Pharmazeutische Zeitung online
Morbus Crohn

Entzündung stoppen, Remission erhalten

In der Therapie des Morbus Crohn wurden in den letzten Jahren große Erfolge erzielt, vor allem durch neue Wirkstoffe wie monoklonale Antikörper und JAK-Inhibitoren. Bei einigen Patienten scheint sogar eine Heilung möglich. Was empfehlen aktuelle Leitlinien zur Induktions- und Erhaltungstherapie?
Elke Roeb
23.05.2021  08:00 Uhr

Medikamente in der Erhaltungstherapie

Konnte eine Remission medikamentös eingeleitet werden, muss eine Erhaltungstherapie folgen. Dafür eignen sich perorale 5-Aminosalicylsäure sowie Immunsuppressiva wie Thiopurine und Methotrexat (subkutan) bei Patienten mit steroidabhängigem MC.

Pankreatitis, Leukopenie, Übelkeit, allergische Reaktionen und Infektionen sind die häufigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen einer Thiopurin-Therapie. Da viele Beobachtungsstudien ein erhöhtes Risiko für Lymphome und Hautkrebs bei Patienten unter Thiopurinen gesehen haben, sollten die Patienten regelmäßig überwacht oder auf monoklonale Antikörper umgestellt werden.

Haben die Patienten mit Anti-TNF-Präparaten eine Remission erreicht, sollte diese Medikation (als Monotherapie, also ohne Immunsuppressiva) fortgesetzt werden. Für den Remissionserhalt gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Infliximab, Adalimumab und Certolizumab Pegol (14, 15).

Vergleichbares gilt für Vedolizumab und Ustekinumab: Patienten mit mittelschwerem bis schwerem MC, die damit eine Remission erreicht haben, bekommen die Antikörper weiterhin zur Erhaltungstherapie (16).

Immunsuppressiva und biologische Wirkstoffe sind die wirksamsten Therapeutika zur Aufrechterhaltung einer medizinisch induzierten Remission bei mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn. Aminosalicylate und Steroide werden in dieser Erkrankungsphase nicht empfohlen.

Arzneistoffe in der Pipeline

Zahlreiche Antikörper und niedermolekulare Wirkstoffe sind aktuell in der Erprobung für die Indikation Morbus Crohn. Diese zielen ab auf TNF-α als das wichtigste Zielmolekül, das heute bei CED-Patienten adressiert wird, aber auch auf die Interleukine IL-12 und -23, die Januskinasen oder das Enzym Phosphodiesterase.

AVX-470 ist ein oral verabreichter polyklonaler TNF-α-Antikörper, der aus Kuhkolostrum stammt (Tabelle 2). Aufgrund der Galenik mit verzögerter Freisetzung werden die Antikörper im Dünn- und Dickdarm freigesetzt; somit könnte die neue orale Galenik die Darmspezifität in die Anti-TNF-Behandlung einbringen. Eine orale Formulierung erhöht zudem die Adhärenz und die Patientensicherheit. Zusätzliche Nebenwirkungen im Vergleich zu einer etablierten Anti-TNF-Behandlung sind nicht zu erwarten. Es sind jedoch größere Studien erforderlich, um die Wirksamkeit dieses interessanten neuen Arzneimittels nachzuweisen.

Wirkstoff Targetmolekül Studiendaten, Indikation Zulassung
Orale TNF-α-Antikörper
AVX-470 (orale polyklonale IgA) TNF-α kleine CU-Studie Phase I (n = 36), NCT01759056 keine
Anti-IL-12 und Anti IL-23
Ustekinumab p40 große Studien für MC, CU, Psoriasis, Psoriasis-Arthritis
Briakinumab, ABT-874 p40 negative MC-Studie keine
Brazikumab (MEDI2070) p19 Phase II: MC, NCT02574637 keine
Risankizumab (BI 655066) p19 Phase II: MC, NCT02513459 Psoriasis
Mirikizumab (LY3074828) p19 Phase II: MC, CU.
Phase III: MC, NCT04232553
keine
Guselkumab p19 Phase III: MC, NCT04397263 Psoriasis
Tildrakizumab p19 keine CED-Studien Psoriasis
Tabelle 2: TNF-α-Antikörper und IL-12- und IL-23-Antikörper bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED)
Wirkstoff Targetmolekül Studiendaten, Indikation Zulassung
Tofacitinib JAK1/JAK3 für CU, bei MC wurde in Phase IIb Endpunkt verpasst
NCT01393626, NCT01393899
für CU, RA und Psoriasis-Arthritis
Filgotinib JAK1 Phase II: MC
Phase III: MC, NCT02914600
keine
Upadacitinib, ABT-494 JAK1 Phase II erfolgreich bei CU, Endpunkt verfehlt bei MC
Phase III: MC, NCT03345836
Phase III: MC, NCT03345849
RA
TD-1473 Pan-JAK mit intestinaler Wirksamkeit kleine Phase-Ib-Studie für CU
Phase II: MC, NCT03635112
keine
BMS-986165 TYK2 Phase II: MC, NCT03599622 keine
Brepocitinib (PF-06700841) TYK2 und JAK1 keine CED-Daten keine
PF-06651600 JAK3 Phase II: MC, NCT03395184 keine
Tabelle 3: JAK-Inhibitoren bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED)
Wirkstoff Targetmolekül Studiendaten, Indikation Zulassung
Inhibition der Lymphozyten-Adhäsion: Integrin- und MadCAM-1 Inhibitoren
Natalizumab α4-Integrin MC, kleine Open Label Studie bei CU Multiple Sklerose, MC (Reservepräparat FDA), keine EMA-Zulassung
Vedolizumab α4β7-Integrin MC und CU CU, MC
Abrilumab α4β7-Integrin Phase IIb: CU keine
Etrolizumab β7-Integrin Phase II: CU, Phase III: MC keine
AJM300 α4-Integrin Phase IIa: CU keine
PF-00547659 MadCAM-1 keine
Lymphozytentrapping: S1PR-Modulatoren
Fingolimod S1PR1, 3, 4, 5 keine für CED Multiple Sklerose
Ozanimod S1PR1, 5 Phase III: CU und MC Multiple Sklerose
Etrasimod S1PR1, 4, 5 Phase II: CU keine
Tabelle 4: Integrin-Inhibitoren und S1PR-Modulatoren bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED)

Die kombinierte IL-12/IL-23-Hemmung (Ustekinumab und möglicherweise Briakinumab) und die selektive Hemmung von IL-23 (Brazikumab, Risankizumab und Mirikizumab) sind in der MC-Behandlung wirksam (Tabelle 2; Grafik). Für Ustekinumab zeigen Langzeitdaten ein ausgezeichnetes Sicherheitsprofil bei mehr als 5000 Patienten (17), von denen einige mehr als fünf Jahre beobachtet wurden. Interessanterweise verschlimmert eine Hemmung des IL-23-Effektorzytokins IL-17 die Darmentzündung. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass der theoretische Vorteil der selektiven p19-Hemmung, die nur IL-23, aber nicht IL-12 beeinflussen würde, die Wirksamkeit oder Nebenwirkungen signifikant beeinflusst. Um den Stellenwert einzelner IL-12/IL-23-Antikörper in einem rationalen Behandlungsalgorithmus zu klären, sind Head-to-Head-Studien nötig.

Auch die JAK-Hemmung ist vielversprechend. Das erste Medikament dieser Klasse, Tofacitinib, ist für die Behandlung der Colitis ulcerosa zugelassen (Tabelle 3). Zu den Nebenwirkungen zählen Herpes zoster (Herpes-Impfung vor Therapiestart empfohlen), Reaktivierung des Cytomegalievirus, Cholesterolanstieg und Nephrotoxizität. Darüber hinaus wurde kürzlich für eine Dosis von 10 mg Tofacitinib ein erhöhtes Risiko für Lungenembolien beobachtet (Rote-Hand-Brief vom März 2020). Hohe Dosen sollten bei Patienten mit einem erhöhten thromboembolischen Risiko vermieden werden. Eine Anämie als Nebenwirkung der JAK2-Hemmung trat selten auf.

Angesichts der begrenzten Behandlungsoptionen für einige CED-Patienten ist die JAK-Hemmung eine willkommene Ergänzung der Therapiepalette. Obwohl keine Head-to-Head-Studien vorliegen, könnte Tofacitinib ähnlich wirksam wie ein TNF-α-Inhibitor sein. Allerdings war es bei MC nicht erfolgreich (18). Andere JAK-Inhibitoren wie Filgotinib und Upadacitinib werden vermutlich ihren Platz in der Crohn-Therapie finden. Neue Präparate mit besserer Spezifität für JAK1 oder TYK2 könnten die Wirksamkeit von JAK-Inhibitoren optimieren.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgen Hemmstoffe der Phosphodiesterase 4, die den Abbau von cAMP katalysiert. In der Folge wird das Netzwerk von pro- und antiinflammatorischen Mediatoren intrazellulär moduliert. Apremilast ist zur Behandlung von Psoriasis und Psoriasis-Arthritis zugelassen. Eine Phase-II-Studie mit 170 Colitis-Patienten zeigte eine klinische Remission bei 31,6 Prozent der mit Verum behandelten Patienten gegenüber 13,8 Prozent in der Placebogruppe. Unklar ist, ob therapeutische Ansätze für CED weiterverfolgt werden.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa