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Spinale Muskelatrophie

Erstmals ein orales Medikament

Einen Monat nach der positiven Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die EU-Kommission jetzt die Zulassung für Risdiplam ausgesprochen. Evrysdi® ist das erste orale Medikament für Patienten mit der Erbkrankheit spinale Muskelatrophie.
Brigitte M. Gensthaler
31.03.2021  11:00 Uhr

Zugelassen ist das Arzneimittel für die Behandlung der 5q-assoziierten spinalen Muskelatrophie (SMA) bei Patienten ab mindestens zwei Monaten, mit einer bis vier Kopien des SMN2-Gens oder einer klinisch diagnostizierten Typ-1-, Typ-2- oder Typ-3-SMA. Die Einnahme erfolgt einmal täglich peroral mittels Applikationsspritze ober über eine Sonde. Evrysdi ist als Pulver (60 mg) erhältlich, das in der Apotheke zu einer Lösung zum Einnehmen (0,75 mg/ml) rekonstituiert wird.

SMA ist eine schwere, progressive neuromuskuläre Erkrankung, die tödlich verlaufen kann. Sie betrifft etwa eines von 10.000 Babys. Zugrunde liegt eine Mutation im Gen des Überlebensmotorneurons 1 (SMN1), die zu einem Mangel an SMN-Protein führt. Dieses ist essenziell für die Funktion der Nerven, die Muskeln und Bewegung steuern. Je nach Art der SMA nehmen die körperliche Kraft und Fähigkeit zu gehen, zu essen oder zu atmen deutlich ab oder gehen verloren. Als »Spleißmodifikator« erhöht Risdiplam die Bildung von funktionsfähigem SMN-Protein. Dies soll dem Untergang von Motoneuronen und dem fortschreitenden Muskelschwund entgegenwirken. 

Mehr als 3000 Patienten wurden bislang weltweit in klinischen Studien mit Risdiplam behandelt, meldet Hersteller Roche. In der zulassungsrelevanten Studie FIREFISH stärkte das Medikament bei symptomatischen Säuglingen und Kleinkindern bis zu zwei Jahren mit Typ-1-SMA die motorischen und respiratorischen Funktionen. In der ebenfalls zulassungsrelevanten Studie SUNFISH konnte es auch die Lebensqualität und Unabhängigkeit im Alltag von Patienten mit Typ-2- oder Typ-3-SMA verbessern oder bewahren.

Nach Angaben von Roche traten keine behandlungsbedingten Therapieabbrüche auf. Unerwünschte Ereignisse waren im Allgemeinen nur leicht ausgeprägt und ihre Häufigkeit nahm im Lauf der Behandlung ab.

Die Zulassung erfolgte in einem beschleunigten Verfahren. Risdiplam erhielt 2018 von der EMA den PRIME-Status und 2019 den Orphan-Drug-Status zuerkannt. Roche leitete die klinische Entwicklung in Zusammenarbeit mit der SMA Foundation und PTC Therapeutics. Mit der Online-Plattform »Face SMA« will der Hersteller eine Informations- und Austauschmöglichkeit von und für Menschen mit SMA, ihre Familien und Angehörigen anbieten. 

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