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Verkehrssicherheit

Einschränkungen durch Arzneimittel

Dass die aktive Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen verboten ist, ist hinlänglich bekannt. Dass jedoch auch manche Grunderkrankungen und Medikamente die Verkehrs­sicherheit einschränken können, ist vielen nicht bewusst. Fährt man trotzdem Auto, riskiert man empfindliche Sanktionen.
Theresa Bödefeld
Benno Hartung
19.09.2024  09:00 Uhr

Viele Krankheiten gehen mit Symptomen einher, die die Fahrsicherheit und Fahreignung einschränken oder sogar aufheben können. Als Fahrsicherheit bezeichnet man die situations- und zeitbezogene Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs, die durch äußere Faktoren und Beeinträchtigungen des Fahrers, zum Beispiel Alkohol, Drogen, Medikamente oder Müdig­keit (im Sinne eines körperlichen Mangels), rasch veränderbar ist. Dagegen ist die Fahreignung die zeitlich stabile und von einzelnen Situationen unabhängige Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs im Sinne eines Persönlichkeitsmerkmals (1).

Sehr oft liegt der Fokus einer medikamentösen Therapie darauf, Symptome so weit zu lindern, dass der Patient keine Einschränkungen mehr im Alltag hat. Hierzu zählt auch die aktive Teilnahme am (motorisierten) Straßenverkehr. So können zum Beispiel Antiepileptika die Fahreignung, die durch das Krampfleiden aufgehoben war, wiederherstellen. Laut geltenden Richtlinien dürfen Epilepsie-Patienten erst dann wieder Auto fahren, wenn sie in Abhängigkeit von Anfallsursache und Anzahl der aufgetretenen Ereignisse einen definier­ten Mindestzeitraum lang anfallsfrei waren. Ohne Antiepileptika ­gelingt dies in der Regel jedoch nicht. Ebenso können Calciumkanal-Blocker und Vasodilatatoren, die zum Beispiel zur Behandlung von Herzerkrankungen verschrieben werden, das Risiko re­duzieren, einen Verkehrsunfall zu verursachen (2).

Allerdings können Medikamente ihrer­seits trotz ordnungsgemäßer Einnahme die Fahrsicherheit beeinträch­tigen, insbesondere während der Einstellungsphase. Bei jedem vierten Verkehrsunfall ist vermutlich ein Arzneimittel zumindest mitursächlich beteiligt und jeder zehnte Verkehrstote hat vor Fahrtantritt Psychopharmaka eingenommen (3). Insgesamt stehen etwa 20 Prozent der etwa 100.000 in Deutschland zu­gelassenen Arzneimittel im Verdacht, verkehrsrelevante Haupt- oder Neben­wirkungen zu haben (4).

Die Kategorisierung des ICADTS (Inter­national Council on Alcohol, Drugs and Traffic Safety) greift sowohl auf Daten aus dem pharmakologischen Wirkprofil einer Substanz als auch auf Ergebnisse aus standardisierten Fahrten zurück und bietet so die Möglichkeit einer generellen Risikoeinschätzung von Medikamenten (4). Wird neben den Medikamenten noch Alkohol konsumiert, erhöht sich die Odds Ratio, einen schweren oder tödlichen Verkehrsunfall zu verursachen, auf 20 bis 200 (5).

Ordnungswidrigkeit oder Straftat

Juristisch unterscheidet man zwischen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und einer Straftat nach §§ 315c oder 316 des Strafgesetzbuchs (StGB).

Eine Ordnungswidrigkeit liegt vor, wenn in der Blutprobe eines Betroffenen Alkohol oder Drogen, die in der Anlage »Liste der berauschenden Mittel und Substanzen« zu § 24a StVG aufgeführt sind, in Konzentrationen ab dem definierten Grenzwert detektiert werden konnten, der Betroffene jedoch ­keine Auffälligkeiten oder Ausfall­erscheinungen gezeigt hat. Ordnungswidrigkeiten nach § 24a beziehen sich nur auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs, zum Beispiel eines Autos, E-Bikes oder E-Scooters; für Fahrradfahrer gilt dies nicht.

Ist es jedoch zu Fahrauffälligkeiten gekommen oder haben die Polizei­beamten oder der blutentnehmende Arzt Ausfallerscheinungen dokumentiert, kann auch bei Konzentrationen unterhalb des definierten Grenzwerts eine Straftat nach § 316 (Trunkenheit im Verkehr) vorliegen.

Wurden aufgrund des Konsums von ­Alkohol, Drogen und/oder Medikamenten oder durch geistige oder körper­liche Mängel Leib oder Leben eines ­anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, liegt eine Straftat nach § 315c (Gefährdung des Straßenverkehrs) vor.

Die §§ 315c und 316 StGB gelten im Vergleich zur Ordnungswidrigkeit auch für die Nutzung von nicht-motorisierten Fahrzeugen, zum Beispiel Fahrrädern. Unabhängig vom Strafmaß kommt es in allen drei Fällen zum Verlust des Führerscheins.

Wann gilt das Arzneimittelprivileg?

In § 24a StVG gilt das sogenannte Arzneimittelprivileg. Dieses besagt, dass keine Ordnungswidrigkeit vorliegt, sofern die Substanz, die im Blut nachgewiesen wurde, aus der »bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt«.

Im Strafrecht (§§ 315c und 316) gilt dies jedoch nicht. Das bedeutet: Wenn neben der Anwesenheit eines Arzneistoffs im Blut des Betroffenen auch noch Auffälligkeiten oder Ausfall­erscheinungen, zum Beispiel undeut­liche oder verwaschene Aussprache, schwankender Gang und/oder Denk-, Reaktions- oder Konzentrationsstörungen, vorliegen, liegt trotz bestimmungsgemäßer Einnahme eines ärztlich verordneten Medikaments eine Straftat vor.

Umso wichtiger ist es, dass Ärzte und Apotheker ihre Patienten darüber aufklären, dass es unter der Einnahme bestimmter Medikamente notwendig sein kann, zumindest zeitweise auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu verzichten.

Was tun bei Auffälligkeiten?

Eine pauschale Aussage, bei welchen Patienten es unter welcher Medikation zu Ausfallerscheinungen kommen kann, die die Verkehrssicherheit einschränken, ist nicht möglich, da weitere Faktoren wie Alter, Allgemeinzustand oder Co-Medikation eine Rolle spielen. Daher ist es wichtig, Patienten und Angehörige zu sensibilisieren. Man sollte sich jedes Mal vor Fahrtantritt selber auf mögliche kognitive (Denk-, Reak­tions-, Konzentrationsstörungen) und/oder motorische Defizite (vor allem Koordinations­störungen) sowie Symptome wie Schwindel, Müdigkeit oder Sehstörungen hin überprüfen und im Zweifel auf das Auto verzichten.

Keinesfalls sollten Patienten ihre Medikamente selbstständig absetzen oder runterdosieren. Vielmehr sollten sie mit dem behandelnden Arzt sprechen, sodass dieser eventuell ein alternatives Präparat mit weniger Nebenwirkungen verordnen kann. Oft kann es helfen, die Medikamente zu anderen Uhrzeiten anzuwenden, zum Beispiel abends vor dem Schlafengehen. Auch das sollte zunächst mit dem Arzt abgeklärt werden.

Wichtig für Ärzte und Apotheker: Bei Hinweisen auf einen fahrunsicheren Patienten unterliegen sie zunächst unverändert der Schweigepflicht gegenüber Dritten, zum Beispiel der Polizei (§ 203 StGB). Falls jedoch eine aktuelle, nicht anders abwendbare Gefahr, zum Beispiel für die Gesundheit oder sogar das Leben anderer Personen, ­vorliegt, darf die Schweigepflicht nach Güter­abwägung gebrochen werden (rechtfertigender Notstand, § 34 StGB). Manche Medikamentengruppen stehen besonders im Verdacht, die Fahrsicherheit zu beeinträchtigen. Dazu gehören verschreibungspflichtige und rezeptfrei erhältliche Medikamente.

Schlaf- und Beruhigungsmittel

Benzodiazepine wirken vorwiegend schlafanstoßend, antikonvulsiv und muskelrelaxierend. Durch die Einnahme steigt das relative Risiko, bei einem Verkehrsunfall schwer oder tödlich verletzt zu werden, um das 2- bis 10-Fache (5). Zu den verkehrsmedizinisch relevanten Nebenwirkungen zählen Einschränkungen der kognitiven Fähig­keiten, Schwindel, Sedierung, Verwirrtheitszustände sowie Muskelschwäche, sodass es zu Schlangenlinienfahren, Sprachstörungen und Gangunsicherheiten kommen kann (6).

Benzodiazepine und Z-Substanzen werden als Schlafmittel in der Regel zur Nacht eingenommen. Abhängig von der Halbwertszeit kann die Wirkstoffkonzentration am nächsten Morgen wieder so weit abgebaut sein, dass die Fahrsicherheit nicht mehr beeinträchtigt ist. So konnte vor allem für kurz- bis mittellang wirksame Benzodiazepine wie Temazepam (7) und Midazolam (8) gezeigt werden, dass das Unfallrisiko am Tag nach der Einnahme nicht signifikant erhöht ist (9, 10).

Langwirksame Benzodiazepine wie Diazepam, aber auch Zopiclon können am Folgetag noch Residualwirkungen wie Einschränkungen der psychomotorischen Leistungsfähigkeit, der visuellen Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnisleistung und Informationsverarbeitung entfalten (11) und die Fahrsicherheit weiterhin beeinträchtigen.

Langwirksame Benzodiazepine wie Diazepam können noch mehrere Wochen nach Behandlungsbeginn die Fahrsicherheit signifikant einschränken (12–15). Bei Substanzen mit kürzerer Halbwertszeit wie Oxazepam scheint ein Gewöhnungseffekt schneller einzutreten, sodass nach wenigen Wochen kein erhöhtes Unfallrisiko mehr beobachtet wurde (12).

Werden Benzodiazepine als Anxiolytika oder in anderen Indikationen eingesetzt und tagsüber angewendet, ­haben auch Präparate mit kurzer Halbwertszeit signifikante Effekte auf die Fahrsicherheit. Die Einnahme von ­Alprazolam als Anxiolytikum führte in einer placebokontrollierten Studie vermehrt zu Verkehrseinbußen, die sich zum Beispiel in Störungen der Aufmerksamkeit und im Schlangenlinienfahren zeigten (16).

Starke Schmerz- und Substitutionsmittel

Opioide werden aufgrund ihrer stark schmerzstillenden Wirkung vor allem bei erheblichen Schmerzen, aber auch als Mittel gegen Reizhusten (Beispiel Codein) oder zur Substitution bei Opi­oidabhängigkeit (Beispiel Methadon) angewandt. Verkehrsrelevante Nebenwirkungen sind unter anderem Sedierung, Schwindel, Blutdrucksenkung, Verwirrtheitszustände sowie Sehstörungen durch Engstellung der Pupillen.

Opioide erhöhen das relative Risiko, bei einem Verkehrsunfall schwer oder tödlich verletzt zu werden, um das

2- bis 10-Fache (5). Insbesondere bei Therapiebeginn und Dosis­erhöhung wurden Denk-, Reaktions- und Konzentrations­störungen beobachtet, die noch nach vierwöchiger Behandlungsdauer auftreten können.

Dennoch ist eine Teilnahme am Straßenverkehr bei stabil eingestellter Opioid-Therapie und gutem Allgemeinzustand möglich und sollte nur während der Einstellungsphase, bei Dosiskorrekturen, Wechsel des Opioids sowie schlechtem Allgemeinzustand generell untersagt werden (17). Hier ist jeder Einzelfall individuell zu betrachten und vor Fahrtantritt eine kritische Selbstüberprüfung auf mögliche Symptome, die die Fahrsicherheit einschränken können, nötig.

Aufgrund der Opioid-verursachten Miosis kann auch bei stabil eingestellter Therapie, insbesondere bei Nachtfahrten und plötzlichem Wechsel der Lichtverhältnisse (Tunnel­fahrten), das Unfallrisiko weiterhin erhöht sein, da hier kein Gewöhnungseffekt auftritt.

Antidepressiva und Psychopharmaka

Antidepressiva und Psychopharmaka werden nicht nur bei Depressionen und psychischen Erkrankungen, sondern auch als Adjuvans in der Schmerz­the­rapie eingesetzt. So vielfältig wie die Indikationen sind auch die Wirkstoffklassen, sodass eine generelle Klassifizierung des Gefährdungspotenzials im Straßenverkehr nicht möglich ist.

Generell hat sich jedoch gezeigt, dass die trizyklischen Antidepressiva aufgrund ihrer sedierenden Wirkung die Fahrsicherheit stärker beeinträch­tigen als die selektiven Seroto­nin-(Noradrenalin-)Wiederaufnahme­hem­mer (SSRI, SSNRI) (4). Potenzielle verkehrsmedizinisch relevante Nebenwirkungen sind vor allem Sedierung, Schwindel, Verwirrtheitszustände, Seh- und Bewegungsstörungen, extrapyramidal-motorische Störungen sowie Durch­blutungsstörungen des Gehirns. In einer niederländischen Studie konnte gezeigt werden, dass die Einnahme moderner Antidepressiva (SSRI und SSNRI) das Risiko eines Verkehrsunfalls in etwa ver­doppelt (5).

Jedoch können auch Depressionen die Reaktionszeit ­verlängern (18) und die Aufmerksamkeit vermindern (19), ­sodass die gezielte Medikation die Fahrperformance sogar verbessern kann (20).

Indirekte Sympathomimetika

Diese Stoffe leiten sich von den endogenen Catecholaminen oder von Ephedrin ab. Durch die Freisetzung von Catechol­aminen kommt es zu einer zentral erregenden Wirkung. Indirekte Sympathomimetika wie Methylphenidat, Atomoxetin und (Lis-)Dexamphet­amin werden vor allem bei Patienten mit hyperkinetischem Syndrom oder bei Narkolepsie eingesetzt. Bei ordnungsgemäßer Einnahme führen diese Stoffe in der Regel nicht zur Abhängigkeit.

Häufig werden Amphetamin und seine Derivate jedoch aufgrund ihrer an­regenden/euphorisierenden Wirkung missbraucht und haben dann ein sehr hohes Abhängigkeits­potenzial. Unabhängig von der Art der Anwendung, ob ordnungs­gemäß oder missbräuchlich, können diese Substanzen aufgrund von zentralnervösen Nebenwirkungen und Blutdrucksteigerung zu einer Fahrunsicherheit führen. Das Apothekenpersonal muss daran denken, dass zum Beispiel Pseudoephedrin auch in nicht rezeptpflich­tigen Grippemitteln enthalten sein und das Reaktionsvermögen vermindern kann.

Medizinalcannabis

Als Cannabinoide bezeichnet man die für die Hanfpflanze (Cannabis sativa var. indica) charakteristischen Terpenphenol-Verbindungen, von denen Tetra­hydrocannabinol (THC) und seine Metaboliten 11-Hydroxy-THC (psychotrop) sowie die THC-Carbonsäure (inaktiv) von forensischem Interesse sind.

Durch den Konsum kann es zu Euphorie, Antriebsminderung, Konzentrations- und Wahrnehmungsstörungen, Denkstörungen sowie Änderungen des Zeiterlebens kommen, die zu den ­Cannabis-typischen Fahrfehlern wie wechselnde Fahrgeschwindigkeiten und Abkom­men von der Fahrspur mit anschließender Lenkkorrektur führen (21). Das relative Risiko, im Rahmen eines Verkehrsunfalls schwer oder tödlich verletzt zu werden, wird durch den Cannabis-Konsum bis zum 3-Fachen erhöht (5).

Wird Cannabis ärztlich verordnet, ist die aktive Teilnahme am Straßenverkehr nach Konsum nur dann strafbar, wenn der Fahrer Auffälligkeiten oder Ausfallerscheinungen zeigt. Ansonsten gilt bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a das Arzneimittelprivileg. Autofahren nach dem Konsum als Rauschmittel ist ordnungswidrig, sofern die gemessene Serum­konzentration über dem Grenzwert für THC von 3,5 ng/ml liegt.

Blutdrucksenkende Mittel und Diuretika

Gerade zu Beginn einer blutdruck­senkenden Therapie oder bei Dosis­erhöhung kann es zu verkehrsrelevanten Nebenwirkungen wie Ohnmachts­anfällen und Schwindel kommen, da der Blutdruck eventuell stärker gesenkt wird als beabsichtigt. Bei Diuretika sind vor allem Blutdruckabfall und Ohnmachtsanfälle aufgrund des verminderten Blutvolumens verkehrsmedizinisch relevant.

Insulin und orale Antidiabetika

Sowohl nach einer Insulin-Injektion als auch nach der Einnahme von insuli­no­tropen Antidiabetika kann es zu hypoglykämischen Zuständen kommen. Diese können zu Symptomen wie Schwindel, Verwirrtheit, Sehstörungen (verschwommenes Sehen, Doppelbilder), Kopfschmerzen, Krampfanfällen, Konzentrations- und Wachsamkeitsstörungen bis hin zu Bewusstlosigkeit oder Koma sowie vorübergehenden neurologischen Ausfallerscheinungen (zum Beispiel Sprechstörungen, Lähmungen oder Empfindungsstörungen) führen.

Ophthalmika

Augentropfen mit pupillenerweiternder Wirkung, zum Beispiel mit Atropin, werden vor allem zu diagnostischen Zwecken oder zur Ruhigstellung von Iris und Ziliarkörper bei intraokulären Entzündungen angewandt. Dies löst Akkommodationsstörungen aus und erhöht die Blendempfindlichkeit. Nach der Anwendung sollte man daher für mehrere Stunden auf eine Teilnahme am Straßenverkehr verzichten.

Im Gegensatz dazu ist bei Augen­salben häufig nicht der Wirkstoff Grund für eine vorübergehende Fahruntüchtigkeit, sondern die Konsistenz. Fettige Topika legen sich in Form von Schlieren auf die Hornhaut und führen zu verschwommenem Sehen. Eine Verkehrsteilnahme ist in der Regel nach kurzer Zeit möglich, wenn der Patient wieder klar sieht.

Apothekenpflichtige Arzneimittel

Natürlich können auch verschreibungsfreie Substanzen die Fahrsicherheit beeinträchti­gen. Dies ist vor allem bei Kombinationspräparaten gegen Erkältungen oder Mitteln gegen Reiseübelkeit zu beachten. Die Beratung in der Apotheke ist hier besonders wichtig.

Antihistaminika der ersten Generation wie Doxylamin wirken infolge der Blockade zentraler H1-Rezeptoren sedierend, weshalb sie auch als Seda­tivum eingesetzt werden. Auch in Kombinations­präparaten gegen Erkältungen wird die schlafanstoßende ­Wirkung von Doxylamin genutzt. In ­Bezug auf die Fahr­sicherheit sind vor allem die Sedierung und das eingeschränkte Reaktionsvermögen zu beachten. Nach ausreichender Schlafdauer ist die Verkehrsteilnahme am Folgetag jedoch in der Regel wieder möglich.

Auch Diphenhydramin und Dimenhydrinat sind H1-Antihistaminika. Der Einsatz als Antiallergikum ist inzwischen obsolet. Aufgrund des antiemetischen und sedierenden Wirkspektrums werden sie nahezu ausschließlich bei Übelkeit, Reisekrankheit oder als Schlafmittel eingesetzt. Vor ­allem bei älteren Patienten können nach der ­Einnahme von Dimenhydrinat Gleich­gewichtsstörungen, Schwindel, Ver­wirrung, Gedächtnis- und Konzentra­tions­störungen auftreten.

Dextrometorphan ist strukturell verwandt mit Codein und wird zur symptomatischen Behandlung von Reizhusten eingesetzt. Aufgrund des Abhängigkeitspotenzials bei Überdosierung warnte die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) bereits 2019 vor einem Missbrauch, da Dextrometorphan in den vorangegangenen sechs Jahren am häufigsten mit Verdacht auf Missbrauch der AMK gemeldet worden war. Als verkehrsrelevante Nebenwirkungen sind vor allem Müdigkeit und Einschränkungen des Reak­tionsvermögens beschrieben. Dextrometorphan ist sowohl in Mono- als auch in Kombipräparaten, vor allem in Grippemitteln enthalten.

Alkohol

Alkohol gilt nicht nur als Genussmittel, sondern kann auch in Medikamenten, vorwiegend Präparaten auf pflanzlicher Basis, enthalten sein. Ethanol wird häufig als Auszugsmittel bei der Extraktherstellung genutzt. Darüber hinaus kann er aufgrund der fungiziden und bakteriziden Eigenschaften als natürliches Konservierungsmittel dienen.

Die Mengen, die ein Patient als Einzeldosis aufnimmt, sind in der Regel gering und sollten die Fahrsicherheit nicht beeinträchtigen. Dennoch sollten vulnerable Personen, zum Beispiel Schwangere und Stillende, Kinder oder abstinente alkoholkranke Menschen, diese Arzneimittel meiden.

Als Genussmittel stellt Alkohol eine große Gefahr im Straßenverkehr dar. Vor allem bei Mischkonsum mit Drogen oder Medikamenten kann es schon bei geringem Alkoholkonsum zu starken Wechselwirkungen kommen. Insbesondere Wirkstoffe mit zentral dämpfender Wirkung wie Opioide und Schlafmittel können additiv mit der sedierenden Komponente des Alkohols wirken.

Die Leistungseinbußen korrelieren bei Alkohol relativ stabil mit der Blut­alkoholkonzentration (BAK). Bei hohem Alkoholisierungsgrad kommt es regelhaft zu massiven Einschränkungen der kognitiven (Aufmerksamkeit, Kon­zen­tra­tion und Reaktion) und psycho­motorischen (Koordination, Gang, ­Aussprache) Leistungen. Ab einer BAK von 1,10 Promille gilt eine Person als absolut fahrunsicher, sodass für den Tatbestand der Trunkenheitsfahrt (§ 316) ­keine weiteren Ausfallerscheinungen vorliegen müssen.

Das relative Risiko, im Rahmen eines Verkehrsunfalls schwer oder tödlich verletzt zu werden, ist abhängig von der BAK. Bei einer BAK ab 1,2 g/l (etwa 1,2 Promille) ist das relative Risiko 20- bis 200-fach erhöht (5).

Illegale Drogen

Der Konsum von illegalen Rausch­drogen hebt die Fahreignung auch ohne Beeinträchtigung der Fahrsicherheit auf und führt zum Verlust des Führer­scheins. Da sich die Wirkung von Medizinalcannabis nicht von illegal erwor­benem Cannabis unterscheidet, wird dieses hier nicht nochmals auf­geführt.

Heroin (Diacetylmorphin) ist ein halbsynthetisch hergestelltes Opioid, das durch Acetylierung von Morphin gebildet wird. In vivo werden durch Abspal­tung der Acetylreste zunächst 6-Monoacetylmorphin (6-MAM) und schließlich Morphin als eigentliche Wirkkomponente freigesetzt. Heroin hat eine sehr kurze Halbwertszeit von 2 bis 9 Minuten und ist daher üblicherweise in forensischen Proben nicht nachweisbar. Der Nachweis kann daher meist nur über den Nachweis des länger detektierbaren 6-MAM erfolgen.

Nach intravenöser Zufuhr flutet ­Heroin schlagartig im Gehirn an, was eine stark euphorisierende Wirkung und ein hohes Abhängigkeitspotenzial bewirkt. Verkehrsrelevant sind die zentrale Dämpfung und Sedierung, die zu verlängerten Reaktionszeiten und Konzentrationsstörungen führen. Typische Fahrfehler sind eine unsichere lang­same Fahrweise, Schwierigkeiten, die Spur zu halten, sowie Schlangenlinienfahren und Auffahrunfälle (21).

Cocain ist ein psychoaktives Alka­loid des Coca-Strauchs (Erythroxylum coca) und wirkt stimmungsaufhellend und leistungssteigernd. Die subjektiv empfundene Leistungssteigerung steht im Kontrast zu den objektiven Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens. Verkehrsrelevante Nebenwirkungen hängen vom Rauschstadium ab. In der euphorischen Rauschphase kommt es vor allem zu einer enthemmten, aggressiven und risikobereiten Fahrweise mit überhöhter Geschwindigkeit und riskanten Überholmanövern. Im eigentlichen Rauschstadium überwiegen Störungen der Koordination sowie Wahnvorstellungen und Verfolgungswahn. In der abklingenden Rausch­phase sind vor allem langsame oder wechselnde Fahrgeschwindigkeiten auf­grund eines ausgedehnten Erschöpfungszustands mit starker Müdigkeit, depressiven Verstimmungen und Orientierungslosigkeit bis hin zu Verwirrtheitszuständen zu beobachten.

Aufgrund der Pupillenweitstellung mit schwacher oder fehlender Pupillenlichtreaktion kann es während der gesamten Cocain-Rauschphase zu Störungen des Sehvermögens und erhöhter Blendempfindlichkeit kommen (21).

Amphetamin und seine Derivate fördern als indirekte Sympathomimetika die Freisetzung von Botenstoffen wie Noradrenalin und Dopamin im zentralen Nervensystem (ZNS). Daher kommt es während der akuten Rauschphase zu körperlichem Wohlbefinden, Antriebssteigerung und Euphorie; Gefühle von Hunger oder körperliche Erschöpfung werden unterdrückt. Nach deren Ab­klingen treten Verstimmung und aus­geprägte Erschöpfungszustände auf.

Sowohl in der akuten Rauschphase als auch während des Abklingens der Substanzwirkung können verkehrsre­levante Ausfallerscheinungen auftreten. Erstere führt vor allem zu einer Enthemmung mit Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit und Fehl­einschätzung von Situationen mit unangepasst hoher Fahrgeschwindigkeit und riskanten Überholmanövern. Letztere zu Müdigkeit, Erschöpfung und Reizbarkeit mit langsamer oder wechselnder Fahrgeschwindigkeit und Schwierigkeiten beim Spurhalten (21).

Fazit

Sowohl Grunderkrankungen als auch Medikamente, Alkohol und Drogen können die Fahrsicherheit und Fahreignung einschränken oder sogar aufheben. Wer trotzdem aktiv am Straßenverkehr teilnimmt, riskiert empfindliche Sanktionen.

Aufgrund von individuellen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen oder Co-Medikation lässt sich nicht pauschal beurteilen, welches Präparat bei welchem Menschen die Fahrsicherheit wie lange beeinträchtigt. Andererseits können Medikamente die Fahreignung, die durch Grunderkrankungen aufgehoben war, auch wiederherstellen. Wenn Patienten feststellen, dass sie unter kognitiven oder motorischen Defiziten und/oder Symptomen wie Schwindel, Benommenheit oder Müdigkeit leiden, sollten sie dies mit dem behandelnden Arzt besprechen. Eventuell kann er alternative Präparate verordnen oder die Dosis reduzieren. Eine Teilnahme am Straßenverkehr sollte bis zur Symptomfreiheit unterbleiben.

Ärzte und Apotheker haben die Pflicht, über mögliche (verkehrsrelevante) Nebenwirkungen und deren Konsequenzen aufzuklären. Jedoch sei auch an die Schweigepflicht erinnert. Bei Vorliegen eines »rechtfertigenden Notstandes« (§ 34 StGB) ist ein Bruch der Schweigepflicht möglich. 

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