Die Gedisa-Entscheidung – eine fragwürdige Wahl |
PZ: In dem Schreiben wird erwähnt, dass der Vorstand den Gedisa-Beitritt aus »haftungsrechtlichen Gründen« nicht empfehlen kann. Können Sie dies bitte näher erklären? Warum haftungsrechtlich?
Rochell: Nur wenn eine Mitgliederversammlung in den Stand gesetzt wird, eine informierte Entscheidung zu treffen, ist der Beschluss rechtmäßig und damit bestandskräftig. Sind hingegen Informationsdefizite gegeben, die dem Vorstand zuzurechnen sind, dann steht nicht nur die Bestandskraft der Entscheidung in Rede, sondern auch eine persönliche Haftung des Vorstands. Damit ist das auch juristische Dilemma umschrieben, in dem sich der Vorstand befunden hat, denn ihm sind keine genügenden Informationen zur validen Beurteilung einer Beteiligung als Gesellschafter an der Gedisa zur Verfügung gestellt worden. Der Mitgliederversammlung waren daher wohl oder übel sämtliche Defizite zu offenbaren, damit diese – in voller Kenntnis aller Umstände und der daraus folgenden Risiken – eine Entscheidung treffen konnte, und zwar eine dann auch insoweit bestandskräftige und den Vorstand entlastende, das heißt haftungsausschließende Entscheidung.
Um das vorstehend beschriebene Dilemma nicht nur intern, sondern zusätzlich auch durch externe Experten mit allen Konsequenzen überprüft zu haben, hat der Vorstand zum einen eine Begutachtung des Unternehmens anhand der zur Verfügung stehenden Informationen durch einen Wirtschaftsprüfer veranlasst und zum anderen einen im Vereinsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzugezogen. Beide Gutachter sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Engagement bei der Gedisa mit erheblichen Risiken – bis hin zum Totalverlust des mit einer Beteiligung aufzubringenden Kapitals – verbunden ist. Die Gesellschaft scheint - nach allem was wir wissen - gemessen an üblichen Standards einer Unternehmensgründung schlecht vorbereitet. Geeignete Unterlagen zur Beurteilung der Chancen und Risiken – nicht zuletzt dient dies auch alles zur Selbstkontrolle des Unternehmens – lagen uns nicht vor.
Außer der Pflicht insbesondere zur Aufdeckung der Risiken hat das vereinsrechtliche Gutachten zudem betont, dass der Vorstand ebenso über seine Bemühungen zur Aufklärung offener Fragen zu berichten habe. Ferner seien Alternativszenarien zu untersuchen und den Mitgliedern darzustellen (siehe Antwort auf Frage 4).
PZ: Ist es aus Ihrer Sicht üblich, dass der Verbandsvorstand seinen Mitgliedern kurz vor einer wichtigen Wahl eine Abstimmungsempfehlung gibt? Hat der Vorstand die Abstimmung damit nicht im Vorhinein zu sehr beeinflusst?
Zunächst: Da die Anmeldezahlen für die Mitgliederversammlung anfangs niedrig waren, hat der Vorstandsvorsitzende mit dem Chefsache-Rundschreiben die Mitglieder auf die Bedeutung der Veranstaltung hingewiesen. Er hat erläutert, worum es geht und appelliert, teilzunehmen. Dies geht bereits deutlich aus der Überschrift des Rundschreibens hervor: »Es sind die Mitglieder, die diese Entscheidung treffen.« Aufgrund der Komplexität der Frage war es zudem geboten, den Mitgliedern bereits zur Vorbereitung auf die Versammlung Informationen an die Hand zu geben. Die Mitglieder erwarten zu Recht von ihrem Vorstand, dass er sich nicht nur mit dem betreffenden Sachverhalt eingehend auseinandersetzt, sondern auch, dass er ihnen eine Orientierung gibt.
Die in Ihrer Fragestellung als »Abstimmungsempfehlung« bezeichnete Äußerung kann nicht isoliert, sondern muss vielmehr im Gesamtkontext betrachtet werden. Dann fällt zum Beispiel auf, dass es gleich zu Beginn des letzten Textblocks des Rundschreibens heißt: »Der Vorstand steckt hier in einem Dilemma: Die Idee hinter der Gedisa ist – im Grundsatz – gut. Die Planung und Umsetzung der Idee ist es, nach allem was wir bislang wissen beziehungsweise gerade nicht wissen, aber weniger. (…)«. Wenn es dann zum Schluss heißt, dass der Vorstand »derzeit keine positive Beschlussempfehlung zur Frage einer Beteiligung an der Gedisa aussprechen« könne, dann unterstreicht die erneute zeitliche Einschränkung («bislang«/«derzeit«), dass der Vorstand es keineswegs ausschließt, dass sich die Informationslage noch ändern kann. Und sei es, dass dieses noch in der Mitgliedersammlung selbst geschieht. Ersichtlich zu diesem Zweck ist im Übrigen Herr Sören Friedrich als Geschäftsführer der Gedisa zur Mitgliederversammlung eingeladen worden. Ferner hat der Vorstand auch keine Empfehlung dahingehend ausgesprochen, dass die Mitglieder eine Beteiligung ablehnen, also dagegen votieren sollen. Vielmehr hat er über sich gesagt, dass er – derzeit – keine positive Beschlussempfehlung geben könne. Und genau das deckt sich mit der dargestellten juristischen Situation (Dilemma), in der sich der Vorstand befunden hat. Von einer Beeinflussung kann also, erst recht unter Berücksichtigung des Inhalts des restlichen Rundschreibens sowie unter verständiger Würdigung der Gesamtumstände, keine Rede sein.