD mit bis zu 25 Prozent betroffenen Patienten häufig, bei MS aber ungewöhnlich. Ein relativ charakteristisches NMOSD-Symptom sei darüber hinaus das Area-postrema-Syndrom, das durch hartnäckigen Schluckauf, Übelkeit und Erbrechen gekennzeichnet ist und bei bis zu 17 Prozent der NMOSD-Patienten auftritt, bei MS aber nur selten. Deutlich mehr Patienten mit NMOSD als mit MS litten zudem unter Schmerzen.
»Der Verlauf hat eine Terrassendynamik, bei der die einzelnen Schübe eine größere Bedeutung haben als bei MS«, erklärte der Experte. Nach einem Schub erholten sich NMOSD-Patienten meist kaum und innerhalb von fünf Jahren nach dem ersten Schub erlitten neun von zehn Betroffenen weitere Schübe. Daher müssten die Patienten möglichst schon nach dem ersten Schub auf eine wirksame Therapie eingestellt werden.