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Zulassungsempfehlungen

Eine Handvoll neuer Arzneistoffe

Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) empfiehlt die Zulassung von fünf neuen Wirkstoffen. Das Anwendungsgebiet ist breit gestreut und reicht von Multiple Sklerose über Tagesschläfrigkeit bis hin zum Cushing-Syndrom.
Sven Siebenand
15.11.2019  14:32 Uhr

Mit Siponimod (Mayzent®, Novartis) könnte damit ein neues orales Medikament zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) auf den Markt kommen. Vorgesehen ist es für Erwachsene mit sekundär progressiver Multiple Sklerose (SPMS) mit aktiver Erkrankung. In den USA ist das Anwendungsgebiet etwas umfangreicher: Dort darf das neue Präparat auch zur Behandlung von Erwachsenen mit anderen schubförmigen Formen der MS, etwa das klinisch isolierte Syndrom oder die schubförmig remittierende MS, zum Einsatz kommen.

Siponimod ist eine Weiterentwicklung des Arzneistoffs Fingolimod (Gilenya®). Der Neuling ist ein selektiver Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptormodulator, der spezifisch an die Rezeptorsubtypen 1 und 5 bindet (S1P1 und S1P5). Die Interaktion am S1P1-Rezeptorsubtyp auf Lymphozyten verhindert, dass diese ins zentrale Nervensystem von MS-Patienten gelangen, und führt zu einer entzündungshemmenden Wirkung. Nach Passage der Blut-Hirn-Schranke bindet Siponimod zudem an den S1P5-Rezeptorsubtyp auf bestimmten Hirnzellen und wirkt dadurch im Gehirn schädlichen immunologischen Prozessen entgegen. Fingolimod dagegen ist ein unspezifischer Rezeptormodulator.

Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Polatuzumab vedotin (Polivy®, Roche) soll in Kombination mit Bendamustin und Rituximab bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom zum Einsatz kommen. Polatuzumab ist ein Anti-CD79b-Antikörper, der gezielt an entartete B-Zellen binden kann. Über einen Peptid-Linker ist der Mitose-Hemmstoff Monomethyl-Auristatin E (MMAE) mit dem Antikörper verbunden und kann zielgerichtet in maligne B-Zellen eingeschleust werden, was zum Zelltod der Krebszelle führt. Das Medikament wird infundiert.

Stimulans zum Wachhalten

Der dritte Wirkstoff mit Zulassungsempfehlung ist Solriamfetol (Sunosi®, Jazz Pharmaceucticals). Mit ihm soll übermäßige Tagesschläfrigkeit bei Patienten mit Narkolepsie oder obstruktiver Schlafapnoe behandelt werden. Das Stimulans wirkt als Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer und soll die Wachheit fördern. Solriamfetol wird in Form von Filmtabletten eingenommen.

Der Kinasehemmer Fostamatinib (Tavlesse®, Rigel Pharmaceuticals) soll bei der primären Immunthrombozytopenie Verwendung finden, einer Autoimmunerkrankung, bei der es zur Zerstörung von Thrombozyten durch das Immunsystem kommt. Fostamatinib blockiert die Milz-Tyrosinkinase (Spleen Tyrosine Kinase, Syk). Dadurch wird die Signaltransduktion von B-Zell- und Fc-aktivierenden Rezeptoren inhibiert. Letztlich wird die Antikörper-vermittelte Zerstörung von Bluttplättchen gedrosselt. Fostamatinib ist oral bioverfügbar und könnte auch eine potenzielle Therapieoption bei rheumatoider Arthritis darstellen, hat dafür aber bislang keine Zulassungsempfehlung erhalten.

Cortisol-Synthese gebremst

Last but not least haben sich die EMA-Experten dafür ausgesprochen, Osilodrostat (Isturisa®, Novartis) zur Behandlung des Cushing-Syndroms zuzulassen. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer krankhaft gesteigerten Produktion des Nebennierenhormons Cortisol. Folge ist zum Beispiel eine Gewichtszunahme, insbesondere am Körperstamm. Das oral bioverfügbare Osilodrostat ist ein Cortisol-Synthese-Hemmer. Osilodrostat hemmt die 11-β-Hydroxylase, ein Enzym, das für den letzten Schritt der Cortisol-Biosynthese in der Nebenniere verantwortlich ist.

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