Erster Wirkstoff gegen Kälteagglutininkrankheit |
Kerstin A. Gräfe |
03.02.2023 07:00 Uhr |
Niedrige Temperaturen können für Menschen mit der seltenen Kälteagglutininkrankheit gefährlich werden. Denn bei ihnen greift das Immunsystem ab Temperaturen unter 37 °C mit sogenannten Kälteagglutininen die Erythrozyten an. / Foto: Adobe Stock/pololia
Die Kälteagglutininkrankheit (Cold Agglutinin Disease, CAD) ist eine seltene, chronische, autoimmune Bluterkrankung. Bei den Betroffenen greift das Immunsystem bei Temperaturen unter 37 °C mit sogenannten Kälteagglutininen die gesunden roten Blutkörperchen an und verursacht dadurch eine Hämolyse. Durch den Untergang der Erythrozyten kommt es zu einer schweren Anämie. Die Erkrankung geht mit einer ausgeprägten Müdigkeit (Fatigue), einem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse und einer erhöhten Mortalität einher. Häufig manifestiert sie sich erst im Erwachsenenalter (ab dem 55. Lebensjahr).
Sutimlimab (Enjaymo® 50 mg/ml Infusionslösung, Sanofi Genzyme) ist indiziert zur Behandlung der hämolytischen Anämie bei erwachsenen Patienten mit CAD. Der humanisierte monoklonale Antikörper hemmt den klassischen Komplementweg, indem er selektiv an die Serinprotease C1s bindet. Die Unterbrechung der Kaskade auf dieser Ebene verhindert die Ablagerung von Komplement-Opsoninen auf der Oberfläche von Erythrozyten, was zu einer Hemmung der Hämolyse führt. Hingegen bleiben die beiden anderen Wege der Komplementaktivierung, der Lektin- und alternative Weg, unbeeinflusst.
Enjaymo ist ausschließlich für die kontinuierliche Anwendung als chronische Therapie vorgesehen und wird intravenös appliziert. Für Patienten mit einem Gewicht von 39 kg bis weniger als 75 kg beträgt die empfohlene Dosis 6500 mg, ab 75 kg sind es 7500 mg. Der Antikörper ist in den ersten zwei Wochen wöchentlich zu verabreichen, danach alle zwei Wochen.
Die Patienten müssen während und nach der ersten Infusion zwei Stunden lang auf Anzeichen und Symptome einer infusionsbedingten und/oder Überempfindlichkeitsreaktion überwacht werden. Bei den nachfolgenden Infusionen verkürzt sich dieser Zeitraum auf eine Stunde. Beim Auftreten von Nebenwirkungen kann die Infusion verlangsamt oder abgebrochen werden. Zeigt der Patient eine Überempfindlichkeitsreaktion, ist Enjaymo abzusetzen und eine geeignete Behandlung einzuleiten.
Die Patienten erhalten Enjaymo mindestens drei Monate lang in einer Gesundheitseinrichtung. Wenn die Infusion in diesem Zeitraum gut vertragen wird, kann der Arzt eine häusliche Infusion in Erwägung ziehen. Diese wird dann von medizinischem Personal durchgeführt.