Doppelt gefährlich für Schwangere |
Eine Schwangerschaft zeigt sich! Jetzt beginnt eine ganz besondere Zeit für das Paar. / Foto: Adobe Stock/Kzenon
Schwangere tragen Verantwortung für zwei und sind daher meist besonders vorsichtig. Das ist wichtig, da sie sich mit einigen Erregern leichter anstecken als nicht schwangere Frauen und manche Infektionen schwere Schäden beim Ungeborenen auslösen können. Das Risiko für Fehl- und Frühgeburten steigt, ebenso können Störungen wie ein niedriges Geburtsgewicht oder angeborene Fehlbildungen auftreten. In seltenen Fällen führen mütterliche Infektionen zum Tod von Un- und Neugeborenen.
Warum Schwangere Krankheitserregern weniger entgegenzusetzen haben als andere Frauen, ist noch nicht völlig verstanden. Das alte Konzept der »Schwangerschaft als Zustand der Immunsuppression« ist überholt. Es beruhte auf dem »immunologischen Paradoxon der Schwangerschaft«, das Peter Medawar 1953 beschrieb. Demnach könne der halb-allogene Fetus nur deshalb neun Monate lang in seiner Mutter überleben, weil das mütterliche Immunsystem für das Kind herunterfahre, während ihr Körper ein halb-allogenes Transplantat abstoßen würde (1).
Diese Theorie der Leibesfrucht als Semi-Allotransplantat beachtet allerdings nicht, dass die Schwangerschaft ein allmählicher Prozess ist, in dessen Verlauf in zunehmender Menge fetale Antigene freigesetzt werden. Der mütterliche Organismus bildet dabei vermutlich eine Toleranz aus, sodass im Gegensatz zur Transplantation keine Immunsuppression erforderlich ist (2).
Bakterielle Erkrankungen sind in der Schwangerschaft in der Regel harmloser als virale Infektionen. Zum einen lassen sie sich mit Antibiotika behandeln, zum anderen steckt sich das Baby mit bakteriellen Erregern meist erst während (intrapartal) oder nach der Geburt (postpartal) an. Virale Erreger können jedoch bereits im Mutterleib über die Plazenta auf das Kind übergehen (diaplazentare Infektion) oder die Plazenta selbst befallen.
Zu den problematischen Pathogenen gehören einige Erreger von klassischen sogenannten Kinderkrankheiten. Die gute Nachricht ist, dass es Schutzimpfungen gibt, etwa den attenuierten Kombinationslebendimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und gegebenenfalls Varizellen, kurz MMR(V)-Impfstoff. Frauen im gebärfähigen Alter sollten insgesamt zwei Dosen davon erhalten; während der Gravidität ist er wie alle Lebendimpfstoffe kontraindiziert (Kasten 1) (3).
In den Mutterschaftsrichtlinien sind serologische Untersuchungen auf Röteln vorgeschrieben, wenn bei Schwangeren keine zweimalige Impfung dokumentiert ist (4).
Eine Rötelninfektion in der Schwangerschaft kann den Embryo oder Feten je nach Zeitpunkt der Infektion schwer schädigen (kongenitales Rötelnsyndrom, CRS). Die Gefahr ist umso größer, je früher sich die Mutter in der Schwangerschaft mit Rötelnviren ansteckt. Es drohen beim Kind Schäden am Herzen (offener Ductus arteriosus), an den Augen (Katarakt) und Ohren (Innenohrtaubheit). Weitere mögliche Störungen sind ein geringes Geburtsgewicht und Organentzündungen wie Enzephalitis oder Hepatitis. Tritt eine Infektion im ersten Trimenon auf, liegt die fetale Infektionsrate bei über 50 Prozent und sinkt nach zwölf Wochen deutlich ab (3–5).
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Eine Impfung schützt die Schwangere durch eine aktive Immunisierung. Das Kind profitiert ebenfalls. Im Mutterleib gehen mütterliche Antikörper auf den Feten über und schützen das Neugeborene in den ersten Lebensmonaten. Für Schwangere sind Impfungen mit inaktivierten Impfstoffen (Totimpfstoffen) und mRNA-Vakzinen geeignet (26). Im ersten Drittel der Schwangerschaft sollen allerdings nur dringend indizierte Impfungen erfolgen. Damit soll vermieden werden, dass die Impfung mit den in der Frühschwangerschaft häufigen Spontanaborten in Verbindung gebracht wird. Impfungen gegen Influenza, Pertussis und Covid-19 werden in der Schwangerschaft von der Ständigen Impfkommission (STIKO) ausdrücklich empfohlen.
Die STIKO empfiehlt Frauen, bereits vor einer Schwangerschaft ihren Impfstatus überprüfen zu lassen und Impflücken zu schließen. Hier sollte besonders an die Vakzine gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen gedacht werden, denn hier stehen nur Lebendimpfstoffe zur Verfügung, die in der Schwangerschaft kontraindiziert sind. Nach Applikation eines Lebendimpfstoffs sollten Frauen mindestens einen Monat warten, bis sie schwanger werden.
Stillende Frauen können sowohl Tot- als auch Lebendimpfstoffe bekommen. Eine Ausnahme ist die Gelbfieber-Impfung, die in der Stillzeit nicht empfohlen wird (26).