Entzündung mit Fernwirkung |
Menschen mit Diabetes mellitus leiden häufig unter Parodontitis – und umgekehrt, denn die beiden Erkrankungen sind bidirektional verbunden und beeinflussen sich gegenseitig: So haben Menschen mit schlecht eingestelltem Typ-1- oder Typ-2-Diabetes ein dreifach erhöhtes Risiko, an Parodontitis zu erkranken, als stoffwechselgesunde Personen (8). Zusätzlich verläuft die Parodontitis bei Menschen mit Diabetes schwerer und führt häufiger zu Zahnverlust. Bei einem gut eingestellten Diabetes besteht hingegen kein erhöhtes Risiko (3).
Eine mögliche Erklärung für den Einfluss der schlechten Stoffwechsellage auf die Zahnerkrankung bietet die Hyperglykämie. Diese scheint die Funktion von Immunzellen wie Monozyten, neutrophilen Granulozyten und T-Zellen derart zu beeinflussen, dass es zu einer Zytokin-Dysregulation kommt, die den parodontalen Knochenabbau ankurbelt (9). Zudem fördert eine verstärkte Glykierung von Proteinen die irreversible Bildung von Endprodukten der fortgeschrittenen Glykierung (advanced glycation end products, AGE). Diese AGE lagern sich in parodontalen Geweben ab und wirken proinflammatorisch und prooxidativ, was das Fortschreiten der Parodontitis fördert (9).
Umgekehrt weisen Menschen mit schwerer Parodontitis ein höheres Risiko auf, an Prädiabetes und Typ-2-Diabetes zu erkranken (3). Diesen Zusammenhang unterstützt eine aktuelle koreanische Studie mit mehr als 111.600 Erwachsenen ohne Diabetes (10). Menschen, bei denen eine Parodontitis während einer medianen Beobachtungszeit von neun Jahren behandelt wurde, hatten ein geringeres Risiko, an Diabetes zu erkranken, als solche mit unbehandelter chronischer Parodontitis. Zudem hatten Menschen mit Parodontitis ein signifikant höheres Risiko für Diabetes.
Aus diesen Daten schlossen die Autoren der Leitlinie, dass Parodontitis bei einigen Patienten die Hauptursache für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes sein könnte (3).
Gut für Mund, Herz und Hirn: In einer amerikanischen Studie sank das Risiko für Schlaganfall und Vorhofflimmern durch die regelmäßige Verwendung von Zahnseide signifikant. / © Adobe Stock/fpic
Darüber hinaus ist der Schweregrad der Parodontitis vermutlich direkt mit diabetischen Spätkomplikationen assoziiert. So haben Diabetespatienten mit moderater bis schwerer Entzündung ein höheres Risiko für Retinopathie, Neuropathie, Nephropathie, kardiovaskuläre Komplikationen (atherosklerotische Plaques) und kardio-renale Mortalität als Personen mit Diabetes, aber ohne Parodontitis (3).
Der wechselseitige Einfluss lässt sich auch daran ablesen, dass eine schwere chronische Parodontitis mit deutlich erhöhten HbA1C-Spiegeln einhergeht – sowohl bei Menschen mit als auch ohne Diabetes. Eine erfolgreiche Parodontaltherapie führte hingegen in mehreren Studien zu einer deutlichen Absenkung des HbA1C-Spiegels (3). Für Typ-1-Diabetes fehlen entsprechende Studien.
Für den HbA1C-Anstieg könnten Entzündungsmediatoren wie das C-reaktive Protein (CRP) verantwortlich sein. In einer Langzeitstudie über fünf Jahre fanden sich die höchsten HbA1C-Werte bei den Personen mit den höchsten CRP-Werten – was auf einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und systemischer Entzündung hindeutet (11).