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Altersdiskriminierung

Es gibt noch viel zu lernen

Hohe Ansprüche an eigene Altersgruppe

Im Gegensatz dazu nehmen Personen ab 65 Jahren die gesellschaftliche Altersgrenze als deutlich höher wahr, haben eine weniger kritische Sicht auf ihre gesellschaftliche Stellung und erachten sich seltener als Blockierer des Fortschritts. Ihre Ansprüche an die eigene Altersgruppe sind jedoch hoch, weil sie anderen nicht zur Last fallen wollen. Mit zunehmenden Lebensjahren sehen sie zudem häufiger die negativen Aspekte des Alterns.

Generell gilt: Die eigene Alters-Wahrnehmung kann bei allen Menschen variieren – je nachdem, ob es sich um eine Selbst- oder Fremdwahrnehmung handelt. Kessler zufolge empfindet man sich selbst in der Regel in etwa acht Jahre jünger als die Gesellschaft einen sieht. Das lässt sich ihrer Ansicht nach in zwei Richtungen interpretieren. »Die Menschen denken, dass sie selbst zu früh als alt wahrgenommen werden« oder sie möchten sich »psychologisch vom eigenen Alter abgrenzen«.

Die verschiedenen Vorstellungen vom Alter sind jedoch »der Treibstoff zur Diskriminierung«, betonte Kessler. In der Vergangenheit haben ältere Menschen viel Herabsetzung einfach hingenommen – auch, weil es bis dato keine verbindlichen gesetzlichen Ansprüche gibt, sich dagegen zu wehren. Doch bei der Generation der sogenannten Baby-Boomer, zu der hierzulande die zwischen den 1955 und 1969 Geborenen zählen, lasse sich bereits eine neue Bewegung beobachten, meinen die Expertinnen. Aufgrund der großen Anzahl Gleichaltriger seien die Vertreter dieser Generation nämlich Konkurrenz gewöhnt und würden nicht mehr alles akzeptieren, sondern für ihre Rechte kämpfen.

Gefahren lauern beim Verinnerlichen

Pauschale Aussagen wie »ältere Menschen sind zu wenig leistungsfähig, nicht anpassungsfähig oder nicht fit genug« gelten als Ageism. Der Begriff bezeichnet ein Phänomen, bei dem es um Stereotype, Vorurteile sowie um diskriminierendes Verhalten aufgrund des Alters geht. Ageism kann sich auf andere Menschen ebenso wie auf das Selbst beziehen. In Deutschland sind Diskriminierungen aufgrund des Lebensalters bislang nur in der Arbeitswelt gesetzlich verboten. Die Ungleichbehandlung erstreckt sich aber auch auf den Zugang zu Bank- und Finanzdienstleistungen, Versicherungen oder Wohnungen sowie die Übernahme von Ehrenämtern wie etwa der Tätigkeit als Schöffenrichter oder die Arbeit bei der Notfallseelsorge. Die Gefahr dabei: Menschen können Ageism verinnerlichen und sich dadurch weniger zutrauen.

Ein aktuelles Beispiel aus der Coronavirus-Pandemie, das ebenfalls zu diesem Phänomen zählt, ist die pauschale Darstellung älterer Menschen als besonders schutz- und hilfebedürftig, manchmal war auch einfach von den »Alten und Schwachen« die Rede. Einen bevormundenden Beigeschmack hatten die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen. Dort also, wo die älteren Menschen sich eigentlich in ihrem häuslichen und privaten Umfeld befinden.

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