Erste subkutane Therapie verfügbar |
Sehverlust bis hin zur Erblindung gehört zu den häufigsten Folgen der Autoimmunkrankheit NMOSD. Frauen sind neunmal häufiger betroffen als Männer. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
Unter dem Begriff »Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen« (NMOSD, neuromyelitis optica spectrum disorders) werden seltene Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems zusammengefasst. Betroffen sind schätzungsweise eine bis zehn Personen pro 100.000 Einwohner. Die Krankheit beginnt meist zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Frauen sind neunmal häufiger betroffen als Männer.
NMOSD werden häufig mit pathogenen Antikörpern (AQP4-IgG) assoziiert, die gegen einen spezifischen Zelltyp, die sogenannten Astrozyten, gerichtet sind und diesen schädigen. Die Folge sind entzündliche Läsionen der Sehnerven, des Rückenmarks und des Gehirns. AQP4-IgG-Antikörper sind im Blutserum von rund drei Viertel der NMOSD-Patienten nachweisbar.
Im Jahr 2019 hatte bereits der Antikörper Eculizumab (Soliris®, Alexion Pharmaceuticals) eine Zulassungserweiterung zur Behandlung von NMOSD erhalten. Mit Satralizumab (Enspryng®, Roche) steht nun ein weiterer Antikörper für diese Indikation zur Verfügung. Es handelt sich dabei um einen humanisierten monoklonalen Antikörper, der gegen den IL-6-Rezeptor gerichtet ist. Das Zytokin IL-6 gilt als Schlüsselfaktor bei NMOSD, der die Entzündungskaskade auslöst und zu Schäden und Behinderungen führt. Im Gegensatz zu Eculizumab, das intravenös verabreicht werden muss, ist Satralizumab subkutan verfügbar.
Enspryng ist eine Weiterentwicklung von Tocilizumab mit einer neuartigen Antikörper-Recycling-Technologie, die eine längere Lebensdauer des Antikörpers und eine geringere Häufigkeit der Dosisgabe ermöglicht. Satralizumab wird subkutan — nach einer Aufdosierungsphase (Woche 0, 2 und 4) — alle vier Wochen mit 120 mg durch den behandelnden Arzt oder selbständig durch die Patienten verabreicht.
Satralizumab ist zugelassen zur Behandlung für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren mit NMOSD, die Antikörper gegen AQP4-IgG aufweisen. Das Präparat wird entweder als Monotherapie oder in Kombination mit einer immunsuppressiven Basistherapie eingesetzt. Die Zulassung stützt sich auf zwei Phase-III-Studien (SAkuraSky und SAkuraStar). In der SAkuraStar-Studie wurde Satralizumab dabei als Monotherapie eingesetzt und gegenüber Placebo verglichen. In der SAkuraSky-Studie wurde der Antikörper zusätzlich zu einer bestehenden immunsuppressiven Basistherapie (zum Beispiel Azathioprin) verabreicht. Beide Studien zeigten, dass sich das Schubrisiko für NMOSD Patienten mit AQP4- Antikörpern durch Satralizumab signifikant verringert. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopf- und Gelenkschmerzen, Abnahme der weißen Blutkörperchen und Reaktionen an der Injektionsstelle.
»Die Ergebnisse der Studien untermauern die bisherigen positiven Erfahrungen mit anti-IL6-Rezeptor gerichteten Medikamenten bei Patienten mit NMOSD und erlauben durch die subkutane Gabe ein anwendungsfreundliches Therapiemanagement«, sagte Professor Dr. Heinz Wiendl, Direktor der Klinik für Neurologie und des Instituts für Translationale Neurologie des Universitätsklinikums in Münster und Vorstandssprecher des Kompetenznetzwerkes Multiple Sklerose, in einer Pressemittelung. Die Zulassung von Satralizumab erweitere die Behandlungsmöglichkeiten von AQP4-IgG-positiven NMOSD Patienten und es stehe nun erstmals ein zugelassenes Medikament zur subkutanen Verabreichung für Erwachsene und vor allem auch für Jugendliche zur Verfügung.