Entzündung stoppen, Remission erhalten |
Krampfartige Bauchschmerzen und Durchfall gehören zu den häufigsten Symptomen eines Morbus Crohn. Die meisten Patienten sind 20 bis 30 Jahre alt, wenn die Krankheit zum ersten Mal ausbricht. / Foto: Adobe Stock/Aleksej
Morbus Crohn (MC) gehört wie die Colitis ulcerosa zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), die zu fortschreitenden Darmschäden und bleibenden Beeinträchtigungen bei den Patienten führen können (1). MC betrifft Personen jeden Alters: Kinder, Erwachsene und ältere Menschen (2). Die Crohn-assoziierte, teilweise erhebliche Morbidität schränkt die Lebensqualität ein und manchmal – jedoch immer seltener – auch die Lebenserwartung.
Bis zu einem Drittel der Patienten leidet bereits bei der Erstdiagnose an einem komplizierten Verlauf mit Strikturen, Fisteln und/oder Abszessen. Die meisten Patienten entwickeln im Lauf der Zeit Komplikationen, wobei etwa die Hälfte innerhalb von zehn Jahren nach Diagnose operiert werden muss (3). Die genaue Ätiologie ist unbekannt und eine kurative Therapie noch nicht verfügbar (4). Für die medikamentöse Therapie stehen mehrere Wirkstoffe zur Verfügung. Diese umfassen Mesalazin (5-Aminosalicylsäure, 5-ASA), lokal aktive Steroide (zum Beispiel Budesonid), systemische Steroide, Thiopurine wie Azathioprin und Mercaptopurin, Methotrexat und biologische Therapien, zum Beispiel Anti-Tumornekrose-Faktor (Anti-TNF), Anti-Integrine und Anti-Interleukine (IL) (5).
Historische Aufzeichnungen aus Großbritannien dokumentieren das Auftreten von CED seit Mitte des 19. Jahrhunderts. 1932 wurde die bis dahin als Ileitis terminalis bekannte chronische Darmerkrankung erstmals als Morbus Crohn bezeichnet, zu Ehren des amerikanischen Gastroenterologen und Darmspezialisten Burril B. Crohn (1884 bis 1983).
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg die Inzidenz dramatisch an. Die Prävalenz wird in Ländern mit hohem Einkommen und auch in den Entwicklungsländern voraussichtlich weiter zunehmen.
Für Deutschland, Europa und weltweit sind steigende Inzidenzen sowie hohe Prävalenzen des Morbus Crohn gut dokumentiert. Ergebnisse einer GKV-Routinedatenanalyse des Health Risk Institute (6) zeigen eine Inzidenz von 64 pro 100.000 Versicherten im Jahr 2015. Betroffen sind besonders die Altersgruppen 15 bis 30 und 45 bis 55 Jahre.
Bei Morbus Crohn kann der gesamte Gastrointestinaltrakt vom Mund bis zum Anus befallen sein, aber die entzündlichen Veränderungen sind typischerweise segmental ausgeprägt. Die häufigsten Lokalisationsorte sind das terminale Ileum (Ileitis terminalis) und der rekto-sigmoidale Übergang.
Durchfälle, Bauchschmerzen und Krämpfe sind die wesentlichen klinischen Symptome und treten schubweise auf. Typischerweise kommt es bei der Crohn-bedingten Diarrhö zu Zeichen der Entzündung (»entzündliche/inflammatorische Diarrhö«) mit erhöhten Serum- und/oder Stuhlmarkern wie Calprotectin. Hierbei lassen sich erhöhte CRP-Werte (C-reaktives Protein) im Blut als Maß der entzündlichen Aktivität messen. In fortgeschrittenen Fällen und bei Dünndarmbeteiligung kann es zum Subileus oder Ileus (Darmverschluss) kommen.
Abbildung: Histologische Aufnahme der Darmschleimhaut eines Crohn-Patienten mit den typischen granulomatösen Veränderungen (dunkel eingefärbt) / Foto: Dr. Sheridan, Institut für Pathologie, Justus-Liebig-Universität Gießen
Daneben spielen malresorptive Beschwerden bei Dünndarmbefall und spezifische Transportstörungen des Dickdarms eine Rolle. Beim Gallensäureverlustsyndrom (Befall des terminalen Ileums) und bei Superinfektionen kann gelegentlich ein sekretorischer Durchfall hinzukommen, die chologene Diarrhö.
Die typischen Symptome, mögliche extraintestinale Befallsmuster (Tabelle 1) sowie fäkale Entzündungsmarker (Calprotectin, sehr sensitiv, wenig spezifisch) können einen Morbus Crohn oder andere Erkrankungen des Darmepithels anzeigen. Die Erstdiagnostik umfasst leitliniengerecht eine Endoskopie mit Biopsie-Entnahme und histologischer Aufarbeitung (Abbildung) sowie gegebenenfalls mit immunhistochemischen Spezialuntersuchungen oder Elektronenmikroskopie. Weiterhin sind eine bildgebende Untersuchung des restlichen Dünndarms, zum Beispiel mittels MRT Sellink oder Kapselendoskopie, angezeigt. Eine hochauflösende Sonografie erfolgt in der Regel zusätzlich und ist in der langfristigen Beurteilung von Darmwand und Verteilungsmuster unerlässlich, sollte initial jedoch durch ein schichtbildgebendes Verfahren ergänzt werden.
Der Crohn’s Disease Activity Index (CDAI) ist ein klinischer Score aus acht Faktoren, mit dem die Aktivität des MC eingeschätzt werden kann (https://qxmd.com/calculate/calculator_337/crohn-s-disease-activity-index-cdai).
Organ | Erkrankung |
---|---|
Leber | Verfettung, chronische Leberentzündung, Gelbsucht, Leberzirrhose, Abszess in der Leber, Protein-Ablagerungen in verschiedenen Organen (Amyloidose), Granulomatose |
Gallenblase und Gallenwege | Gallensteine, Entzündung der Gallengänge, Gallenblasen- oder Gallenwegskarzinom |
Haut, Schleimhaut | Hautveränderungen durch Zinkmangel, bräunliche Knoten an den Unterschenkeln, schmerzhafte Geschwüre auf Haut und Mundschleimhaut |
Gelenke | Gelenkentzündung und -schmerzen, Ankylosierende Spondylitis (Morbus Bechterew) |
Finger | Trommelschlegelfinger, weißliche Verfärbungen auf den Nägeln |
Blut, Blutgefäße | Anämie, Thrombose, Entzündung der Blutgefäße |
Augen | Entzündung aller Augenhäute |
Lunge | fibrotischer Umbau in den kleinen Lungenbläschen |
Herz | Perikarditis |
Nieren | Nierensteine, Amyloidose |
Hormonsystem | Hyperthyreose |
Die Therapie zielt darauf ab, kurzfristig eine Remission zu induzieren und diese langfristig aufrechtzuerhalten. Die Erkenntnis, dass chronische und unbehandelte Entzündungen (auch wenn sie asymptomatisch sind) letztlich zu schlechten Verläufen führen (7), hat einen Paradigmenwechsel bewirkt. Frühzeitige medikamentöse Intervention und intensive Überwachung können Komplikationen verhindern.
Zusätzlich zur medikamentösen Therapie beinhaltet das MC-Management eine Reihe allgemeiner Maßnahmen. Die Patienten sollten zum Rauchstopp ermutigt, Ernährungsdefizite behoben und therapiebedingte Nebenwirkungen wie Krebs und Infektionen überwacht werden. Ebenfalls wichtig sind Hinweise zu Impfungen, Osteoporose-Prophylaxe und Sonnenschutz, die ausführlich in den Leitlinien der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO, 2020) für Morbus Crohn beschrieben werden (5, 8).
Im Folgenden werden Induktions- und Erhaltungstherapien anhand der ECCO-Leitlinie und aktueller Studiendaten näher vorgestellt.
Budesonid wird zur Induktion einer klinischen Remission bei Patienten mit aktivem leichten bis mittelschweren MC empfohlen, wenn dieser auf das Ileum und/oder das Colon ascendens beschränkt ist. 5-ASA wird dagegen nicht empfohlen. Nach einer aktuellen Cochrane-Review- und Metaanalyse scheinen 9 mg Budesonid peroral täglich optimal zu sein. Zwar ist Budesonid gegenüber herkömmlichen Corticosteroiden weniger wirksam zur Induktion einer Remission, aber das Nebenwirkungsprofil ist signifikant besser (9).
Zahlreiche Studien haben die Wirksamkeit einer antibiotischen Behandlung bei MC untersucht (Metronidazol, Ciprofloxacin und antimykobakterielle Therapien). Vor Kurzem hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA die Verwendung von Ciprofloxacin jedoch aufgrund von potenziell dauerhaften Nebenwirkungen und Langzeitschäden eingeschränkt (EMA/668915/2018). Daher werden Antibiotika nicht mehr empfohlen, obwohl sie bei septischen Komplikationen weiterhin indiziert sind.
Zur Induktionstherapie bei Patienten mit aktivem mittelschweren bis schweren Morbus Crohn gibt es eine Reihe von Optionen, darunter systemische Corticosteroide (Kasten).
Methylprednisolon wird in einer Dosis von 48 mg/Tag (maximale Tagesdosis in Studien: 60 mg) peroral verabreicht und wöchentlich auf 32 mg, 24 mg, 20 mg, 16 mg und 12 mg reduziert. Die Medikation wird normalerweise über acht bis zwölf Wochen bis auf 2,5 bis 5 mg/Tag reduziert und dann langsam abgesetzt. Gemäß einem systematischen Cochrane-Review (10) waren Corticosteroide bei der Induktion der klinischen Remission doppelt so wirksam wie Placebo. Die Rate an Nebenwirkungen war allerdings fünffach höher.
Wichtig: Im Gegensatz zur Colitis ulcerosa hat 5-ASA keinen Effekt bei der Remissionsinduktion bei Morbus Crohn.
Zusätzlich zur Steroidtherapie werden Immunsuppressiva wie Azathioprin (AZA) oder 6-Mercaptopurin (Thiopurine) zur Remissionsinduktion empfohlen. Für Methotrexat (MTX) gibt es keine einheitliche Empfehlung (Kasten). Es kann jedoch als Option für steroidabhängige Patienten mit mittelschweren bis schweren Verläufen erwogen werden, wenn Alternativen (einschließlich chirurgischer Eingriffe) fehlen. Allerdings muss die MTX-Therapie bei Patienten mit Kinderwunsch abgebrochen werden.
Foto: Adobe Stock/Lilli
Obwohl systemische Corticosteroide bei mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn eine Remission induzieren, ist ihre Anwendung aufgrund von Nebenwirkungen begrenzt. Zudem verhindert die langfristige Anwendung nicht das Rezidiv. Daher wird in folgenden Situationen eine steroidsparende Strategie empfohlen:
Thiopurine allein induzieren keine Remission. Da sie nur langsam wirken (acht bis zwölf Wochen) und eine Remission bei steroidabhängigen Crohn-Patienten aufrechterhalten können, werden sie häufig zu Beginn der Therapie mit Steroiden kombiniert. Die Kombination aus Steroiden und MTX ist ebenfalls nur begrenzt wirksam und hat hohe Nebenwirkungsraten.
Haben die Patienten auf eine konventionelle Therapie nicht angesprochen, kommen monoklonale TNF-α-Inhibitoren wie Infliximab, Adalimumab und Certolizumab Pegol zum Einsatz, die die Entzündung schnell und gut wirksam hemmen. Certolizumab Pegol ist in der Europäischen Union nicht für MC-Patienten zugelassen, aber in der Schweiz und in Russland im Handel erhältlich.
Die Wahl des TNF-α-Antikörpers hängt von der Präferenz des Patienten, der Verfügbarkeit und den Kosten ab. Eine Netzwerk-Metaanalyse von 2015 ergab in einem paarweisen Vergleich, dass Infliximab plus AZA und die Adalimumab-Monotherapie der Certolizumab-Pegol-Therapie zur Induktion der Remission überlegen waren (11). Die ECCO-Leitlinie empfiehlt die Kombination von Adalimumab und Thiopurinen gegenüber einer Adalimumab-Monotherapie, um eine klinische Remission zu erreichen (5). Gemäß der SONIC-Studie70 sollte Infliximab als Monotherapie oder in Kombination mit AZA bei steroidabhängigen Patienten bevorzugt werden (13).
Wann biologische Wirkstoffe im Krankheitsverlauf eingesetzt werden sollen, ist umstritten. Patienten mit schlechten Prognosefaktoren, zum Beispiel mit fistulierender perianaler oder ausgedehnter Erkrankung, tiefen Ulzerationen und kompliziertem Phänotyp, könnten von der frühzeitigen Behandlung mit TNF-Inhibitoren profitieren. Ihr Risiko für Operationen, Krankenhausaufenthalte oder krankheitsbedingte Komplikationen sinkt (12). Darüber hinaus sind die Medikamente effektiver, wenn sie früher, das heißt in den ersten zwei Jahren im Krankheitsverlauf angesetzt werden.
Wenn die Remissionsinduktion weder mit konventioneller noch Anti-TNF-Therapie gelingt oder wenn Patienten die TNF-Inhibitoren absetzen müssen, können Ustekinumab oder Vedolizumab eingesetzt werden. Beide Antikörper werden als gleichwertig effektiv angesehen. Ustekinumab ist ein monoklonaler IgG1-Antikörper, der an die gemeinsame p40-Untereinheit der proinflammatorischen Interleukine (IL) 12 und 23 bindet (Grafik).
Grafik: IL-23 und IL-12 als Wirkstofftargets bei Morbus Crohn. Die Interleukine IL-23 und IL-12 teilen sich die p40-Untereinheit. Daher hemmen die p40-spezifischen Antikörper Ustekinumab und Briakinumab sowohl IL-12 als auch IL-23. Im Gegensatz dazu vermitteln p19-spezifische Antikörper die selektive IL-23-Inhibition. Nachgeschaltete Effektoren von IL-12 schließen TNF-α ein. IL-23 vermittelt die Th17-Differenzierung und die IL-17-Sekretion. Die Hemmung des IL-17-Wegs im Darm hat jedoch entzündungsfördernde Wirkungen. Blau: zugelassene Präparate, rot: Studienpräparate, TNF: Tumornekrosefaktor / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Vedolizumab, ein monoklonaler IgG1-Antikörper, entfaltet eine sehr selektive entzündungshemmende Aktivität im Kolon. Durch die hochselektive Blockade von α4β7-Integrin, einem Adhäsionsmolekül auf der Oberfläche von aktivierten Lymphozyten, wird verhindert, dass diese sich an die dazu gehörigen MAdCAM-Rezeptoren binden. Diese Rezeptoren sind vor allem im Kolon zu finden. Dies erklärt die kolonspezifische Wirkungsweise.
Viele Crohn-Patienten müssen im Lauf ihres Lebens am Darm operiert werden. Eine frühzeitige Remissionsinduktion kann dieses Risiko verringern. / Foto: Adobe Stock/Iryna
Bislang gibt es keine direkte Vergleichsstudie der beiden Antikörper und keine Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Kombinationstherapien im Vergleich zur Monotherapie.
Natalizumab, ein weiterer Integrin-Inhibitor, der für die Multiple Sklerose entwickelt wurde, ist weniger darmspezifisch und nur in den USA für Morbus Crohn zugelassen.
Trotz der medikamentösen Optionen: Bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem MC mit begrenztem Darmbefall oder Nichtansprechen auf mindestens einen monoklonalen Antikörper sollte eine Operation immer als Alternative erwogen werden.
Konnte eine Remission medikamentös eingeleitet werden, muss eine Erhaltungstherapie folgen. Dafür eignen sich perorale 5-Aminosalicylsäure sowie Immunsuppressiva wie Thiopurine und Methotrexat (subkutan) bei Patienten mit steroidabhängigem MC.
Pankreatitis, Leukopenie, Übelkeit, allergische Reaktionen und Infektionen sind die häufigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen einer Thiopurin-Therapie. Da viele Beobachtungsstudien ein erhöhtes Risiko für Lymphome und Hautkrebs bei Patienten unter Thiopurinen gesehen haben, sollten die Patienten regelmäßig überwacht oder auf monoklonale Antikörper umgestellt werden.
Unter einer Therapie mit Thiopurinen sollten die Patienten regelmäßig vom Dermatologen untersucht werden, da diese Medikation das Risiko für Lymphome und Hautkrebs erhöht. / Foto: Adobe Stock/Evgeniy Kalinovskiy
Haben die Patienten mit Anti-TNF-Präparaten eine Remission erreicht, sollte diese Medikation (als Monotherapie, also ohne Immunsuppressiva) fortgesetzt werden. Für den Remissionserhalt gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Infliximab, Adalimumab und Certolizumab Pegol (14, 15).
Vergleichbares gilt für Vedolizumab und Ustekinumab: Patienten mit mittelschwerem bis schwerem MC, die damit eine Remission erreicht haben, bekommen die Antikörper weiterhin zur Erhaltungstherapie (16).
Immunsuppressiva und biologische Wirkstoffe sind die wirksamsten Therapeutika zur Aufrechterhaltung einer medizinisch induzierten Remission bei mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn. Aminosalicylate und Steroide werden in dieser Erkrankungsphase nicht empfohlen.
Zahlreiche Antikörper und niedermolekulare Wirkstoffe sind aktuell in der Erprobung für die Indikation Morbus Crohn. Diese zielen ab auf TNF-α als das wichtigste Zielmolekül, das heute bei CED-Patienten adressiert wird, aber auch auf die Interleukine IL-12 und -23, die Januskinasen oder das Enzym Phosphodiesterase.
AVX-470 ist ein oral verabreichter polyklonaler TNF-α-Antikörper, der aus Kuhkolostrum stammt (Tabelle 2). Aufgrund der Galenik mit verzögerter Freisetzung werden die Antikörper im Dünn- und Dickdarm freigesetzt; somit könnte die neue orale Galenik die Darmspezifität in die Anti-TNF-Behandlung einbringen. Eine orale Formulierung erhöht zudem die Adhärenz und die Patientensicherheit. Zusätzliche Nebenwirkungen im Vergleich zu einer etablierten Anti-TNF-Behandlung sind nicht zu erwarten. Es sind jedoch größere Studien erforderlich, um die Wirksamkeit dieses interessanten neuen Arzneimittels nachzuweisen.
Wirkstoff | Targetmolekül | Studiendaten, Indikation | Zulassung |
---|---|---|---|
Orale TNF-α-Antikörper | |||
AVX-470 (orale polyklonale IgA) | TNF-α | kleine CU-Studie Phase I (n = 36), NCT01759056 | keine |
Anti-IL-12 und Anti IL-23 | |||
Ustekinumab | p40 | große Studien | für MC, CU, Psoriasis, Psoriasis-Arthritis |
Briakinumab, ABT-874 | p40 | negative MC-Studie | keine |
Brazikumab (MEDI2070) | p19 | Phase II: MC, NCT02574637 | keine |
Risankizumab (BI 655066) | p19 | Phase II: MC, NCT02513459 | Psoriasis |
Mirikizumab (LY3074828) | p19 | Phase II: MC, CU.Phase III: MC, NCT04232553 | keine |
Guselkumab | p19 | Phase III: MC, NCT04397263 | Psoriasis |
Tildrakizumab | p19 | keine CED-Studien | Psoriasis |
Wirkstoff | Targetmolekül | Studiendaten, Indikation | Zulassung |
---|---|---|---|
Tofacitinib | JAK1/JAK3 | für CU, bei MC wurde in Phase IIb Endpunkt verpasstNCT01393626, NCT01393899 | für CU, RA und Psoriasis-Arthritis |
Filgotinib | JAK1 | Phase II: MCPhase III: MC, NCT02914600 | keine |
Upadacitinib, ABT-494 | JAK1 | Phase II erfolgreich bei CU, Endpunkt verfehlt bei MCPhase III: MC, NCT03345836Phase III: MC, NCT03345849 | RA |
TD-1473 | Pan-JAK mit intestinaler Wirksamkeit | kleine Phase-Ib-Studie für CUPhase II: MC, NCT03635112 | keine |
BMS-986165 | TYK2 | Phase II: MC, NCT03599622 | keine |
Brepocitinib (PF-06700841) | TYK2 und JAK1 | keine CED-Daten | keine |
PF-06651600 | JAK3 | Phase II: MC, NCT03395184 | keine |
Wirkstoff | Targetmolekül | Studiendaten, Indikation | Zulassung |
---|---|---|---|
Inhibition der Lymphozyten-Adhäsion: Integrin- und MadCAM-1 Inhibitoren | |||
Natalizumab | α4-Integrin | MC, kleine Open Label Studie bei CU | Multiple Sklerose, MC (Reservepräparat FDA), keine EMA-Zulassung |
Vedolizumab | α4β7-Integrin | MC und CU | CU, MC |
Abrilumab | α4β7-Integrin | Phase IIb: CU | keine |
Etrolizumab | β7-Integrin | Phase II: CU, Phase III: MC | keine |
AJM300 | α4-Integrin | Phase IIa: CU | keine |
PF-00547659 | MadCAM-1 | keine | |
Lymphozytentrapping: S1PR-Modulatoren | |||
Fingolimod | S1PR1, 3, 4, 5 | keine für CED | Multiple Sklerose |
Ozanimod | S1PR1, 5 | Phase III: CU und MC | Multiple Sklerose |
Etrasimod | S1PR1, 4, 5 | Phase II: CU | keine |
Tabellen 2–4:
Literatur zu den Substanzen siehe auch Misselwitz et al. 2020; beispielhaft sind Studien aus dem Clinical Trials Gov Register genannt.
CU: Colitis ulcerosa, MC: Morbus Crohn, RA: Rheumatoide Arthritis
Die kombinierte IL-12/IL-23-Hemmung (Ustekinumab und möglicherweise Briakinumab) und die selektive Hemmung von IL-23 (Brazikumab, Risankizumab und Mirikizumab) sind in der MC-Behandlung wirksam (Tabelle 2; Grafik). Für Ustekinumab zeigen Langzeitdaten ein ausgezeichnetes Sicherheitsprofil bei mehr als 5000 Patienten (17), von denen einige mehr als fünf Jahre beobachtet wurden. Interessanterweise verschlimmert eine Hemmung des IL-23-Effektorzytokins IL-17 die Darmentzündung. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass der theoretische Vorteil der selektiven p19-Hemmung, die nur IL-23, aber nicht IL-12 beeinflussen würde, die Wirksamkeit oder Nebenwirkungen signifikant beeinflusst. Um den Stellenwert einzelner IL-12/IL-23-Antikörper in einem rationalen Behandlungsalgorithmus zu klären, sind Head-to-Head-Studien nötig.
Auch die JAK-Hemmung ist vielversprechend. Das erste Medikament dieser Klasse, Tofacitinib, ist für die Behandlung der Colitis ulcerosa zugelassen (Tabelle 3). Zu den Nebenwirkungen zählen Herpes zoster (Herpes-Impfung vor Therapiestart empfohlen), Reaktivierung des Cytomegalievirus, Cholesterolanstieg und Nephrotoxizität. Darüber hinaus wurde kürzlich für eine Dosis von 10 mg Tofacitinib ein erhöhtes Risiko für Lungenembolien beobachtet (Rote-Hand-Brief vom März 2020). Hohe Dosen sollten bei Patienten mit einem erhöhten thromboembolischen Risiko vermieden werden. Eine Anämie als Nebenwirkung der JAK2-Hemmung trat selten auf.
Zum Remissionserhalt bei Morbus Crohn werden orale Medikamente wie 5-ASA, Thiopurine und JAK-Inhibitoren eingesetzt, aber auch Biologika. / Foto: Adobe Stock/Edler von Rabenstein
Angesichts der begrenzten Behandlungsoptionen für einige CED-Patienten ist die JAK-Hemmung eine willkommene Ergänzung der Therapiepalette. Obwohl keine Head-to-Head-Studien vorliegen, könnte Tofacitinib ähnlich wirksam wie ein TNF-α-Inhibitor sein. Allerdings war es bei MC nicht erfolgreich (18). Andere JAK-Inhibitoren wie Filgotinib und Upadacitinib werden vermutlich ihren Platz in der Crohn-Therapie finden. Neue Präparate mit besserer Spezifität für JAK1 oder TYK2 könnten die Wirksamkeit von JAK-Inhibitoren optimieren.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgen Hemmstoffe der Phosphodiesterase 4, die den Abbau von cAMP katalysiert. In der Folge wird das Netzwerk von pro- und antiinflammatorischen Mediatoren intrazellulär moduliert. Apremilast ist zur Behandlung von Psoriasis und Psoriasis-Arthritis zugelassen. Eine Phase-II-Studie mit 170 Colitis-Patienten zeigte eine klinische Remission bei 31,6 Prozent der mit Verum behandelten Patienten gegenüber 13,8 Prozent in der Placebogruppe. Unklar ist, ob therapeutische Ansätze für CED weiterverfolgt werden.
Die Hemmung des Immunzell-Trafficking (Immunzell-Wanderung), zum Beispiel mit Vedolizumab, hat sich als wichtiges therapeutisches Prinzip bei CED herauskristallisiert (Tabelle 4). Immunzellen zirkulieren im Blutstrom und in den lymphoiden Organen. Spezifische Mechanismen stellen das sogenannte Homing (»Einwandern«) von Leukozyten in einzelnen Organen sicher.
Vedolizumab blockiert spezifisch das zelluläre Adhäsionsmolekül α4β7-Integrin, das vorwiegend auf Lymphozyten exprimiert wird, die in lymphatischen Arealen des Darms aktiviert sind. Dieses Integrin interagiert mit Mucosal addressin cell adhesion molecule 1 (MadCAM-1, mukosales Addressin), einem Oberflächenmolekül auf Mukosazellen, das auf Blutgefäßen des Darmtrakts und intestinalen Lymphstrukturen exprimiert wird. Durch die Integrin-Blockade wird die Einwanderung dieser T-Lymphozyten in den Magen-Darm-Trakt unterbunden. Die darmspezifische Wirkungsweise lässt eine geringere systemische Immunsuppression erwarten.
Antiadhäsionsstrategien scheinen in einigen Situationen mindestens so wirksam zu sein wie die TNF-Hemmung. Direkte Vergleiche, insbesondere bei MC, wären interessant.
Das ausgezeichnete Sicherheitsprofil ist das attraktivste Merkmal von Adhäsionsinhibitoren, insbesondere bei älteren und multimorbiden Patienten und Patienten mit malignen Erkrankungen in der Anamnese. Neue Antikörper und kleine Moleküle könnten ebenso gut wie, aber länger wirksam als Vedolizumab sein. Bislang wurden für keine der neueren Verbindungen wie Etrolizumab oder Abrimulab (Tabelle 4) Fälle von progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML) wie bei Natalizumab beobachtet.
Ein weiterer Ansatz ist das Lymphozyten-Trapping. Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-(S1PR-)Modulatoren wie Fingolimod ermöglichen die funktionelle Inaktivierung von Lymphozyten, indem diese in lymphoiden Organen eingeschlossen (getrappt) werden. Sphingolipide sind normale Bestandteile einer Zellmembran, die durch die Sphingosinkinasen 1 und 2 zu S1P phosphoryliert werden können. Der Abbau von S1P durch S1P-Lyase führt zu einem Gradienten von S1P mit höheren Konzentrationen im Blut, aber niedrigeren in sekundären lymphoiden Organen. Das Lymphozyten-Trapping entlang dieses Gradienten führt zur Freisetzung von B-Zellen, dendritischen Zellen und einigen T-Zell-Untergruppen in den Kreislauf (19).
Neuere S1PR-Modulatoren wie Ozanimod sind möglicherweise sicherer als Fingolimod (Tabelle 4). Somit sind S1PR-Modulatoren vielversprechende und leistungsstarke Wirkstoffe für die Behandlung von CED.
Auch Oligonukleotid-Therapeutika sind aufgrund ihrer hoch selektiven Wirkungsweise potenziell interessant für die Behandlung von MC. Es wurde jedoch noch kein Medikament dieser Klasse bei einer CED zugelassen.
Die autologe Stammzelltransplantation (ASCT) ist eine relevante Behandlungsoption für die schwersten MC-Fälle, wenn die Patienten auf keine anderen Behandlungen ansprechen. Die ASCT sollte jedoch sehr erfahrenen Zentren vorbehalten bleiben. Die Entwicklung sicherer Behandlungsprotokolle bleibt die wichtigste Herausforderung.
Die mesenchymale Stammzelltherapie (MSC) ist eine innovative Therapie und zugelassen zur Behandlung komplexer perianaler Fisteln bei Erwachsenen mit nicht oder schwach aktivem, luminalen Morbus Crohn, wenn die Fisteln auf eine oder mehrere konventionelle oder biologische Therapien nicht adäquat angesprochen haben. Diese minimalinvasive Therapie zeigt überraschend hohe Erfolgsraten bei dieser sehr schwer zu behandelnden Komplikation (20). Während die MSC-Therapie in großen Zentren etabliert ist, beschränken Kosten, logistische Herausforderungen und der Mangel an Langzeitdaten die weitere Verbreitung.
Darvadstrocel (Alofisel®) besteht aus einer Suspension von expandierten humanen allogenen, von Fett abgeleiteten mesenchymalen Stammzellen und wurde 2018 als erste Therapie mit MSC in der EU zugelassen.
Das Gebiet der CED-Therapeutika hat enorme Fortschritte erfahren und die Wirksamkeit neuer Wirkstofftargets wie IL-12/IL-23, des JAK/STAT-Signalwegs und S1P wurde in Studien nachgewiesen. Der JAK-Hemmer Tofacitinib wurde kürzlich für die CU zugelassen; weitere Arzneimittel derselben Klasse werden erwartet. In ähnlicher Weise wurde Ustekinumab in Europa für MC und CU zugelassen. In klinischen Studien werden weitere Anti-IL-12/IL-23-Medikamente eingesetzt. Ozanimod ist der in klinischen Studien am weitesten fortgeschrittene S1P-Inhibitor.
Die Wirksamkeit aller Arzneistoffe liegt jedoch nur etwa 15 bis 40 Prozent über der von Placebo, abhängig von den Endpunkten und der Erfolgsrate der Placebogruppe in der jeweiligen Studie. Dies legt nahe, dass kein einzelnes Molekül die Heilung für alle Patienten ermöglicht. Erfolg versprechend könnte die Identifizierung von Biomarkern sein, die für Untergruppen von Patienten eine spezifischere »personalisierte Medizin« ermöglichen.
Alternativ könnten Medikamente systematisch kombiniert werden, um die Erfolgschancen zu erhöhen – bei vertretbarem Nebenwirkungsprofil.
Die frühzeitige Behandlung mit Biologicals ist nach einer aktuellen systematischen Metaanalyse (21) sowohl bei erwachsenen als auch bei pädiatrischen Crohn-Patienten mit besseren klinischen Ergebnissen verbunden, nicht nur in prospektiven klinischen Studien, sondern auch im klinischen Alltag. In jedem Fall legt die Beobachtung spontaner Remissionen und kompletter Rückgänge jeglicher Krankheitsaktivität über längere Zeit oder dauerhaft bei einer Untergruppe von Patienten nahe, dass eine Heilung des Morbus Crohn theoretisch möglich ist.
Mesenchymale Stammzellen sind aktuell eine vielversprechende Behandlungsoption für Fisteln bei MC-Patienten. Die autologe Stammzelltransplantation könnte künftig als letzter Ausweg für Patienten etabliert werden, die bei allen anderen Behandlungsoptionen refraktär geblieben sind.
Elke Roeb studierte Humanmedizin und Health Care Management an den Universitäten in Aachen und Frankfurt, unterstützt durch ein Stipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung. Sie ist Gastroenterologin, Hepatologin und Intensivmedizinerin. Seit 2005 leitet Professor Dr. Roeb den Schwerpunkt Gastroenterologie am Universitätsklinikum UKGM Gießen sowie an der Justus- Liebig-Universität Gießen. Während dieser Zeit haben sie und ihr Team innovative Tiermodelle und therapeutische Strategien zu Leberfibrose und antifibrotischen Therapieansätzen entwickelt. Sie ist Mitglied großer gastroenterologischer und hepatologischer Fachgesellschaften sowie Vorsitzende des Kuratoriums der Deutschen Leberstiftung. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten umfassen die zelluläre Physiologie der Leber, die Molekularbiologie der Leberfibrose, die Rolle von HBV bei der Hepatokarzinogenese sowie die Stratifizierung und Optimierung antifibrotischer Ansätze. Professor Roeb ist Erstautorin und Koordinatorin der aktuellen deutschsprachigen Leitlinie Fettlebererkrankungen.