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Baricitinib

Erstes Medikament gegen kreisrunden Haarausfall zugelassen

Der seit 2017 verfügbare Januskinase-Hemmer Baricitinib (Olumiant® von Lilly) hat eine Zulassungserweiterung bekommen: Er darf nun auch bei kreisrundem Haarausfall (Alopecia areata) eingesetzt werden.
Daniela Hüttemann
27.06.2022  14:00 Uhr

Ursprünglich kam Baricitinib als Mittel gegen rheumatoide Arthritis auf den Markt. 2020 folgte eine erste Zulassungserweiterung für die atopische Dermatitis (Neurodermitis). Auch bei schwerem Covid-19 wird der Januskinase-Hemmer gegen die überschießende Immunreaktion gemäß Leitlinie eingesetzt, auch wenn hier noch keine offizielle Zulassung in der EU dafür vorliegt. Das Medikament steht in Form von 2-mg- und 4-mg-Filmtabletten zur Verfügung.

Mit dem kreisrunden Haarausfall in seiner schweren Form, der vor allem bei Frauen mit einem hohen Leidensdruck einhergeht, kommt nun eine dritte Indikation mit autoimmuner Genese offiziell in die Fach- und Gebrauchsinformationen. Die EU-Kommission erteilte am 20. Juni die entsprechende Zulassung, teilte Hersteller Lilly am heutigen Montag mit. Baritinib sei damit das erste zugelassene Medikament zur Behandlung der Alopecia areata. Andere Medikamente wie Methotrexat, Corticosteroide und Ciclosporin werden bislang off Label eingesetzt. Baricitinib soll zielgerichtet in die Pathogenese eingreifen, indem es über den JAK-STAT-Signalweg die Induktion proinflammatorischer Zytokine im Haarfollikel reduziert.

Seine Wirksamkeit und Sicherheit als Monotherapie bei Patienten mit schwerem kreisrundem Haarausfall demonstrierte das Medikament in den doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Zulassungsstudien BRAVE-AA1 (654 Probanden) und BRAVE-AA2 (546 Probanden). Die Teilnehmenden erhielten entweder einmal täglich 2 oder 4 mg Baricitinib oder Placebo.

Deutlich wirksamer als Placebo

Primärer Endpunkt war das Nachwachsen der Kopfhaare, gemessen am SALT-Score. SALT steht für Severity of Alopecia Tool. Der Score gibt den Haarverlust auf einer Skala von 0 (volle Behaarung) bis 100 (totaler Haarverlust) an. In der BRAVE-AA1-Studie erreichten 38,8 Prozent unter 4 mg Baricitinib, 22,8 Prozent unter 2 mg Baricitinib und 6,2 Prozent unter Placebo nach 36 Wochen einen SALT-Score ≤ 20. Dieser Wert entspricht einer 80-prozentigen Wiederbehaarung. In der BRAVE-AA2-Studie waren dies jeweils 35,9; 19,4 und 3,3 Prozent.

Damit lag der Unterschied zwischen 4 mg Baricitinib und Placebo bei 32,6 Prozent beziehungsweise zwischen 2 mg Baricitinib und Placebo 16,6 Prozent in BRAVE-AA1 und fast deckungsgleich in BRAVE-AA2. Zugelassen wurde daher die höhere Dosierung. In der Verlängerungsphase der Studien erreichten knapp 40 Prozent der Patienten unter 4 mg Baricitinib einen SALT-Score ≤ 20. Fast 30 Prozent erreichten sogar eine Wiederbehaarung von mindestens 90 Prozent.

»Olumiant als erster Vertreter der Klasse der JAKi ermöglicht uns Dermatologen eine zielgerichtete Behandlung der Alopecia areata«, erklärt der Hautarzt Dr. Uwe Schwichtenberg, Bremen, in der Pressemitteilung von Lilly. »Für unsere Patientinnen und Patienten bedeutet dies im Praxisalltag einen entscheidenden therapeutischen Fortschritt, der ihnen einen deutlichen Rückgewinn an Selbstvertrauen und Lebensqualität ermöglichen kann.«

Nebenwirkungsfrei ist die Therapie erwartungsgemäß nicht. Am häufigsten treten unter Baricitinib-Therapie  erhöhte LDL-Cholesterol-Werte, Infektionen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen, Herpes simplex und Harnwegsinfektionen auf. Nach Angaben von Lilly wurden bislang weltweit mehr als 325.000 Menschen mit Baricitinib in den zugelassenen Indikationen behandelt.

Als Vorteile nennt das Unternehmen die nur einmal tägliche Einnahme unabhängig von den Mahlzeiten, kaum klinisch relevante Arzneimittelinteraktionen, da Baricitinib überwiegend renal eliminiert ausgeschieden wird, eine kurze Halbwertzeit und damit gute Steuerbarkeit. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kann die Dosis auf 2 mg reduziert werden.

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